BAG, Urt. 28.5.2024 - 9 AZR 76/22

Keine Nachgewährung von Urlaub bei häuslicher Quarantäne

Autor: Richter (ArbG Aachen) Marcel Hagedorn
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 09/2024
Der Arbeitgeber erfüllt den Urlaubsanspruch, wenn er den Arbeitnehmer auf seinen Antrag hin freistellt und ihm Urlaubsentgelt zahlt. Der Erfüllung steht nicht entgegen, dass eine Behörde anschließend für denselben Zeitraum die Absonderung des selbst nicht erkrankten Arbeitnehmers in häusliche Quarantäne anordnet.§ 9 BUrlG findet keine analoge Anwendung, wenn ein nicht arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer während seines Urlaubs aufgrund einer Absonderungsanordnung des Gesundheitsamtes wegen eines Ansteckungsverdachts mit einer COVID-19-Infektion das Haus nicht verlassen darf.

BUrlG § 9; BGB § 362 Abs. 1; IfSG § 56

Das Problem

Während der COVID-19-Pandemie ordneten Behörden bei einem „Risikokontakt“ mit einer infizierten Person häusliche Quarantäne an. Auch der Kläger musste in seinem Urlaub in Quarantäne, obwohl er weder infiziert noch krank war. Er verlangt die Gutschrift der Urlaubstage.

Für eine ordnungsgemäße Urlaubsgewährung muss im fraglichen Freistellungszeitraum überhaupt eine Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers bestehen. Wenn der Arbeitnehmer im Urlaub arbeitsunfähig erkrankt, kann er nach § 9 BUrlG einen Anspruch auf Nachgewährung der Urlaubstage haben, die er krankheitsbedingt nicht wahrnehmen konnte.

Die Entscheidung des Gerichts

Das BAG stellt klar, dass Arbeitgeber ordnungsgemäß Urlaub gewähren, wenn sie aufgrund des Wunsches des Arbeitnehmers (§ 7 Abs. 1 BUrlG) den (bezahlten) Freistellungszeitraum festlegen. Danach eintretende Umstände, die eine Leistungspflicht des Arbeitnehmers entfallen lassen würden, seien grds. unbeachtlich. Der Arbeitgeber schulde keine bestimmte „Qualität“ des Urlaubs. Das Risiko „urlaubsstörender“ Umstände trage grds. der Arbeitnehmer.

Auch eine Nachgewährung der Urlaubstage lehnt das BAG ab. § 9 BUrlG sei nicht einschlägig, da der Arbeitnehmer bereits nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Eine analoge Anwendung von § 9 BUrlG auf Quarantänefälle sei ausgeschlossen. Die Analogievoraussetzungen seien nicht gegeben, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. § 56 IfSG sei eine abschließende Regelung, die die finanziellen Folgen der Quarantäne abschießend regele. Auch die Interessenlage sei bei einer Quarantäneanordnung nicht vergleichbar mit der bei einer Arbeitsunfähigkeit, da diese sich lediglich auf die Bedingungen auswirke, unter denen der Arbeitnehmer seine Freizeit gestalten könne.


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