BAG, Urt. 29.9.2020 - 9 AZR 364/19
Tariflicher Mehrurlaub – Fehlende Regelung der arbeitgeberseitigen Mitwirkungspflicht
Autor: RA FAArbR Dr. Sascha Schewiola, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 03/2021
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 03/2021
Ein tariflicher Mehrurlaub folgt nur dann anderen Regeln als denen des Bundesurlaubsgesetzes, wenn der Tarifvertrag hierfür deutliche Anhaltspunkte enthält. Das gilt auch für die Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers hinsichtlich des Mehrurlaubs.
RL 2003/88/EG Art. 7 Abs. 1; RL 2000/78/EG Art. 2 Abs. 2 Buchst. b; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3; AGG § 7; BUrlG § 7 Abs. 1 u. 3; MTV für die Metall- und Elektroindustrie, Tarifgebiet Hamburg und Umgebung, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern v. 3.7.2008 § 10; Zukunftsvertrag Dräger v. 15.12.2015 § 4 Abs. 4
Der gesetzliche Mindesturlaub erlösche zwar nicht vor Ablauf von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres, wenn der Arbeitnehmer durchgehend arbeitsunfähig erkrankt sei. Diese Regelung gelte jedoch nicht für den vorliegenden tariflichen Mehrurlaub. Die Tarifparteien hätten für diesen eindeutig einen Verfall spätestens vier Monate nach Beginn des Folgejahres festgelegt.
Dennoch habe die Entscheidung des LAG keinen Bestand. Nicht klar geregelt hätten die Tarifvertragsparteien, dass den Arbeitgeber auch keine Mitwirkungspflichten für den Mehrurlaub treffen, damit der Arbeitnehmer seinen Urlaub rechtzeitig nehmen könne. Auch insoweit könne und müsse der Tarifvertrag eine abweichende gesetzliche Regelung treffen. Hierfür müsse es jedoch deutliche Anhaltspunkte geben. Diese lägen im streitgegenständlichen Tarifvertrag nicht vor.
RL 2003/88/EG Art. 7 Abs. 1; RL 2000/78/EG Art. 2 Abs. 2 Buchst. b; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3; AGG § 7; BUrlG § 7 Abs. 1 u. 3; MTV für die Metall- und Elektroindustrie, Tarifgebiet Hamburg und Umgebung, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern v. 3.7.2008 § 10; Zukunftsvertrag Dräger v. 15.12.2015 § 4 Abs. 4
Das Problem
Die Parteien streiten über tariflichen Mehrurlaub der Klägerin. Diese war vom 20.7.2017 bis 31.5.2018 durchgehend krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Nach Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit verlangt die Klägerin von der Beklagten den für 2017 noch nicht genommenen tariflichen Mehrurlaub. Die Beklagte lehnt dieses Begehren ab. Sie beruft sich auf die ebenfalls tarifliche Regelung, wonach im Fall der Übertragung des Urlaubs auf das Folgejahr dieser in den ersten vier Monaten des Kalenderjahres gewährt und genommen werden muss.Die Entscheidung des Gerichts
Das Arbeitsgericht und das LAG weisen die Klage ab. Das BAG hebt die zweitinstanzliche Entscheidung dagegen auf und weist sie zur Neuentscheidung an das LAG zurück.Der gesetzliche Mindesturlaub erlösche zwar nicht vor Ablauf von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres, wenn der Arbeitnehmer durchgehend arbeitsunfähig erkrankt sei. Diese Regelung gelte jedoch nicht für den vorliegenden tariflichen Mehrurlaub. Die Tarifparteien hätten für diesen eindeutig einen Verfall spätestens vier Monate nach Beginn des Folgejahres festgelegt.
Dennoch habe die Entscheidung des LAG keinen Bestand. Nicht klar geregelt hätten die Tarifvertragsparteien, dass den Arbeitgeber auch keine Mitwirkungspflichten für den Mehrurlaub treffen, damit der Arbeitnehmer seinen Urlaub rechtzeitig nehmen könne. Auch insoweit könne und müsse der Tarifvertrag eine abweichende gesetzliche Regelung treffen. Hierfür müsse es jedoch deutliche Anhaltspunkte geben. Diese lägen im streitgegenständlichen Tarifvertrag nicht vor.