BAG, Urt. 31.1.2023 - 9 AZR 456/20

Urlaubsrecht – Verjährung von Ansprüchen auf Urlaubsabgeltung

Autor: Rechtsanwalt & Mediator Dr. Ralf Steffan, Linde Steffan Prehm Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 07/2023
Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs unterliegt der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Vor der Entscheidung des EuGH vom 6.11.2018 – C-684/16 – war es dem Arbeitnehmer wegen der Verfallfrist des § 7 Abs. 3 BUrlG nicht zumutbar, Klage auf Abgeltung zu erheben.

RL 2003/88/EG Art. 7; BGB § 194 Abs. 1, § 195, § 196 Abs. 1, § 204; BUrlG § 7 Abs. 3 u. 4

Das Problem

Der Kläger war bei der Beklagten vom 9.6.2010 bis zum 19.10.2015 als Arbeitnehmer und danach auf der Basis eines freien Dienstverhältnisses beschäftigt. Urlaub hatte ihm die Beklagte auch in der Zeit als Arbeitnehmer nicht gewährt. Im August 2019 hat er Klage erhoben und u.a. die Abgeltung von Urlaub für die Jahre 2010 bis 2015 verlangt. Die Beklagte hat sich auf die Verjährung berufen.

Die Entscheidung des Gerichts

Anders als die Vorinstanzen spricht das BAG dem Kläger Urlaubsabgeltungsansprüche für die Jahre 2010 bis 2014 zu; für das Jahr 2015 bleibt die Klage erfolglos.

Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung unterliege als reiner Geldanspruch der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist beginne in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheide.

Das wäre für den Kläger das Jahresende 2015 gewesen. Allerdings habe der EuGH 2018 neue Regeln für den Verfall von Urlaub aufgestellt (EuGH, Urt. v. 6.11.2018 – C-684/16, ArbRB online). Vor dem Ende des Jahres 2018 sei es deshalb dem Kläger mangels Erfolgsaussicht nicht zumutbar gewesen, Klage zu erheben. Vor dieser EuGH-Entscheidung habe der Kläger davon ausgehen dürfen, dass Urlaubsabgeltungsansprüche nach der bis dahin geltenden Rechtsprechung grds. mit dem Ende des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums am 31.3. des Folgejahres als verfallen gelten. Ende 2018 konnte indes mit der unionsrechtskonformen Umsetzung der EuGH-Entscheidung durch die nationalen Gerichte gerechnet werden.

Für den Beginn der Verjährung komme es dagegen nicht darauf an, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen sei und den Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt habe, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Zwischen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch bestehe keine Zweckidentität, die es erfordere, beide Ansprüche gleich zu behandeln. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bilde eine Zäsur. Ab diesem Zeitpunkt könne der Arbeitnehmer nicht mehr zu Erholungszwecken unter Fortzahlung seines Arbeitsentgelts von der Arbeitspflicht freigestellt werden. Zudem können weder neue Urlaubsansprüche entstehen noch bestehende nach § 7 Abs. 3 BUrlG erlöschen. Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers ende mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dieser werde nicht mehr davon abgehalten, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen. Eine unterlassene Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers könne sich deshalb nicht mehr zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken.


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