BAG, Urt. 3.12.2019 - 9 AZR 78/19
Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Beschäftigter im öffentlichen Dienst
Autor: RA FAArbR Axel Groeger, Redeker Sellner Dahs, Bonn
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 06/2020
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 06/2020
Ein öffentlicher Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, eine ermessensfehlerfrei unbeschränkt ausgeschriebene Stelle außerhalb des nach Art. 33 Abs. 2 GG durchzuführenden Bewerbungs- und Auswahlverfahrens vorab einem schwerbehinderten Arbeitnehmer zuzuweisen, um dessen Anspruch auf Beschäftigung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX zu gewährleisten.
GG Art. 33 Abs. 2; SGB IX § 164 Abs. 4; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Die Klägerin hat sich erfolglos auf verschiedene Stellen beworben und verlangt mit ihrer Klage eine Beschäftigung als Kulturagentin oder – unter Ausschluss einer Tätigkeit als Lehrerin – eine andere leidensgerechte Beschäftigung im Geschäftsbereich des zuständigen oder eines anderen Ministeriums. Die ausgeschriebene Stelle als Kulturagentin hat der Beklagte an jemand anderen vergeben. Hiergegen wendet sich die Klägerin in einem weiteren Verfahren mit einer Konkurrentenklage, die – zum Zeitpunkt der Entscheidung des BAG noch nicht rechtskräftig – abgewiesen wurde.
Der öffentliche Arbeitgeber hat aufgrund seiner Organisationsfreiheit das Recht, zwischen verschiedenen Möglichkeiten, eine Stelle zu besetzen, zu wählen. Er kann zwischen Umsetzungen, Versetzungen oder Beförderungen wählen und ist nicht verpflichtet, offene Stellen ausschließlich aufgrund von Ausschreibungen und Auswahlverfahren zu besetzen. Ein Art. 33 Abs. 2 GG entsprechendes Auswahlverfahren ist jedoch dann durchzuführen, wenn der öffentliche Arbeitgeber die zu besetzende Stelle ermessensfehlerfrei unbeschränkt ausgeschrieben hat. Der öffentliche Arbeitgeber darf seine Organisationsfreiheit allerdings nicht gezielt und manipulativ einsetzen, um den nach Maßgabe von § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX bestehenden Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter und mit ihnen gleichgestellter Arbeitnehmer zu umgehen oder eine Auswahlentscheidung zugunsten oder zu Lasten einzelner Bewerber zu steuern. Hierfür gab der Sachverhalt nach Ansicht des BAG jedoch keinen Anhaltspunkt.
GG Art. 33 Abs. 2; SGB IX § 164 Abs. 4; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Das Problem
Bei der Klägerin liegt ein GdB von 30 vor. Sie war beim beklagten Freistaat als Lehrerin tätig und ist seit langem arbeitsunfähig erkrankt. Der Amtsarzt hat festgestellt, dass mit einer Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit als Lehrerin nicht zu rechnen ist.Die Klägerin hat sich erfolglos auf verschiedene Stellen beworben und verlangt mit ihrer Klage eine Beschäftigung als Kulturagentin oder – unter Ausschluss einer Tätigkeit als Lehrerin – eine andere leidensgerechte Beschäftigung im Geschäftsbereich des zuständigen oder eines anderen Ministeriums. Die ausgeschriebene Stelle als Kulturagentin hat der Beklagte an jemand anderen vergeben. Hiergegen wendet sich die Klägerin in einem weiteren Verfahren mit einer Konkurrentenklage, die – zum Zeitpunkt der Entscheidung des BAG noch nicht rechtskräftig – abgewiesen wurde.
Die Entscheidung des Gerichts
Einem Anspruch der Klägerin auf Beschäftigung als Kulturagentin steht die vom Beklagten getroffene Organisationsentscheidung entgegen, diese Stelle im Rahmen und erst nach Abschluss des durch die Stellenausschreibung eingeleiteten Auswahlverfahrens zu besetzen, da der Beklagte insoweit an Art. 33 Abs. 2 GG gebunden ist.Der öffentliche Arbeitgeber hat aufgrund seiner Organisationsfreiheit das Recht, zwischen verschiedenen Möglichkeiten, eine Stelle zu besetzen, zu wählen. Er kann zwischen Umsetzungen, Versetzungen oder Beförderungen wählen und ist nicht verpflichtet, offene Stellen ausschließlich aufgrund von Ausschreibungen und Auswahlverfahren zu besetzen. Ein Art. 33 Abs. 2 GG entsprechendes Auswahlverfahren ist jedoch dann durchzuführen, wenn der öffentliche Arbeitgeber die zu besetzende Stelle ermessensfehlerfrei unbeschränkt ausgeschrieben hat. Der öffentliche Arbeitgeber darf seine Organisationsfreiheit allerdings nicht gezielt und manipulativ einsetzen, um den nach Maßgabe von § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX bestehenden Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter und mit ihnen gleichgestellter Arbeitnehmer zu umgehen oder eine Auswahlentscheidung zugunsten oder zu Lasten einzelner Bewerber zu steuern. Hierfür gab der Sachverhalt nach Ansicht des BAG jedoch keinen Anhaltspunkt.