BAG, Urt. 3.7.2024 - 10 AZR 171/23
Verhandlungspflicht bei Zielvereinbarungen – Vertraglich vorbehaltener Schwenk auf einseitige Zielvorgaben unwirksam
Autor: RA FAArbR Axel Braun,Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 10/2024
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 10/2024
Der Vorbehalt in einem Standardarbeitsvertrag, wonach der Arbeitgeber im Hinblick auf eine Bonuszahlung ohne weitere Voraussetzung von einer Zielvereinbarung absehen und eine (einseitige) Zielvorgabe machen kann, ist unangemessen benachteiligend i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB.
BGB §§ 307, 315
Die Arbeitgeberin bat den Arbeitnehmer mit Schreiben vom 5.8. mit Frist zum 7.8. um einen Vorschlag für eine Zielvereinbarung. Am 13.8. machte sie mit Stellungnahmefrist zum 19.8. selbst einen Vorschlag, woraufhin der Arbeitnehmer am 19.8. einen Gegenvorschlag unterbreitete. Den lehnte die Arbeitgeberin am 26.8. ab und gab gleichzeitig Ziele vor. Das Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung am 31.12., ohne dass der Arbeitnehmer einen Bonus erhalten hätte. Auf seine Zahlungsklage hat das Arbeitsgericht ihm den Bonus in voller Höhe und das LAG einen Bonus i.H.v. 90 % zugesprochen.
Dabei betont das BAG, dass sowohl eine Zielvereinbarung als auch eine Zielvorgabe zulässige Vertragsgestaltungen sind. Mit letzterer weiche ein Vertrag wegen § 315 BGB nicht vom Gesetz ab. Sehe der Arbeitsvertrag aber eine Zielvereinbarung vor, so müsse der Arbeitgeber auch mit dem Arbeitnehmer verhandeln. Weiche der Arbeitgeber hiervon ab, ohne dafür bestimmte Voraussetzungen erfüllen zu müssen, verletze dies den Grundsatz „pacta sunt servanda“.
Die Freiwilligkeits- und Bindungsklauseln seien allesamt unwirksam, da der Zielbonus zumindest auch im unmittelbaren Synallagma zur erbrachten Arbeitsleistung gestanden habe. Deshalb habe die Gegenleistung nicht unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt und Stichtags- oder Rückzahlungsbeschränkungen stehen dürfen.
BGB §§ 307, 315
Das Problem
Der Arbeitnehmer ist in einer Führungsposition beschäftigt. Sein Gehalt setzt sich je zur Hälfte aus einem Festgehalt und einem Bonus zusammen. Der Vertrag sieht vor, dass der Bonus von Zielen abhängt, die Mitarbeiter und Gesellschaft jährlich vereinbaren. Sollten keine Ziele vereinbart werden, sollten diese seitens der Gesellschaft vorgegeben werden können. Der Bonus sei eine freiwillige Leistung, die vom ungekündigten Bestand des Arbeitsvertrags am Auszahlungsstichtag und weiteren sechs Monaten abhängig sei.Die Arbeitgeberin bat den Arbeitnehmer mit Schreiben vom 5.8. mit Frist zum 7.8. um einen Vorschlag für eine Zielvereinbarung. Am 13.8. machte sie mit Stellungnahmefrist zum 19.8. selbst einen Vorschlag, woraufhin der Arbeitnehmer am 19.8. einen Gegenvorschlag unterbreitete. Den lehnte die Arbeitgeberin am 26.8. ab und gab gleichzeitig Ziele vor. Das Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung am 31.12., ohne dass der Arbeitnehmer einen Bonus erhalten hätte. Auf seine Zahlungsklage hat das Arbeitsgericht ihm den Bonus in voller Höhe und das LAG einen Bonus i.H.v. 90 % zugesprochen.
Die Entscheidung des Gerichts
Das BAG bestätigt die Entscheidung des LAG, wenn auch mit anderer Begründung. Während das Berufungsgericht die streitige Vertragsklausel nach der Unklarheitenregel (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) als unwirksam angesehen hat, hat der Senat insoweit keine Bedenken. Allerdings sei eine Klausel unangemessen benachteiligend, wenn der Arbeitgeber danach ohne weitere Voraussetzungen von einer Zielvereinbarung auf eine Zielvorgabe umschwenken dürfe.Dabei betont das BAG, dass sowohl eine Zielvereinbarung als auch eine Zielvorgabe zulässige Vertragsgestaltungen sind. Mit letzterer weiche ein Vertrag wegen § 315 BGB nicht vom Gesetz ab. Sehe der Arbeitsvertrag aber eine Zielvereinbarung vor, so müsse der Arbeitgeber auch mit dem Arbeitnehmer verhandeln. Weiche der Arbeitgeber hiervon ab, ohne dafür bestimmte Voraussetzungen erfüllen zu müssen, verletze dies den Grundsatz „pacta sunt servanda“.
Die Freiwilligkeits- und Bindungsklauseln seien allesamt unwirksam, da der Zielbonus zumindest auch im unmittelbaren Synallagma zur erbrachten Arbeitsleistung gestanden habe. Deshalb habe die Gegenleistung nicht unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt und Stichtags- oder Rückzahlungsbeschränkungen stehen dürfen.