BAG, Urt. 6.6.2023 - 9 AZR 621/19

Abberufung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten wegen eines Interessenkonflikts

Autor: RA FAArbR zert. Datenschutzbeauftragter (TÜV) Michael Wübbeke LL.M. (Arbeitsrecht), Norderstedt (www.rechtsanwalt-wuebbeke.de)
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 11/2023
Ein wichtiger Grund zur Abberufung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten liegt vor, wenn er die für seine Aufgabenerfüllung erforderliche Fachkunde oder Zuverlässigkeit nicht (mehr) besitzt. Die Zuverlässigkeit kann infrage stehen, wenn Interessenkonflikte drohen. Ein Interessenkonflikt ist anzunehmen, wenn der Datenschutzbeauftragte eine Position bekleidet, welche die Festlegung von Zwecken und Mitteln der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat. In einem solchen Fall ist die unabhängige Überwachung durch den Datenschutzbeauftragten gefährdet, weil dieser sich selbst kontrollieren muss. Der Abberufungsschutz gem. § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG ist mit dem Unionsrecht vereinbar.

DSGVO Art. 38 Abs. 3 Satz 2; ArbGG § 72 Abs. 5; BDSG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a), § 2 Abs. 2, § 6 Abs. 4 Satz 1; BGB § 626 Abs. 1; ZPO § 551 Abs. 3 Satz 1

Das Problem

Ein Unternehmen war zur Benennung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtet und bestellte diesen. Dieser war als Mitarbeiter im Fachbereich Veranlagung, zuletzt als Anwendungsberater beschäftigt. Er verarbeitete hierbei u.a. Finanzdaten von Bürgern. Das Unternehmen rief ihn später mit der Begründung ab, dass seine berufliche Tätigkeit mit der als Datenschutzbeauftragter kollidiere. Die Vorinstanzen haben die Klage des Datenschutzbeauftragten auf Unwirksamkeit der Abberufung abgewiesen.

Die Entscheidung des Gerichts

Das BAG hält die Revision für begründet, hebt die Entscheidung auf und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück.

Die Abberufung des Datenschutzbeauftragten gem. § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG sei in entsprechender Anwendung des § 626 BGB nur aus wichtigem Grund zulässig. Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO, der lediglich ein Abberufungs- und Benachteiligungsverbot des Datenschutzbeauftragten „wegen der Erfüllung seiner Aufgaben“ vorsehe, stehe dem nicht entgegen.

Nach der EuGH-Rechtsprechung sei Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO grds. mit einer nationalen Regelung wie § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG vereinbar, nach der ein interner Datenschutzbeauftragter nur aus wichtigem Grund abberufen werden könne (EuGH, Urt. v. 9.2.2023 – C-560/21 – KISA, ArbRB online).

Als wichtige Gründe kommen solche in Betracht, die mit der Funktion und Tätigkeit des Datenschutzbeauftragten zusammenhängen und eine weitere Ausübung dieser Tätigkeit unmöglich machen oder sie zumindest erheblich gefährden würden. Ein wichtiger Grund könne vorliegen, wenn der bestellte Arbeitnehmer die für die Aufgabenerfüllung erforderliche Fachkunde oder Zuverlässigkeit nicht (mehr) besitze. Die Zuverlässigkeit eines Datenschutzbeauftragten könne infrage stehen, wenn Interessenkonflikte drohen. Ein Interessenkonflikt liege vor, wenn der Datenschutzbeauftragte innerhalb einer Einrichtung eine Position bekleide, die die Festlegung von Zwecken und Mitteln der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand habe. Dann sei nämlich die unabhängige Überwachung dieser Zwecke und Mittel durch den Datenschutzbeauftragten gefährdet, weil dieser sich selbst kontrollieren müsse.


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