BAG, Urt. 6.9.2017 - 5 AZR 382/16
Umkleiden als vergütungspflichtige Arbeitszeit – Auffällige Dienstkleidung
Autor: RA FAArbR Prof. Dr. Stefan Lunk,Latham & Watkins LLP, Hamburg
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 02/2018
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 02/2018
Beim An- und Ablegen besonders auffälliger Dienstkleidung leistet ein Arbeitnehmer vergütungspflichtige Arbeit.Dienstkleidung ist besonders auffällig, wenn der Arbeitnehmer einem bestimmten Arbeitgeber oder einer bestimmten Branche zugeordnet werden kann. Das ist auch bei rein weißer Kleidung der Fall.
BAG, Urt. v. 6.9.2017 - 5 AZR 382/16
Vorinstanz: LAG Niedersachsen - 11 Sa 1007/15
BGB § 611 Abs. 1
Der Kläger macht Überstundenvergütung geltend. An 100 Arbeitstagen habe er durchschnittlich zwölf Minuten je Arbeitstag für das An- und Ablegen der Dienstkleidung und für die Wegezeiten vom Umkleideraum zur Arbeitsstelle und zurück benötigt. Der beklagte Arbeitgeber hält dem entgegen, es habe dem Kläger freigestanden, die neutrale Kleidung zuhause zu wechseln.
Entgegen der Wertung des LAG sei auch die weiße Kleidung besonders auffällig, da sie den Träger als Mitglied eines Heil- oder Hilfsberufs ausweise. An einer solchen Offenlegung habe der Arbeitnehmer kein Interesse, so dass das Tragen der Kleidung nicht eigennützig erfolge.
Bezüglich der Höhe der Vergütung müsse das LAG nun zunächst die geltende tarifliche Anspruchsgrundlage feststellen. Im Anschluss könne es die Umkleidezeiten auf der Basis des klägerischen Vortrags ggf. schätzen (zur Zulässigkeit des Schätzens s. auch BAG, Urt. v. 26.10.2016 – 5 AZR 168/16, MDR 2017, 582 = ArbRB 2017, 69 [Windeln]).
BAG, Urt. v. 6.9.2017 - 5 AZR 382/16
Vorinstanz: LAG Niedersachsen - 11 Sa 1007/15
BGB § 611 Abs. 1
Das Problem
Die Beteiligten stritten über die Vergütung von Umkleide- und Wegezeiten. Der Kläger war als Krankenpfleger bei der Beklagten beschäftigt. Letztere schloss mit ihrem Betriebsrat eine Vereinbarung über das Tragen von Dienst- und Schutzkleidung im Krankenhaus. Danach ist jeder Beschäftigte verpflichtet, während der Dienstzeit die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte weiße Kleidung zu tragen. Sie enthält keine Beschriftung oder ähnliche Kennzeichnung; das zu tragende Namensschild ist abnehmbar. Der Arbeitgeber stellt Umkleideräume und Schränke.Der Kläger macht Überstundenvergütung geltend. An 100 Arbeitstagen habe er durchschnittlich zwölf Minuten je Arbeitstag für das An- und Ablegen der Dienstkleidung und für die Wegezeiten vom Umkleideraum zur Arbeitsstelle und zurück benötigt. Der beklagte Arbeitgeber hält dem entgegen, es habe dem Kläger freigestanden, die neutrale Kleidung zuhause zu wechseln.
Die Entscheidung des Gerichts
Das BAG verweist die Sache lediglich zur Entscheidung über die Höhe der Vergütung an das LAG zurück, nachdem die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten. Bei den Umkleidezeiten handele es sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit nach § 611 Abs. 1 BGB. Zu den versprochenen Diensten im Sinn dieser Norm gehörten nicht nur die eigentlich geschuldeten Tätigkeiten, sondern auch jede vom Arbeitnehmer verlangte sonstige Tätigkeit, die mit den eigentlichen Tätigkeiten unmittelbar zusammenhänge. Deshalb zähle jedenfalls auch das An- und Ablegen einer besonders auffälligen, vom Arbeitgeber vorgeschriebenen Dienstkleidung zur Arbeitszeit. An deren Tragen habe der Arbeitnehmer regelmäßig kein Eigeninteresse; das Umziehen erfolge daher fremdnützig.Entgegen der Wertung des LAG sei auch die weiße Kleidung besonders auffällig, da sie den Träger als Mitglied eines Heil- oder Hilfsberufs ausweise. An einer solchen Offenlegung habe der Arbeitnehmer kein Interesse, so dass das Tragen der Kleidung nicht eigennützig erfolge.
Bezüglich der Höhe der Vergütung müsse das LAG nun zunächst die geltende tarifliche Anspruchsgrundlage feststellen. Im Anschluss könne es die Umkleidezeiten auf der Basis des klägerischen Vortrags ggf. schätzen (zur Zulässigkeit des Schätzens s. auch BAG, Urt. v. 26.10.2016 – 5 AZR 168/16, MDR 2017, 582 = ArbRB 2017, 69 [Windeln]).