BAG, Vorlagebeschl. 28.10.2021 - 8 AZR 370/20 (A)

EuGH-Vorlage: Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei der Gewährung von Zuschlägen für Überstunden?

Autor: RA FAArbR Jürgen Markowski, MARKOWSKI Arbeitsrecht, Offenburg
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 04/2022
Der EuGH wird um Klärung der Frage ersucht, ob Art. 157 AEUV sowie Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 Satz 1 der Richtlinie 2006/54/EG so auszulegen sind, dass eine nationale tarifvertragliche Regelung, nach der die Zahlung von Überstundenzuschlägen nur für Arbeitsstunden vorgesehen ist, die über die regelmäßige Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus gearbeitet werden, eine Ungleichbehandlung von Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten enthält.

AGG § 15 Abs. 2; AEUV Art. 157 Abs. 1; RL 2006/54/EG Art. 2 Abs. 1, Art. 4; Rahmenvereinbarung Teilzeitarbeit § 4 Nr. 1

Das Problem

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte auf dem Zeitkonto der Klägerin eine Zeitgutschrift vornehmen muss, die den tarifvertraglich zu zahlenden Überstundenzuschlägen entspricht.

Die Beklagte betreibt bundesweit an verschiedenen Standorten Dialysezentren. In dem zur Anwendung kommenden Manteltarifvertrag, der auch im Arbeitsvertrag der Klägerin in Bezug genommen wird, ist ein Zuschlag von 30 Prozent (alternativ auch als Zeitgutschrift) für Überstunden vorgesehen, die über die kalendermonatliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten hinaus geleistet werden.

Die Klägerin ist bei der Beklagten als Pflegekraft in Teilzeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, die 40 Prozent der Arbeitszeit einer Vollzeitkraft entspricht, beschäftigt. Ende März 2018 wies das Arbeitszeitguthaben der Klägerin 129 Stunden und 24 Minuten aus. Dies stellt die Anzahl der von der Klägerin über die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleisteten Stunden dar.

Die Klägerin verlangt für diese zusätzlich geleisteten Arbeitsstunden eine um 30 % höhere Zeitgutschrift, da sie der Meinung ist, ihr stünden insoweit Überstundenzuschläge zu. Ferner verlangt sie eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat die Beklagte verurteilt, die Überstundenzuschläge als Zeitgutschrift gutzuschreiben. Beide Seiten haben Revision eingelegt.

Die Entscheidung des Gerichts

Das BAG hält sowohl die Frage der Geschlechtsdiskriminierung als auch die der Benachteiligung wegen Teilzeitarbeit für entscheidungserheblich und legt sie dem EuGH vor. Konkret möchte es wissen, ob die tarifvertragliche Regelung, so wie die Klägerin meint, eine Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten im Verhältnis zu Vollzeitbeschäftigten enthält. Infrage kommt nach Auffassung des BAG eine mittelbare Diskriminierung. Der Senat könne nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit beurteilen, ob die Anwendung der tariflichen Regelung eine Ungleichbehandlung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten i.S.v. Art. 157 AEUV und Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 Satz 1 RL 2006/54/EG bewirke.

Ergänzend fragt das BAG, ob zudem bei der mittelbaren Diskriminierung auch zu berücksichtigen ist, dass die Ungleichbehandlung erheblich mehr Frauen als Männer betrifft, weil unter den Vollzeitbeschäftigten erheblich mehr Männer sind.

Zuletzt wirft das BAG die Frage auf, wie eine sich möglicherweise aus dem Tarifvertrag ergebende Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden kann und welche rechtmäßigen Ziele hierfür infrage kommen.


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