Bagatellkündigung – Verdeckte Videoüberwachung in Verkaufsräumen
Autor: RA FAArbR Dr. Joachim Trebeck, LLM., Schlütter Bornheim Seitz, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 10/2012
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 10/2012
Die Entwendung geringwertiger Gegenstände aus dem Warenbestand des Arbeitgebers rechtfertigt im Einzelfall auch nach langer Betriebszugehörigkeit eine verhaltensbedingte Kündigung. Das aus einer verdeckten Videoüberwachung in einem öffentlich zugänglichen Raum gewonnene Beweismaterial unterliegt nicht allein deshalb einem prozessualen Beweisverwertungsverbot, weil das Video unter Verstoß gegen § 6b Abs. 2 BDSG aufgenommen wurde.
BAG, Urt. v. 21.6.2012 - 2 AZR 153/11
Vorinstanz: LAG Köln - 6 Sa 817/10
KSchG § 1 Abs. 2; BGB § 241 Abs. 2; GG Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1; BDSG § 6b
Dabei hat das BAG die Gelegenheit genutzt, klarzustellen, dass die Entwendung geringwertiger Gegenstände weiterhin eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen kann. Die zwischenzeitliche Diskussion über ein „Vertrauenskapital” hatte weniger in der „Emmely”-Entscheidung selbst (BAG, Urt. v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, MDR 2011, 236 = ArbRB 2010, 328 [Boudon], ArbRB online), als vielmehr in der dazu herausgegebenen Presseerklärung ihren Ursprung (s. dazu Tiedemann, ArbRB 2011, 93, ArbRB online). Das BAG hat bereits in Folgeentscheidungen (BAG, Urt. v. 9.6.2011 – 2 AZR 284/10, ArbRB online; Urt. v. 9.6.2011 – 2 AZR 323/10, ArbRB online) deutlich dokumentiert, dass es bei seiner bisherigen Rechtsprechung bleiben und diese stringent weiterführen wird. Auch die vorliegende Entscheidung stellt klar, dass selbst langjährig Beschäftigten bei einem entsprechenden Vertrauensbruch gekündigt werden kann, aber eine Einzelfallabwägung erforderlich ist.
Darüber hinaus hat das BAG entschieden, dass eine Verletzung der Kennzeichnungspflicht aus § 6b Abs. 2 BDSG nicht unbedingt zu einem Beweisverwertungsverbot führt. Eine verdeckte Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen sei zulässig
BAG, Urt. v. 21.6.2012 - 2 AZR 153/11
Vorinstanz: LAG Köln - 6 Sa 817/10
KSchG § 1 Abs. 2; BGB § 241 Abs. 2; GG Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1; BDSG § 6b
Das Problem:
Die Klägerin ist seit 1990 als Verkäuferin in einem Filialbetrieb der Beklagten beschäftigt. Durch eine verdeckte Videoüberwachung des Verkaufsraums konnte ihr nachgewiesen werden, dass sie mindestens zwei Zigarettenpackungen entwendet hatte. Die Arbeitgeberin sprach daraufhin nach Beteiligung des Betriebsrats eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung aus.Die Entscheidung des Gerichts:
Das BAG hat die Klage zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das LAG zurückverwiesen.Dabei hat das BAG die Gelegenheit genutzt, klarzustellen, dass die Entwendung geringwertiger Gegenstände weiterhin eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen kann. Die zwischenzeitliche Diskussion über ein „Vertrauenskapital” hatte weniger in der „Emmely”-Entscheidung selbst (BAG, Urt. v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, MDR 2011, 236 = ArbRB 2010, 328 [Boudon], ArbRB online), als vielmehr in der dazu herausgegebenen Presseerklärung ihren Ursprung (s. dazu Tiedemann, ArbRB 2011, 93, ArbRB online). Das BAG hat bereits in Folgeentscheidungen (BAG, Urt. v. 9.6.2011 – 2 AZR 284/10, ArbRB online; Urt. v. 9.6.2011 – 2 AZR 323/10, ArbRB online) deutlich dokumentiert, dass es bei seiner bisherigen Rechtsprechung bleiben und diese stringent weiterführen wird. Auch die vorliegende Entscheidung stellt klar, dass selbst langjährig Beschäftigten bei einem entsprechenden Vertrauensbruch gekündigt werden kann, aber eine Einzelfallabwägung erforderlich ist.
Darüber hinaus hat das BAG entschieden, dass eine Verletzung der Kennzeichnungspflicht aus § 6b Abs. 2 BDSG nicht unbedingt zu einem Beweisverwertungsverbot führt. Eine verdeckte Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen sei zulässig
- aufgrund eines konkreten Verdachts einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers,
- wenn weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft worden seien,
- die verdeckte Videoüberwachung damit praktisch das einzig verbleibende Mittel darstelle,
- die Überwachung sich auf einen räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern beschränke,
- nicht lediglich allgemeine Mutmaßungen hinsichtlich der Begehung von Straftaten vorlägen und
- die Videoüberwachung insgesamt nicht unverhältnismäßig sei.