Bdb. OLG, Beschl. 10.1.2020 - 13 UF 184/19
Berücksichtigung von Umgangskosten des barunterhaltspflichtigen Elternteils
Autor: RiOLG a.D. RAin Dr. Dagny Liceni-Kierstein, Berlin
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 07/2020
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 07/2020
Der barunterhaltspflichtige Elternteil muss alle Möglichkeiten nutzen, um die Kosten für die Ausübung seiner üblichen Umgangskontakte mit dem Kind so niedrig wie möglich zu halten. Zunächst ist das ihm zustehende hälftige Kindergeld zur Deckung dieser Kosten einzusetzen. Soweit sich die tatsächlichen Umgangskosten daraus nicht vollständig decken lassen, hat der Unterhaltsschuldner seine Aufwendungen so konkret darzulegen, dass daran eine Schätzung gem. § 287 ZPO anknüpfen kann.
BGB § 1601, § 1603 Abs. 2; ZPO § 287
Umgangskosten seien weder ganz noch teilweise abzugsfähig, denn die Ag habe hierzu nicht hinreichend konkret vorgetragen. Das aber sei unverzichtbar, da sie den Einwand erhoben habe, dass die für die Ausübung ihrer Umgangskontakte vorrangig zu verwendende Kindergeldhälfte zur Deckung der Kosten ihres Umgangs mit dem Kind nicht ausreichend sei. Zumindest zur Größenordnung der tatsächlich zu tragenden Umgangskosten müsse erwiderungsfähig vorgetragen werden, damit zumindest eine Schätzung gem. § 267 ZPO möglich sei. Dem genüge der zu pauschale Sachvortrag der Mutter nicht.
BGB § 1601, § 1603 Abs. 2; ZPO § 287
Das Problem
Der Ast (geb. 2015), der im Haushalt seines Vaters lebt, nimmt seine Mutter, die Ag, auf Zahlung von Mindestunterhalt in Anspruch. Die Mutter (geboren 1986) geht einer teilschichtigen Erwerbstätigkeit als zahnmedizinische Fachangestellte an 3 Tagen im Umfang von 18 Wochenstunden nach. Sie lebt und arbeitet in Baden-Württemberg. Von dort reist sie am letzten Freitag im Monat an und nimmt ab 10:00 Uhr bis zum darauffolgenden Mittwoch 17:00 Uhr Umgang mit dem Kind wahr, beginnend und endend an dem Wohnort des Vaters. Das AG hat die tatsächlich leistungsunfähige Ag antragsgemäß zur Zahlung von laufendem und rückständigem Mindestunterhalt verpflichtet unter Zurechnung fiktiver Erwerbseinkünfte und ohne Berücksichtigung von Umgangskosten. Letztere seien von der Mutter unzureichend dargelegt worden. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Ag, die weiterhin den Einwand der Leistungsunfähigkeit erhebt und ihren erstinstanzlichen Abweisungsantrag weiterverfolgt.Die Entscheidung des Gerichts
Das OLG weist die Beschwerde in vollem Umfang zurück. Mit Blick auf ihre verschärfte Erwerbsobliegenheit (§ 1603 Abs. 2 BGB) sei der Ag ein fiktives Erwerbseinkommen zuzurechnen. Nach Maßgabe von § 3, § 9 Abs. 1 ArbZG sei von der Mutter eine Nebentätigkeit bis zu einer Gesamtarbeitszeit von bis zu 48 Wochenstunden zu erwarten. Mit Blick auf den zusammenhängenden 6-tägigen Umgang einmal im Monat – davon 2 Tage am Wochenende – sei der Ag eine regelmäßige Arbeitszeit von 80 % einer vollen Stelle (= 32 Wochenstunden) abzuverlangen. Aufgrund ihrer besonderen Qualifikation auf dem Gebiet der Zahnreinigung/Oralhygiene sei die Ag in der Lage, mit einer solchen Erwerbstätigkeit ein Bruttogehalt von monatlich rund 2.055 € zu erzielen. Bei Steuerklasse I und nach Abzug einer – auch im Rahmen einer fiktiven Einkommenszurechnung anzusetzenden – Pauschale von 5 % für berufsbedingte Aufwendungen errechne sich daraus ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von rund 1.376 €. Darüber hinaus sei der Mutter an den 3 umgangsfreien Wochenenden eine Nebentätigkeit im arbeitsrechtlich zulässigen Umfang von 24 Stunden im Monat zuzurechnen. Hier seien von ihr im Rahmen einer Geringverdienerbeschäftigung unter Geltung des Mindestlohns bereinigte Nebeneinkünfte von rund 213 € monatlich erzielbar. Nach Abzug des notwendigen Selbstbehalts von dem so ermittelten Gesamteinkommen könne die Mutter aus der verbliebenen Differenz von (1.589 € – 1.160 € =) 429 € den Mindestunterhalt (von derzeit 267 €) für ein Kind der 1. Altersstufe aufbringen.Umgangskosten seien weder ganz noch teilweise abzugsfähig, denn die Ag habe hierzu nicht hinreichend konkret vorgetragen. Das aber sei unverzichtbar, da sie den Einwand erhoben habe, dass die für die Ausübung ihrer Umgangskontakte vorrangig zu verwendende Kindergeldhälfte zur Deckung der Kosten ihres Umgangs mit dem Kind nicht ausreichend sei. Zumindest zur Größenordnung der tatsächlich zu tragenden Umgangskosten müsse erwiderungsfähig vorgetragen werden, damit zumindest eine Schätzung gem. § 267 ZPO möglich sei. Dem genüge der zu pauschale Sachvortrag der Mutter nicht.