Bdb. OLG, Beschl. 22.1.2024 - 13 UF 65/23
Rückübertragungsverpflichtung eines per ehebezogener Verfügung übertragenen Grundstücks bei gesetzlichem Güterstand
Autor: RA Dr. Walter Kogel, FAFamR, Dr. Kogel & Mast Familienanwälte, Aachen
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 05/2024
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 05/2024
1. Wenn ein Ehegatte einem anderen einen größeren Vermögenswert zuwendet, ohne dazu verpflichtet zu sein, so handelt es sich im Zweifel nicht um ein sog. eheneutrales Rechtsgeschäft oder eine Schenkung. Vielmehr ist eine solche Zuwendung in der Regel durch die Motivation bestimmt, einen Beitrag zur Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft leisten zu wollen. (Rz. 19)2. Ein Anspruch auf dingliche Rückgewähr eines Vermögensgegenstands neben dem Zugewinnausgleich kommt nur in ganz seltenen Ausnahmefällen in Betracht, wenn nämlich der Zuwendende ein schutzwürdiges Interesse gerade an der Rückübertragung des Vermögensobjekts selbst hat und es unerträglich erscheint, dass der andere Ehegatte das Eigentum daran behält, anstatt es – gegen Zahlung eines angemessenen Ausgleichs – zurück zu übertragen. (Rz. 24)3. Bei der Prüfung einer Rückabwicklung einer ehebedingten Zuwendung von Ehegatten, die ihre Ehe im Güterstand der Zugewinngemeinschaft geführt haben, ist zunächst das Bestehen einer derartigen Rückübertragungsverpflichtung rechtskräftig festzustellen und ein etwaiger Anspruch bei der Ermittlung des Zugewinnausgleichs in die Endvermögensbilanzen der Ehegatten einzustellen. (Rz. 31)
BGB § 242, § 313, §§ 1365 ff.; FamFG § 68 Abs. 3 S. 2, § 117 Abs. 3
Eine dingliche Rückabwicklung könne allerdings dann in Betracht kommen, wenn spezielle Umstände vorlägen, die den Fortbestand eines ungeteilten Grundstücks im Eigentum des Zuwendenden zwingend erforderlich machten. Dabei seien die wirtschaftlichen Verhältnisse, das Alter, der Gesundheitszustand der Ehegatten sowie die Dauer der Ehe bis zur Trennung zu berücksichtigen. Derartige Umstände sieht der Senat vorliegend als gegeben an. Maßgebend sei zunächst, dass die zugesprochenen 77.000 € von der Antragsgegnerin gar nicht finanziert werden könnten. Ihr bleibe absehbar nichts anderes übrig, als den Weg der Teilungsversteigerung zu gehen. Der Antragssteller werde wahrscheinlich bei dieser Versteigerung seinen Anteil verlieren, da er finanziell nicht in der Lage sei, den entsprechenden Betrag zu finanzieren. Die Ehedauer sei kurz; der Zeitpunkt zwischen Übertragung und Trennung betrage noch nicht einmal ein Jahr. Außerdem sei der Antragsteller angesichts des geringen Rentenwerts und seines Alters auf eine unentgeltliche Nutzung der Immobilie angewiesen. Allerdings sei der vom AG ausgeurteilte Betrag von 5.000 € um den Betrag aus dem Zugewinnausgleich zu erhöhen. Die 5.000 € seien im Hinblick auf die Nutzungsdauer (7 Monate) unter Berücksichtigung des Lebensalters und der Lebenserwartung der Antragsgegnerin (vorliegend 408 Monate) vom AG keineswegs zu gering bemessen worden.
Normalerweise müsse zunächst rechtskräftig festgestellt werden, ob ein Rückübertragungsanspruch bestehe. Dieser Anspruch sei dann erst in der jeweiligen Zugewinnausgleichsbilanz als Aktiva und Passiva einzustellen. Dass dies vorliegend nicht gemacht worden sei, könne jedoch zu keinem anderen Ergebnis führen.
BGB § 242, § 313, §§ 1365 ff.; FamFG § 68 Abs. 3 S. 2, § 117 Abs. 3
Das Problem
Die Eheleute waren seit Oktober 2015 miteinander verheiratet. Sie wohnten in einem Haus mit einem großen Grundstück auf dem nach Vortrag des Antragstellers eine Alpakafarm geplant war. Ende 2017 übertrug der Antragsteller unentgeltlich und vorbehaltlos der Antragsgegnerin einen 1/2 Miteigentumsanteil an dem ihm schon vor der Ehe gehörenden Grundstück. Bereits 8 Monate später zog die Antragsgegnerin aus. Zum Zeitpunkt des im Juli 2019 eingereichten Scheidungsantrags hatte das gesamte Grundstück einen Wert von 320.000 €. Der Antragsteller verlangt im Rahmen eines Verbundantrags zunächst einen Zugewinn von ca. 77.000 €. Dieser Zugewinn ergibt sich daraus, dass auf Seiten der Antragsgegnerin deren Miteigentumsanteil berücksichtigt wird. Der Antragsteller hat unstreitig keinen Zugewinn erwirtschaftet. Zusätzlich verlangt der Antragsteller die Rückübertragung des Miteigentumsanteils unter Verrechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs. Die Antragsgegnerin erkennt die Zugewinnforderung an. Gegen den Rückübertragungsanspruch wehrt sich hingegen, da die Voraussetzungen für einen Ausnahmetatbestand nach der Judikatur des BGH nicht gegeben seien. Das AG scheidet die Ehe. Es verpflichtet die Antragsgegnerin entsprechend ihrem Anerkenntnis zur Zahlung von 77.000 €. Darüber hinaus ordnet es die Rückübertragung Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrags von 5.000 € an. Nur hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin.Die Entscheidung des Gerichts
Der Senat weist die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung mit Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin zurück. Dies geschieht allerdings mit der Maßgabe, dass die Rückübertragungsverpflichtung Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages von 82.000 € erfolgen müsse. Eine Rechtsbeschwerde lässt er nicht zu. Wenn ein Ehegatte dem anderen einen größeren Vermögenswert zuwende, werde diese Zuwendung regelmäßig durch die Motivation bestimmt, die eine ehebedingte Zuwendung kennzeichnet, nämlich einen Betrag zur Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft leisten zu wollen. Mit dem Scheitern der Ehe sei die Geschäftsgrundlage der Zuwendung entfallen. Dies führe allerdings nicht automatisch zu einer Rückabwicklung oder einem Ausgleichsanspruch. Sofern die Eheleute im gesetzlichen Güterstand lebten, komme eine dingliche Rückabwicklung nur ausnahmsweise dann in Betracht, falls das Ergebnis, zu dem das Zugewinnausgleichsverfahren unter Einbeziehung der Zuwendung führe, für den Zuwendenden schlechthin unangemessen und unzumutbar wäre. Ehebedingte Zuwendungen unter Ehegatten würden allein güterrechtlich, d.h. im Wege des Zugewinnausgleichs kompensiert (st. Rspr. des BGH, z.B. BGH v. 20.2.2003 – IX ZR 102/02, FamRZ 2003, 230 = FamRB 2003, 293 [Wever]). Sinn und Zweck des Zugewinnausgleichs sei die hälftige Ausgleichung der während der Ehezeit erlangten Vermögenswerte zwischen den Ehegatten. Solange der Zuwendende den halben Wert der Zuwendung oder einen nicht übermäßig dahinter zurückbleibenden Wert erhalte, sei die Grenze der Unangemessenheit und Unzumutbarkeit kaum je überschritten (so bereits BGH v. 20.2.2003 – IX ZR 102/02, FamRZ 2003, 230 = FamRB 2003, 293 [Wever]). Diese Wertgrenze sei vorliegend eingehalten. Die ca. 77.000 € machten nahezu den hälftigen Wert des Grundstücks aus.Eine dingliche Rückabwicklung könne allerdings dann in Betracht kommen, wenn spezielle Umstände vorlägen, die den Fortbestand eines ungeteilten Grundstücks im Eigentum des Zuwendenden zwingend erforderlich machten. Dabei seien die wirtschaftlichen Verhältnisse, das Alter, der Gesundheitszustand der Ehegatten sowie die Dauer der Ehe bis zur Trennung zu berücksichtigen. Derartige Umstände sieht der Senat vorliegend als gegeben an. Maßgebend sei zunächst, dass die zugesprochenen 77.000 € von der Antragsgegnerin gar nicht finanziert werden könnten. Ihr bleibe absehbar nichts anderes übrig, als den Weg der Teilungsversteigerung zu gehen. Der Antragssteller werde wahrscheinlich bei dieser Versteigerung seinen Anteil verlieren, da er finanziell nicht in der Lage sei, den entsprechenden Betrag zu finanzieren. Die Ehedauer sei kurz; der Zeitpunkt zwischen Übertragung und Trennung betrage noch nicht einmal ein Jahr. Außerdem sei der Antragsteller angesichts des geringen Rentenwerts und seines Alters auf eine unentgeltliche Nutzung der Immobilie angewiesen. Allerdings sei der vom AG ausgeurteilte Betrag von 5.000 € um den Betrag aus dem Zugewinnausgleich zu erhöhen. Die 5.000 € seien im Hinblick auf die Nutzungsdauer (7 Monate) unter Berücksichtigung des Lebensalters und der Lebenserwartung der Antragsgegnerin (vorliegend 408 Monate) vom AG keineswegs zu gering bemessen worden.
Normalerweise müsse zunächst rechtskräftig festgestellt werden, ob ein Rückübertragungsanspruch bestehe. Dieser Anspruch sei dann erst in der jeweiligen Zugewinnausgleichsbilanz als Aktiva und Passiva einzustellen. Dass dies vorliegend nicht gemacht worden sei, könne jedoch zu keinem anderen Ergebnis führen.