Beamtenrecht: Begründungsmängel bei dienstlichen Beurteilungen

05.11.2019, Autor: Herr Marcus Richter / Lesedauer ca. 5 Min. (389 mal gelesen)
Der 6. Senat des Oberverwaltungsge-richts für das Land Nordrhein-Westfalen hat sich mit Beschluss vom 02.04.2019, 6 B 1708/18 im Rahmen einer Konkur-rentenklage dazu geäußert, welches die notwendigen Inhalte einer Abwei-chungsbegründung beim sogenannten Quervergleich...

Der 6. Senat des Oberverwaltungsge-richts für das Land Nordrhein-Westfalen hat sich mit Beschluss vom 02.04.2019, 6 B 1708/18 im Rahmen einer Konkurrentenklage dazu geäußert, welches die notwendigen Inhalte einer Abwei-chungsbegründung beim sogenannten Quervergleich durch den Endbeurteiler sind und welchen Anforderungen eine in Punktwerten erfolgten Bewertung im Ankreuzverfahren genügen muss.

Sachverhalt:

Ein Polizeioberkommissar bewarb sich auf eine Beförderungsplanstellen der Besoldungsgruppe A 11. Der Dienstherr entschied sich jedoch für einen anderen Bewerber.

Im Rahmen der Bewerberauswahl nahm der Dienstherr einen Qualifikationsver-gleich vor. Der Qualifikationsvergleich erfolgte anhand der dienstlichen Beurtei-lungen der Beamten. Der Polizeioberkommissar wurde in zwei Stufen beurteilt: Seine Qualifikation wurde zunächst von einem Erstbeurteiler und dann von einem Endbeurteiler bewertet. Die Begründung der Einzelmerkmale erfolgte nicht in Textform. Vielmehr wurden die zu vergebenden Punkte für die jeweiligen Bewertungskriterien auf einer Punkteskala angekreuzt (sog. Ankreuzverfahren).

Die beiden Beurteiler schätzten den Polizeioberkommissar unterschiedlich ein. Mehrere Einzelmerkmale, die der Erst-beurteiler mit fünf Punkten bewertete, bewertete der Endbeurteiler mit weniger Punkten. In seiner Abweichungsbegründung gab der Endbeurteiler als Grund für die Absenkung der Punkte an, dass der „in Relation zu den Beamtinnen und Beamten der Vergleichsgruppe ... der einheitliche strenge Beurteilungsmaßstab und der in den Beurteilungsbesprechungen abgestufte Vergleich der Leistung und Befähigung zu einer abweichenden Bewertung“ führe.

Einfach gesagt müsse die Leistung des Polizeioberkommissars im Vergleich mit der Vergleichsgruppe schlechter bewertet werden. Diese Anpassung der Bewertung durch Abgleich mit der Vergleichsgruppe wird auch als Quervergleich bezeichnet.

Gegen die Stellenbesetzung wehrte sich der Polizeioberkommissar mit einem Eilantrag. In diesem Zusammenhang machte er geltend, dass der vom Endbeurteiler vorgenommene Quervergleich an einem Begründungsfehler mangele. Die dienstliche Beurteilung sei rechtswidrig.

Der Senat gab dem Polizeioberkommissar Recht: Dem Dienstherrn wurde es untersagt, die bisher frei gehaltene Beförderungsplanstellen der Besoldungsgruppe A 11 mit dem anderen Bewerber zu besetzen, bis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue Auswahlentscheidung getroffen worden ist.

Als Begründung führt das Gericht aus:

Die dienstliche Beurteilung des Polizeioberkommissars sei rechtswidrig.

Zunächst sei die Abweichungsbegründung mangelhaft.

Wenn der Endbeurteiler das Leistungs- und Befähigungsprofils des Beamten anders einschätze als der Erstbeurteiler, dann müsse in seiner Begründung der Grund für die Abweichung deutlich werden. Die Begründung müsse sich auf die Besonderheiten des Einzelfalles beziehen, also konkret und singulär sein.


Wenn die Abweichung jedoch im Rahmen eines Quervergleichs erfolge, dann müssten die relevanten einzelfallübergreifenden Erwägungen in den Mittelpunkt gestellt werden. Auch der Quervergleich erfordere aber den Blick auf die Leistungen des betreffenden Beamten.

Die Absenkung von sämtlichen Merkmalen müsse grundsätzlich nicht um den gleichen Punktwert erfolgen. Der Endbeurteiler müsse aber eine besondere Begründung geben, wenn nur die Bewer-tung einzelner Merkmale abgesenkt werde. Selbiges gelte, wenn die Bewertung aller Merkmale abgesenkt werde, aber die Absenkung nicht um den gleichen Punktwert erfolge. Ohne besondere Begründung sei nicht erkennbar, warum sich der Endbeurteiler veranlasst gesehen habe, gerade die Bewertung der ausgewählten Merkmale abzusenken bzw. eine Absenkung der Bewertungen sämtlicher Merkmale vorzunehmen, jedoch nicht um den gleichen Punktwert.

Weiter sei die in Punktwerten erfolgte Bewertungen hier nicht aussagekräftig gewesen. Der Dienstherr sei seiner Plausibilisierungspflicht nicht nachgekommen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gelte, dass der Dienstherr zwar in seinen Beurteilungsrichtlinien ein Ankreuzverfahren für die Einzelbewertungen ohne zusätzliche in-dividuelle textliche Begründungen vorsehen könne. Die Bewertungskriterien müssten jedoch hinreichend differenziert und die Notenstufen textlich definiert sein. Es sei möglich, Noten allein durch eine Zahl auszudrücken.

Der Dienstherr müsse aber auf Verlangen des Beamten die im Ankreuzverfahren vorgenommenen Einzelbewertungen im weiteren Verfahren näher erläutern (sog. Plausibilisierung),

vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 -, BVerwGE 153, 48 = juris Rn. 11 ff, insb. Rn. 16, 20 f.; auch Urteile vom 1. März 2018 - 2 A 10.17 -, DÖD 2018, 195 = juris Rn. 32, und vom 2. März 2017 - 2 C 21.16 -, BVerwGE 157, 366 = juris Rn. 75.

Plausibilisierung meine in diesem Zusammenhang eine inhaltliche Erläuterung. Der Dienstherr müsse die tragenden Gründe und Argumente darstellen, die zu den Werturteilen geführt haben. Durch die Erläuterung könnten Gerichte dann nachprüfen, ob bei der Erstellung der dienstlichen Beurteilung bzw. bei einzelnen in ihr enthaltenen Werturteilen von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei, sachfremde Erwägungen angestellt worden seien oder der Dienstherr allgemeingültige Wertmaß-stäbe unbeachtet gelassen habe. Die Erläuterung müsse versuchen zu verdeutlichen, wie sich konkret das Leistungsbild dargestellt habe, das Grundlage für die vorgenommene Bewertung gewesen sei.

Die Verpflichtung des Dienstherrn zur Plausibilisierung der Einzelbewertungen einer dienstlichen Beurteilung stehe in einer Wechselbeziehung zur Obliegenheit des Beamten, Einwände gegen de-ren Richtigkeit oder Nachvollziehbarkeit darzulegen. Hält der Beamte die Erläuterung seiner dienstlichen Beurteilung für nicht hinreichend plausibel, liege es wiederum am ihm, konkrete Punkte zu benennen, die er entweder für unklar oder für unzutreffend hält,

vgl. BVerwG, Urteil vom 1. März 2018 - 2 A 10.17 -, a. a. O., Rn. 37; auch von der Weiden jurisPR-BVerwG 11/2018 Anm. 6.

Bei dienstliche Beurteilungen - hier im Bereich der Polizei NRW -, die im Ankreuzverfahren erstellt werden, bedürfe es im Regelfall zudem einer Begründung des Gesamturteils,

vgl. BVerwG, Urteile vom 1. März 2018 - 2 A 10.17 -, a. a. O., Rn. 42 ff., vom 17. Septem-ber 2015 - 2 C 27.14 -, a. a. O., Rn. 30 ff., vom 2. März 2017 - 2 C 21.16 -, a. a. O., Rn. 58 ff., und - 2 C 51.16 -, IÖD 2017, 170 = juris Rn. 11 ff., sowie Beschluss vom 21.Dezember 2016 - 2 VR 1.16 -, BVerw-GE 157, 168 = juris Rn. 38 ff.,46.

Stellungnahme:

Der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen hat bereits in seiner Entscheidung vom 19.04.2011, 6 B 35/11 dargelegt, dass ein Endbeurteiler, der aufgrund eines Quervergleichs von dem Gesamturteilsvorschlag des Erstbeurteilers in der Skala nach unten abweicht, nicht alle Einzelmerkmale (Haupt- und Submerkmale) gleichmäßig absenken müsse. Die vorliegende Ent-scheidung setzt diese Rechtsprechung fort und konkretisiert diese:

Der Endbeurteiler kann unter Bezugnahme auf den Quervergleich die Bewertung einzelner Merkmale oder aller Merkmale absenken.

Wenn jedoch nicht jedes Merkmal um den gleichen Punktwert abgesenkt werde, dann müssen die Gründe für die unterschiedliche Absenkung detailliert dargelegt werden.

Unabhängig davon bestehen beim Ankreuzverfahren besondere Anforderungen. Der Senat weist darauf hin, dass der Dienstherr die Einzelbewertungen einer dienstlichen Beurteilung plausibilisieren muss, falls der unterlegene Bewerber die Einwände gegen die Richtigkeit erhebt. Auch bedürfen im Ankreuzverfahren erstellte dienstliche Beurteilungen regelmäßig einer besonderen Begründung des Gesamturteils,

vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 – 2 C 27/14 –, BVerwGE 153, 48-63, ju-ris Rn. 11 und 30.


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