Berechnung des Urlaubsanspruchs bei Wechsel von Voll- in Teilzeit – Rechtsprechungsänderung des BAG

Autor: RA FAArbR Dr. Norbert Windeln, LL.M., avocado rechtsanwälte, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 09/2015
Wechselt ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer in eine Teilzeittätigkeit mit weniger Wochenarbeitstagen, so darf dies nicht zu einer Minderung der während der Vollzeitbeschäftigung erworbenen Urlaubstage führen. Die anderslautende Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 3 TVöD ist unwirksam.

BAG, Urt. v. 10.2.2015 - 9 AZR 53/14 (F)

Vorinstanz: LAG Hessen - 13 Sa 590/12

TVöD § 26 Abs. 1 Satz 3; TzBfG § 4 Abs. 1; BGB § 134

Das Problem

Gemäß dem auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren TVöD stand dem zunächst vollzeitbeschäftigen Kläger mit einer Fünf-Tage-Woche ein Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen zu. Im Juli wechselte der Kläger, der in diesem Kalenderjahr noch keinen Urlaub genommen hatte, in eine Teilzeitbeschäftigung mit nur noch vier Wochenarbeitstagen.

§ 26 Abs. 1 Satz 3 TVöD sieht vor, dass sich bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Arbeitstage der Urlaubsanspruch entsprechend erhöht oder vermindert. Die beklagte Arbeitgeberin hat daraufhin für das Kalenderjahr insgesamt einen Urlaubsanspruch von 24 Arbeitstagen gewährt (4/5 von 30 Tagen). Der Kläger ist der Ansicht, dass der bereits während der ersten sechs Monate in Vollzeit erworbene Urlaubsanspruch von 15 Arbeitstagen durch den Wechsel in die Teilzeit nicht gekürzt werden dürfe, und beantragt die Feststellung, dass ihm für das Kalenderjahr insgesamt ein Urlaubsanspruch von 27 Arbeitstagen zusteht (15 für die Vollzeittätigkeit im ersten Halbjahr zzgl. 12 für die Teilzeittätigkeit im zweiten Halbjahr).

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht gibt dem Kläger recht und hebt die anderslautende Entscheidung der Vorinstanz auf. Wechsele ein Arbeitnehmer von Vollzeit in Teilzeit unter Verringerung der Wochenarbeitstage, so bleibe ihm der zum Zeitpunkt des Wechsels bereits erworbene Urlaubsanspruch erhalten. Die Zahl der Urlaubstage dürfe nicht rückwirkend wegen des Übergangs in eine Teilzeitbeschäftigung verhältnismäßig gekürzt werden, da dies gegen das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter in § 4 Abs. 1 TzBfG verstoße. § 26 Abs. 1 Satz 3 TVöD sei insoweit unwirksam. Zwar habe das BAG die anteilige (auch rückwirkende) Kürzung bislang für zulässig erachtet (vgl. BAG, Urt. v. 28.4.1998 – 9 AZR 314/97, ArbRB online), da sich der Urlaubsanspruch bei Betrachtung der Urlaubswochen durch die Kürzung nicht verringere. Diese Rechtsprechung verstoße jedoch gegen die Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH, Beschl. v. 13.6.2013 – Rs. C-415/12, ArbRB 2013, 230 [Kappelhoff], ArbRB online) und müsse daher aufgegeben werden.


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