15.04.2021: Bundesverfassungsgericht erklärt Berliner Mietendeckel für verfassungswidrig

15.04.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
Berlin,Mietendeckel Mietshaus in Berlin © Bu - Anwalt-Suchservice

Der Berliner Mietendeckel wurde am 15. April 2021 vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt. Er ist somit rechtswidrig und infolge nicht mehr anwendbar.

In vielen deutschen Großstädten steigen die Mieten rasant. Dies gilt in besonderem Maße für Berlin. Bundeseinheitliche Schritte wie die Mietpreisbremse scheinen wenig zu bringen. Der Berliner Mietendeckel soll Abhilfe schaffen. Über seine genaue Gestaltung wurde lange diskutiert. Ende Oktober 2019 hat der Senat dann einen Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser nennt sich "Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung". Seit 23.2.2020 ist das Gesetz in Kraft. Wie soll der Mietendeckel nun genau funktionieren?

UPDATE 15.04.2021: Bundesverfassungsgericht erklärt Berliner Mietendeckel für verfassungswidrig


Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat den sogenannten Berliner Mietendeckel (= Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin) für nichtig, weil verfassungswidrig, erklärt. Er ist somit rechtswidrig und infolge nicht anwendbar. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Regelungen zum Mietrecht laut Grundgesetz der sogenannten konkurrierenden Gesetzgebung unterlägen. Dies bedeute, dass die Länder zur Gesetzgebung in Sachen Mieten nur in den Fällen berechtigt seien, in denen der Bund von seinen Regelungsmöglichkeiten keinen Gebrauch gemacht habe. In Sachen Regelung der Miethöhe sei dies aber nicht der Fall, da der Bund seine Gesetzgebungskompetenz für das Mietrecht abschließend wahrgenommen habe. Die Länder könnten deshalb keine eigenen Regelungen mehr treffen. (Beschluss vom 25. März 2021, Az. 2 BvF 1/20, 2 BvL 4/20, 2 BvL 5/20)

UPDATE 28.10.2020: Bundesverfassungsgericht lehnt Aussetzung des Berliner Mietendeckels ab


Der Berliner Mietendeckel bleibt einstweilen in Kraft. Der Eilantrag einer klagenden Vermieterin wurde vom Bundesverfassungsgericht abgewiesen.
Damit tritt am 23. November auch der Passus des Mietendeckels, der vorsieht, dass Mieten, die 20 Prozent über den im Gesetz definierten Obergrenzen liegen, abgesenkt werden müssen, in Kraft.
Eine Entscheidung in der Hauptsache wird im zweiten Quartal 2021 erwartet.

UPDATE 31.07.2020: Berliner Landgericht stellt Stichtagsregelung in Frage


Die 66. Kammer des Berliner Landgerichts hält den Berliner Mietendeckel zwar für verfassungsgemäß, stellt aber die sogenannte Stichtagsregelung in Frage. Die vom Staat festgelegten Obergrenzen für Mieten gelten nach einem 31.07.2020 veröffentlichten Urteil nicht rückwirkend seit 18. Juni 2019, sondern erst seit Inkrafttreten des Mietendeckelgesetzes am 23. Februar 2020.

UPDATE 12.03.2020: Berliner Landgericht hält Mietedeckel für verfassungswidrig


Nach Auffassung der 67. Zivilkammer des Berliner Landgerichts verstößt der Berliner Mietendeckel gegen die Verfassung und legt das Gesetz laut einem Beschluss dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor. Die 67. Kammer ist der Ansicht, dem Land Berlin fehle es an der Gesetzgebungskompetenz für ein derartiges mietrechtliches Gesetz.

Wie werden die Mieten gedeckelt?


Es gibt einen allgemeinen Stopp für Mieterhöhungen: Die Mieten werden für fünf Jahre eingefroren, und zwar auf dem Niveau vom 18. Juni 2019. Maßgeblich ist hier die Miete ohne Berücksichtigung mängelbedingter Mietminderungen. Verlangen Vermieter eine höhere Miete, als an diesem Stichtag, riskieren sie ein Bußgeld bis zu 500.000 Euro.
Die vom Stichtag an eingefrorene Miete kann ab 22. Januar 2022 jedes Jahr um den Betrag der jährlichen Inflation erhöht werden, maximal aber um 1,3 Prozent. Welcher Prozentsatz jeweils maßgeblich ist, wird von der Senatsverwaltung per Rechtsverordnung festgelegt.

Für welche Wohnungen gilt der Mietendeckel nicht?


Von der Regelung ausgenommen sind Wohnungen des öffentlich geförderten Wohnungsbaus, also sogenannte Sozialwohnungen, Trägerwohnungen, Wohnungen in Wohnheimen und auch Neubauten, die erstmals seit dem 1.1.2014 bezugsfertig geworden sind.

Was sind die Mietobergrenzen?


Die Mietobergrenzen haben unter anderem Bedeutung für die Absenkung überhöhter Mieten oder für Mieterhöhungen nach einer Modernisierung. Sie sind in einer Tabelle in § 6 des Gesetzes festgelegt. Für ihre Berechnung wurde der Mietspiegel von 2013 ausgewertet.

Die Höhe der Obergrenzen hängt vom Erstbezug des Hauses ab sowie von der Ausstattung der Wohnungen hinsichtlich Heizung und Bad. So liegt die Mietobergrenze für eine Wohnung mit Erstbezug 1919 bis 1949 mit Sammelheizung und Bad bei 6,27 Euro pro Quadratmeter, bei einer Wohnung mit Erstbezug zwischen 2003 und 2013 mit Sammelheizung und Bad sind es 9,80 Euro. Dabei handelt es sich jeweils um die Nettokaltmiete.

Liegt die zulässige Miete unter 5,02 Euro / qm Wohnfläche und verfügt die Wohnung über eine moderne Ausstattung, darf der Vermieter die Miete bei einer Wiedervermietung um einen Euro, höchstens jedoch auf 5,02 Euro / qm Wohnfläche im Monat erhöhen.

Allerdings existieren noch ein paar Ausnahmen: Liegt die Wohnung in einem Haus mit nicht mehr als zwei Wohnungen, erhöht sich die Mietobergrenze nach der Tabelle um zehn Prozent. Für modern ausgestatteten Wohnraum steigt die Obergrenze um einen Euro.

Eine moderne Ausstattung ist vorhanden, wenn die Wohnung mindestens drei der folgenden Merkmale hat:
- schwellenlos von Wohnung und Hauseingang erreichbarer Aufzug,
- Einbauküche,
- hochwertige Sanitärausstattung,
- hochwertiger Bodenbelag in überwiegender Zahl der Wohnräume,
- Energieverbrauchskennwert unter 120 kWh/(m2 a).

Nach dem Gesetz darf die für das Wohnungswesen zuständige Senatsverwaltung die Mietobergrenzen nach jeweils zwei Jahren ab Inkrafttreten des Gesetzes an die Reallohnentwicklung in Berlin anpassen.

Was gilt für Staffel- und Indexmieten?


Für diese Mieten gibt es keine Ausnahmeregelung. Auch sie werden auf dem Niveau des Stichtages eingefroren.

Welche Auskunftspflicht haben Vermieter?


Berliner Vermieter mussten bis 23.4.2020 ihren Mietern die maßgeblichen Daten zur Ermittlung der Mietobergrenze mitteilen. Bei neuen Mietverträgen muss dies vor Vertragsabschluss geschehen. Dem Bezirksamt muss auf Verlangen Auskunft gegeben werden.

Was gilt für Erst- und Wiedervermietungen?


Bei einem Mieterwechsel bleibt es bei der Vormiete, also in der Regel der Miete vom Stichtag 18. Juni 2019. Ist diese höher als die Mietobergrenze laut Tabelle, muss sie entsprechend gekappt werden. Wenn die Wohnung zum ersten Mal vermietet wird, ohne ein Neubau zu sein, ist der Stichtag für die eingefrorene Miethöhe der erste Tag des neuen Mietverhältnisses. Auch in diesem Fall muss die Mietobergrenze der Tabelle eingehalten werden.

Was gilt für Mieterhöhungen nach einer Modernisierung?


Begrenzt werden auch Mieterhöhungen nach einer Modernisierung. Dies gilt auch bei Wärmedämmungen, neuen Fenstern oder Heizungen. Die Modernisierungskosten dürfen maximal in Höhe von einem Euro/qm umgelegt werden. Gleichzeitig darf auch die Mietobergrenze nicht um mehr als 1 Euro/qm überschritten werden. Dies gilt auch bei mehrfacher Modernisierung innerhalb des Geltungszeitraums des Gesetzes. Der Vermieter muss die Erhöhung bei der Investitionsbank Berlin anzeigen.

Was passiert bei überhöhten Mieten im laufenden Mietverhältnis?


Als überhöht gelten Mieten, wenn diese die erlaubte Mietobergrenze um mehr als 20 Prozent überschreiten. Allerdings wird hier auch die Wohnlage berücksichtigt: So sind für einfache Lagen 28 ct/qm und für mittlere Lagen 9 ct/qm von der Mietobergrenze abzuziehen. Für gute Lagen sind 74 ct/qm hinzuzuaddieren.

Die Regelung über überhöhte Mieten im laufenden Mietverhältnis gilt erst ab November 2020. Tipps für Mieter finden Sie hier:

15.04.2021: Berliner Mietendeckel verfassungswidrig - was gilt jetzt für die Mieter?

Welche Härtefälle auf Vermieterseite berücksichtigt das Gesetz?


Das Gesetz sieht für Fälle, in denen die Einnahmen der Vermieter nicht ausreichen, um anfallende Kosten zu decken, eine Härtefallregelung vor. So können zum Beispiel Sanierungen von alten Häusern recht teuer werden. Daher können Vermieter eine angemessene Erhöhung der für sie höchstzulässigen Miete bei der Investitionsbank Berlin beantragen, wenn dies wegen einer unbilligen Härte aus Gründen, die sie nicht selbst zu verantworten haben, notwendig ist.
Eine solche unbillige Härte liegt insbesondere vor, wenn die Beibehaltung der normalerweise höchstzulässigen Miete entweder zu Verlusten oder zu einer Substanzgefährdung der Mietsache führen würde.

Wann bekommen Mieter einen Mietzuschuss?


Wenn dem Vermieter eine Miete genehmigt wurde, die die Mietobergrenze überschreitet, hat der Mieter Anspruch auf einen Mietzuschuss nach dem Berliner Wohnraumgesetz. Diesen können die Mieter bei der Investitionsbank Berlin beantragen. Der Zuschuss darf maximal dem Betrag entsprechen, um den die Mietobergrenze überschritten wurde.

Berechnungsbeispiel
Eine Wohnung kostet 400 Euro Nettokaltmiete. Im Rahmen des Inflationsausgleichs ist unter dem Mietendeckel theoretisch eine Erhöhung um bis zu 1,3 Prozent im Jahr möglich - entsprechende Senatsverordnungen vorausgesetzt. In drei Jahren würde die Miete also um höchstens 3,9 Prozent steigen, dies sind hier 15,60 Euro.

Ohne Mietendeckel ist bei Bestandsmieten eine Mieterhöhung bis auf das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete laut Mietspiegel alle 15 Monate möglich. Allerdings darf die Miete innerhalb von drei Jahren um nicht mehr als 20 Prozent steigen (Kappungsgrenze). In Gebieten mit Wohnungsmangel - wie Berlin - sind es 15 Prozent. Hier wäre innerhalb von drei Jahren also eine Mieterhöhung um 60 Euro möglich, solange die Miete unterhalb der Vergleichsmiete bleibt.

Was droht bei Verstößen?


Bei Verstößen wie etwa Mieterhöhungen über den Betrag des Stichtages hinaus oder gegen Auskunftspflichten müssen Vermieter mit Geldbußen bis zu 500.000 Euro rechnen.

Welche Kritik gibt es am neuen Gesetz?


Ein Kritikpunkt der Immobilienwirtschaft besteht darin, dass die Mieterhöhung bereits im Bürgerlichen Gesetzbuch abschließend geregelt ist. Anderslautende öffentlich-rechtliche Regelungen durch die Bundesländer sollen daher nicht zulässig sein. Oft wird auch die Befürchtung geäußert, dass die Neuregelung Modernisierungen verhindert, da eine Umlage der Kosten auf die Mieter nur noch sehr eingeschränkt möglich ist. Die Grünen wiederum würden gerne einen "atmenden Mietendeckel" einführen, um eine Mieterhöhung in Genossenschaften zu ermöglichen, in denen die Mieter mit abstimmen können. Ein Gutachten aus dem Bundesinnenministerium sah Anfang Dezember 2019 den Mietendeckel als verfassungswidrig an - zu sehr werde hier in die Eigentums- und Vertragsfreiheit der Vermieter eingegriffen.

Welche Klagen laufen gegen den Mietendeckel?


Union und FDP leiten derzeit rechtliche Schritte gegen den Berliner Mietendeckel ein. Sie wollen sowohl vor dem Landesverfassungsgericht als auch vor dem Bundesverfassungsgericht mit Normenkontrollklagen das neue Gesetz als verfassungswidrig angreifen. Begründung: Das Land Berlin habe gar nicht die Befugnis, das Mietrecht gesetzlich zu regeln, da dieses eine Bundesangelegenheit sei. Die Klagen wurden bereits eingereicht.

Wichtiger Tipp für Mieter


Die Rechtslage hinsichtlich des Mietendeckels ist derzeit noch offen. Abgesehen davon, dass die Regelung über das Vorgehen gegen eine überhöhte Miete erst im November 2020 in Kraft tritt, steht noch die Klage gegen das Gesetz an. Wird dieses für verfassungswidrig erklärt, kann eine nach jetzigem Stand überhöhte Miete nachträglich doch noch legal gewesen sein. Von einer eigenmächtigen Absenkung der Miete sollte abgesehen werden - ansonsten sind hohe Nachforderungen durch den Vermieter möglich, oder gar eine Kündigung.

Praxistipp


Es bleibt abzuwarten, ob die Verfassungsgerichte dem Berliner Mietendeckel ihren Segen geben. In jedem Fall wird dieser sehr wahrscheinlich Gegenstand vieler Gerichtsverfahren sein. Richtiger Ansprechpartner ist hier ein Fachanwalt für Mietrecht. Soll der Bescheid einer Behörde angefochten werden, ist ein im Verwaltungsrecht tätiger Anwalt am Zuge.

(Ma)


 Ulf Matzen
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