Betreten verboten: Nutzungsuntersagung bei Wohngebäuden

18.10.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
Verbotsschild,betreten,verboten,Kein,Zutritt Ein Gebäude muss der Baugenehmigung entsprechen - sonst drohen Konsequenzen. © Rh - Anwalt-Suchservice

In bestimmten Fällen kann die Baubehörde die Nutzung eines Wohnhauses untersagen. Für Eigentümer und Bewohner ist dies eine einschneidende Maßnahme. Nicht immer ist die bauliche Sicherheit betroffen.

Die Bauämter der Gemeinden befassen sich nicht allein mit Neubauten. Zu ihren Aufgaben gehört es auch, bestehende Bauwerke im Auge zu behalten. Wenn sie dabei einen Verstoß gegen baurechtliche Bestimmungen feststellen, können sie einschreiten. Oft ist das Mittel der Wahl dann die sogenannte Bauordnungsverfügung. Von dieser existieren mehrere Varianten – so auch die Nutzungsuntersagung: Die Behörde ordnet an, dass ein Gebäude gar nicht mehr oder nicht mehr wie bisher genutzt werden darf. Solche Verfügungen beruhen auf den Landes-Bauordnungen, zum Beispiel § 58 und § 80 der Berliner Bauordnung.

Wann ist ein Gebäude illegal?


Wenn das Bauwerk selbst illegal ist, kann die Baubehörde eine Nutzungsuntersagung erlassen. Beispiele: Ein Anbau wurde hinzugefügt, jedoch ohne Baugenehmigung. Ein angebauter Viehstall wurde ohne Genehmigung in Wohnräume verwandelt. In einem Kleingartengebiet wurde eine Gartenhütte über Jahre hinweg immer weiter ausgebaut und wird nun auf Dauer als Wohnhaus genutzt.
Wenn für das Vorhaben keine Baugenehmigung erteilt worden war, kann die Behörde anordnen, dass eine weitere Wohnnutzung zu unterbleiben hat. Hier argumentieren die Ämter gern mit einer sogenannten negativen Vorbildwirkung: Baut jemand etwas ohne Genehmigung, darf dieser nicht durch eine Duldung des illegalen Zustandes auch noch belohnt werden. Andere Bauherren könnten sich daran ein Beispiel nehmen und ebenso vorgehen.

Urteil: Alte Gebäude ohne Baugenehmigung


Von ihrem Ehemann hatte eine Frau ein Grundstück geerbt. Darauf standen bereits seit 30 Jahren einige Holzgebäude. Dazu gehörten ein zum Wohnen genutztes kleines Holzhaus, ein Gewächshaus sowie ein weiteres kleines Holzhaus, in dem ihre Katzen lebten. Nun kam heraus, dass alles ohne Baugenehmigung errichtet worden war. Auch besaß keines der Gebäude einen Anschluss an die Kanalisation.

Der Baubehörde wurden mehrere Vorschläge zum nachträglichen Anschluss ans Abwassernetz oder zum Bau einer Kleinkläranlage vorgelegt. Diese Ideen ignorierte die Behörde, sah die Gebäude als nicht genehmigungsfähig an und erließ eine Nutzungsuntersagung. Das Oberverwaltungsgericht Saarlouis bestätigte diese behördliche Entscheidung: Es könne für Schwarzbauten im Außenbereich einer Gemeinde keinen Bestandsschutz geben. Es sei nicht entscheidend, ob die Eigentümerin vom Fehlen der Genehmigung gewusst habe (Beschluss vom 6.1.2012, Az. 2 B 400/11).

Übrigens: Wenn ein Bauwerk ohne Baugenehmigung errichtet wurde und gar nicht erst genehmigungsfähig ist, kann es zusätzlich zu einer Abrissverfügung kommen.

Welche Folgen hat eine unzulässige Nutzung?


Zu einer Nutzungsuntersagung kann auch die nicht genehmigte Nutzung eines Gebäudes führen. Oft kommt dies vor, wenn Gewerberäume als Wohnungen genutzt werden oder umgekehrt.

Beispiel: Ein Wohnhaus mit Doppelgarage war mit Baugenehmigung errichtet worden. Der Eigentümer hatte jedoch auf dem Grundstück auch sein Gewerbe als Bauhandwerker angemeldet. Die misstrauische Behörde überprüfte das Grundstück. Dabei stellte sich heraus, dass die Doppelgarage des Wohnhauses als Lagerraum für Baumaterial und zum Teil als Werkstatt diente. Obendrein hatte die Garage nicht genehmigte Dachüberhänge, die als Unterstellmöglichkeit für Baumaterial dienten. Daraufhin untersagte die Baubehörde die weitere gewerbliche Nutzung der Garage und ordnete an, die Dachüberhänge zurückzubauen. Sie lehnte weitere Bauanträge für Lagerräume auf dem Grundstück ab. Der Verwaltungsgerichtshof München gab ihr recht (Beschluss vom 7.10.2015, Az. 15 ZB 12.2042).

Saubere Begründung durch Baubehörde?


Wird eine Nutzungsuntersagung nicht sauber begründet, ist sie vor Gericht angreifbar. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Urteil des Verwaltungsgerichts Minden von 2014. Dieses betraf eine Immobilie, in der laut Genehmigung ein "barähnlicher Betrieb" und eine gewerbliche Zimmervermietung stattfinden durften. Laut Betriebsbeschreibung sollte der Barbetrieb so gestaltet werden, dass offene Sitznischen erstellt würden. Auch sollte "eine Betreuung der Gäste durch angestellte Damen" erfolgen. 22 Jahre lang interessierte sich die Baubehörde nicht weiter für den Betrieb.

Dann wurde jedoch eine Kontrolle von Zoll und Polizei wegen eines Verdachts auf Schwarzarbeit durchgeführt. Auch die Baubehörde erkannte nun, dass es sich bei den "angestellten Damen" wohl nicht - wie angenommen - um Kellnerinnen handelte. Auch wurden die Zimmer nicht an Übernachtungsgäste vermietet. Vielmehr wurden dort sexuelle Dienste erbracht. Auch hier ordnete die Baubehörde eine Nutzungsuntersagung an.

Vor Gericht war sie damit jedoch nicht erfolgreich. Das Gericht bemängelte, dass die Ermessensentscheidung der Behörde nicht ausreichend begründet gewesen sei. Diese habe noch nicht einmal einen Lageplan des Gebäudes erstellt, aus dem hervorgegangen wäre, welche Nutzung in welchem Teil des Gebäudes stattfinde. Das Haus sei dreigeschossig mit Anbau, darin befänden sich auch normale Wohnungen. Die bordellartige Nutzung sei von der Behörde nicht wie erforderlich nachgewiesen worden. Die zwei eingereichten Fotos von der Fassade reichten nicht aus, um Erkenntnisse über den Zustand des Gebäudes zu gewinnen (Urteil vom 20.3.2014, Az. 9 K 3521/12).

Nutzungsuntersagung für Ferienwohnungen


Wenn ein Apartmenthaus in der Baugenehmigung als Wohngebäude genehmigt wurde, darf der Eigentümer die Wohnungen nicht ohne weiteres zu Ferienwohnungen umfunktionieren und an Touristen vermieten. Die Baubehörde untersagte diese Nutzung. Das Verwaltungsgericht Regensburg bestätigte den Bescheid. Das Gericht erklärte auch, dass ein Bestandsschutz nur in Frage komme, wenn die entsprechende Nutzung zumindest irgendwann einmal genehmigungsfähig gewesen sei. Hier sei dies nicht der Fall (Urteil vom 19.3.2019, Az. RN 6 K 17.1023).

Sicherheit: Gefahr für Leib und Leben


Eine Nutzungsuntersagung kann auch wegen Verstoßen gegen bauliche Sicherheitsvorschriften stattfinden. Zum Beispiel dann, wenn Regelungen aus der jeweiligen Landesbauordnung über Brandschutz oder Fluchtwege nicht beachtet werden.

Beispiel: Ein Gewerbegebäude war in Wohnungen umgewandelt worden. Dabei waren diverse bauliche Sicherheitsregeln nicht beachtet worden. Wände und Decken in den Fluren bestanden nicht aus feuerhemmendem Material, eine Wohnung besaß keinen zweiten Rettungsweg und einige Treppen waren Stolperfallen. Eine von mehreren Mängeln betroffene Wohnung hatte keine Baugenehmigung. Diese Wohnung wurde wegen der Sicherheitsmängel auch nicht als genehmigungsfähig betrachtet. Daraufhin erfolgte eine Nutzungsuntersagung, die das Verwaltungsgericht München bestätigte. Der Wohnungsmieter hatte innerhalb von zwei Monaten auszuziehen (Beschluss vom 21. August 2012, Az. M 8 S 12.3574).

Auch wegen anderer Sicherheitsbedenken, wie etwa einer Einsturzgefahr, kann eine Nutzungsuntersagung ausgesprochen werden (VG Ansbach, Beschluss vom 22.2.2011, Az. AN 18 S 11.00079).

Praxistipp


Geplante Umbauten oder Nutzungsänderungen sollten vorher unbedingt mit der Baubehörde abgeklärt werden. Dabei sollte man fragen, inwieweit eine Baugenehmigung erforderlich ist und welche Bauvorschriften einzuhalten sind. Nachträglich lassen sich im Verhandlungsweg meist keine Korrekturen mehr vornehmen. Einen rechtlichen Ansatzpunkt für ein gerichtliches Vorgehen gegen eine Nutzungsuntersagung bietet die Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Dabei ist entscheidend, wie die Behörde ihre Verfügung begründet hat. Der richtige Ansprechpartner dafür ist ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht.

(Bu)


 Stephan Buch
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