Betretungsrecht des Vermieters: Nicht voraussetzungslos!

Autor: RiKG Dr. Oliver Elzer, Berlin
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 09/2014
Eine Nebenpflicht, dem Vermieter – nach entsprechender Vorankündigung – den Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren, besteht für den Wohnraummieter nur dann, wenn es hierfür einen konkreten sachlichen Grund gibt. Eine Formularbestimmung, die dem Vermieter ein Recht zum Betreten der Mietsache ganz allgemein „zur Überprüfung des Wohnungszustandes” einräumt, ist unwirksam.

BGH, Urt. v. 4.6.2014 - VIII ZR 289/13

Vorinstanz: LG Koblenz - 14 S 116/13

GG Art. 13 Abs. 1; BGB §§ 280 Abs. 1 S. 1, 307 Abs. 1 S. 1, 535 Abs. 1, 543 Abs. 1, 573 Abs. 2 Nr. 1; ZPO § 286

Das Problem:

K, der B ein Haus vermietet hat, sucht B vereinbarungsgemäß auf, um Räume zu besichtigen, in denen Rauchmelder installiert sind. Bei dieser Gelegenheit versucht K, das gesamte Haus zu besichtigen und gegen B’s Willen weitere Zimmer zu betreten. B’s Aufforderung, das Haus zu verlassen, leistet K keine Folge, sondern verweilt in der Diele vor der Haustür. K öffnet dort sogar ein Fenster. Daraufhin trägt B den K vor die Haustür. Wegen dieses Vorfalls erklärt K die fristlose und hilfsweise die ordentliche Kündigung. K’s Räumungsklage bleibt vor dem AG erfolglos. Auf K’s Berufung hebt das LG das amtsgerichtliche Urteil auf und gibt dem Räumungsantrag statt. Das LG meint, die Kündigung sei gem. § 543 Abs. 1 BGB berechtigt. K sei es unzumutbar gewesen, das Mietverhältnis bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. B’s Notwehrhandlung sei unverhältnismäßig gewesen. Hiergegen richtet sich B’s Revision.

Die Entscheidung des Gerichts:

Mit Erfolg! K’s Kündigung sei weder als fristlose (§ 543 Abs. 1 BGB) noch als ordentliche (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB) begründet. Angesichts der Gesamtumstände, insbesondere K’s vorangegangenen pflichtwidrigen Verhaltens, stelle B’s Verhalten keine gravierende Pflichtverletzung dar. Denn K habe seine „mietvertragliche Rücksichtnahmepflicht” verletzt und dadurch B’s Verhalten „herausgefordert”. K habe nämlich B’s Hausrecht verletzt. Zwar hätten die Mietvertragsparteien vereinbart, dass K berechtigt ist, das Haus nach vorheriger Ankündigung zur „Überprüfung des Wohnungszustands” zu besichtigen. Diese, ein anlassloses Betretungsrecht regelnde Klausel benachteilige B aber unangemessen und sei daher unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Während der Dauer eines Mietvertrags sei das alleinige und uneingeschränkte Gebrauchsrecht an der Wohnung dem Mieter zugewiesen. Zudem stehe die Wohnung des Mieters als die räumliche Sphäre, in der sich das Privatleben entfalte, unter dem Schutz des Art. 13 Abs. 1 GG, der das Recht gewährleiste, in diesen Räumen „in Ruhe gelassen zu werden” (Hinweis auf BVerfG v. 16.1.2004 – 1 BvR 2285/03, MDR 2004, 266 = NZM 2004, 186 f.; v. 26.5.1993 – 1 BvR 208/93, BVerfGE 89, 1 [23] = MDR 1993, 728). Vor diesem Hintergrund könne dem Vermieter von Wohnraum auch nicht das Recht zugebilligt werden, die Mietsache ohne besonderen Anlass zu besichtigen. Eine vertragliche, aus § 242 BGB herzuleitende Nebenpflicht des Mieters, dem Vermieter – nach entsprechender Vorankündigung – den Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren, bestehe nur dann, wenn es hierfür einen konkreten sachlichen Grund gebe, der sich z.B. aus der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Objektes ergeben könne.


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