Beweiserleichterung in Mobbingprozessen

10.04.2007, Autor: Herr Frank Sievert / Lesedauer ca. 3 Min. (2688 mal gelesen)
Das Arbeitsgericht Eisenach verhilft Mobbingopfer durch Beweiserleichterungen zu Schadensersatz und Schmerzensgeld

Eine Besprechung von Rechtsanwalt Dr. jur. Frank Sievert, Hamburg

Mit dem Urteil des Arbeitsgerichts Eisenach 3. Kammer vom 30.08.2005, Az.: 3 Ca 1226/03 ist eine für Mobbingopfer sehr begrüßenswerte und wichtige Entscheidung getroffen worden. Das Arbeitsgericht Eisenach befasst sich in seinem Urteil ausführlich mit Mobbing und den Ansprüchen des Mobbingopfers. Es spricht in seiner Entscheidung der Klägerin als Mobbingopfer unter anderem wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts Schadensersatz in Form einer Geldentschädigung und wegen der Verletzung der Gesundheit Ersatz der materiellen Gesundheitsschäden, wie Erwerbseinbußen und Schmerzensgeld zu. Dabei entscheidet das Gericht, dass nicht nur der Mobber selbst haften muss. Auch der Arbeitgeber muss haften, wenn er dem Mobbinggeschehen keinen Einhalt gebietet.

Das Arbeitsgericht Eisenach hatte über folgenden, leider nicht außergewöhnlichen, Sachverhalt zu entscheiden:

Die 49 jährige, verheiratete Klägerin hat eine Tochter, die sich noch in der Ausbildung befindet. Sie war seit dem Jahr 2000 Teilzeitmitarbeiterin im Bereich Buchhaltung/Kasse. Hier war die Klägerin ungefähr von Januar 2002 bis August 2002 vielen vorsätzlichen Angriffshandlungen ihrer Vorgesetzten ausgesetzt. Diese Angriffe erfolgten verbal, z.B. mit Beleidigungen, aber auch durch unangebrachtes Verhalten der Vorgesetzten gegenüber der Klägerin. So wurde die Klägerin beispielsweise wiederholt ignoriert und ihr wurden Arbeitsunterlagen vorenthalten. Die Klägerin wandte sich hilfesuchend an den Geschäftsführer. Dieser unternahm jedoch nichts.
Schließlich erkrankte die Klägerin an einer mittelschweren depressiven Episode bei Mobbing am Arbeitsplatz und konnte ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen.

In seiner Entscheidung stellt das Arbeitsgericht zunächst sehr ausführlich dar, warum das Verhalten der Vorgesetzten als Mobbing einzuordnen ist. Dabei gibt das Gericht die verschiedenen Definitionen aus der dazu vorhandenen Literatur und Rechtsprechung wieder und erläutert detailliert, warum es notwendig ist, dass sich auch die Gesetzgebung und Rechtsprechung mit dem Problem des Mobbings auseinandersetzen muss.

Anschließend stellt das Arbeitsgericht zu Recht fest, dass die Klägerin durch die Mobbinghandlungen ihrer Vorgesetzten in ihrem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt wurde. Erwähnenswert ist dabei die Ausführung in dem Urteil: „…Zur Wahrung des Persönlichkeitsschutzes am Arbeitsplatz gehört…auch die Möglichkeit, im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses die Arbeit ohne eine systematisch erschwerende oder die Person des Arbeitnehmers systematisch zermürbende oder entwürdigende Handlung (Mobbing) zu erbringen…“.

Bei der Frage der Gesundheitsverletzung und dem dafür erforderlichen Zusammenhang zwischen Mobbinghandlungen und der Erkrankung wird dem Mobbingopfer durch das Urteil die Beweisführung erheblich vereinfacht.
Bislang wurden von der Rechtsprechung solche Beweiserleichterungen abgelehnt.
Nun aber entscheidet das Arbeitsgericht Eisenach: „…Wenn also im zeitlichen Zusammenhang mit feststehenden Mobbinghandlungen Erkrankungen auftreten, die nach ärztlicher Feststellung auf psychischen Druck zurückzuführen sind, spricht ein starkes Indiz für die Kausalität. Danach ist es Sache der Gegenseite, dieses Indiz zu entkräften…“. Das allerdings ist der Vorgesetzten hier nicht gelungen und wird dem Mobber regelmäßig wohl auch nicht gelingen.

Eine weitere Hürde war bisher für die Mobbingopfer der Nachweis, dass der Mobber schuldhaft den Gesundheitsschaden verursacht hat. Auch hier stellt das Urteil eine Erleichterung dar. Es heißt nun im Urteil: „…Die zumindest fahrlässige Verursachung der Gesundheitsverletzung…ist insoweit festzustellen,…(denn) Arbeitnehmer, die sich gegenüber Mitarbeitern in der festgestellten Art und Weise verhalten, müssen zwangsläufig damit rechnen, dass ihre fortgesetzten vorsätzlichen Angriffshandlungen auf die Persönlichkeit des Opfers wegen der Eignung dieser Angriffe zu dessen psychischer Destabilisierung früher oder später bei diesem gesundheitliche Schädigungen hervorrufen müssen…“.

Hilfreich für Mobbingopfer ist weiter die Entscheidung des Gerichts, dass auch der Arbeitgeber gesamtschuldnerisch unter dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens und der Verletzung der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht neben dem Mobber haften muss, weil er die Situation kannte und nicht ausreichend entgegengewirkt hat.

Fazit: Das Urteil verdeutlicht in seinem Umfang, wie schwierig die rechtliche Beurteilung der Situation der Mobbingopfer ist. Gleichzeitig ist die Entscheidung begrüßenswert, denn es zeigt, dass der Gemobbte dem Verhalten des Mobbers nicht hilflos ausgeliefert ist. Vielmehr muss dem Mobber bewusst sein, dass sein Verhalten rechtliche Konsequenzen haben kann.

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