Lohn ohne Arbeit für den gemobbten Arbeitnehmer ?
10.04.2007, Autor: Herr Frank Sievert / Lesedauer ca. 3 Min. (2837 mal gelesen)
Ein Recht des gemobbten Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung ohne Lohnverlust zu verweigern, ergibt sich aus dem Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB. Er darf demnach die von ihm aus dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung verweigern, wenn ihm ein vollwirksam fälliger Anspruch aus dem Arbeitsvertrag gegenüber dem Arbeitgeber zusteht.
von Rechtsanwalt Dr. jur. Frank Sievert, Hamburg
Ein Recht des gemobbten Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung ohne Lohnverlust zu verweigern, ergibt sich aus dem Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB. Er darf demnach die von ihm aus dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung verweigern, wenn ihm ein vollwirksam fälliger Anspruch aus dem Arbeitsvertrag gegenüber dem Arbeitgeber zusteht.
I) Vollwirksamer, fälliger Anspruch
Ein vollwirksamer, fälliger Anspruch auf einen belästigungsfreien Arbeitsplatz resultiert aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, § 242 BGB. Danach trifft den Arbeitgeber die Nebenpflicht, seine Arbeitnehmer am Arbeitsplatz vor psychischen und physischen Belästigungen durch Kollegen zu schützen. Dabei muss er sich das Verhalten anderer Mitarbeiter schon nach § 278 BGB selbst zurechnen lassen, wenn diese als Vorgesetzte in seinem Namen handeln. Der gemobbte Arbeitnehmer ist an seinem Arbeitsplatz regelmäßig schlimmsten psychischen Anfeindungen durch Kollegen ausgesetzt. Aufgrund der von verschiedenen Kollegen ausgehenden Anfeindungen, sowie des Verhaltens des Kollegen, welcher der Arbeitgeber sich gemäß § 278 BGB zurechnen lassen muss, ist der Anspruch des gemobbten Arbeitnehmers auf einen „störungsfreien“ Arbeitsplatz also nicht erfüllt.
Dem gemobbten Arbeitnehmer steht gegenüber dem Arbeitgeber mithin regelmäßig ein vollwirksamer, fälliger Anspruch zu, so dass er seine Arbeitsleistung grundsätzlich gemäß § 273 I BGB verweigern kann.
II) Treu und Glauben, § 242 BGB
Indessen wäre ihm eine Geltendmachung seines Zurückbehaltungsrechts verwehrt, wenn eine Berufung insoweit gegen den Grundsatz aus Treu und Glauben, § 242 BGB, verstoßen würde. Danach ist es dem Arbeitnehmer verwehrt, wegen einer geringen Gegenforderung seine gesamte Arbeitsleistung zurückzuhalten. Angesichts des Ausmaßes der psychischen Anfeindungen liegt jedoch eine erhebliche Gegenforderung vor.
III) Verhältnismäßigkeit
Weiterhin wäre dem gemobbten eine Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts aus § 273 I BGB verwehrt, wenn sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen würde. Dieser gebietet es insbesondere, dem Arbeitgeber die Gelegenheit zur Abhilfe zu verschaffen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Arbeitnehmer die Störungen konkret nach Art, Ursache und Intensität benennt, denn nur auf diese Weise kann der Arbeitgeber konkrete Maßnahmen zur Erfüllung seiner unter I) genannten arbeitsvertraglichen Nebenpflicht einleiten. Der gemobbte Arbeitnehmer müsste dem Arbeitgeber also mitteilen, dass er Beleidigungen und Verleumdungen seitens betreffender Arbeitskollegen ausgesetzt ist, und diese hinreichend detailliert beschreiben.
IV) Ergebnis zum ZBR
Sollte der Arbeitgeber nach erfolgter detaillierter Mitteilung seiner Pflicht zur Abhilfe nicht in
angemessener Frist nachkommen, könnte der gemobbte Arbeitnehmer folglich von seinem Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 I BGB Gebrauch machen.
D) Entgeltanspruch aus § 611 BGB i.V.m. AV
Ein Entgeltanspruch des gemobbten Arbeitnehmers ergibt sich grundsätzlich aus § 611 BGB i.V.m. Arbeitsvertrag. Erbringt der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht, entfällt jedoch nachträglich wegen des Fixschuldcharakters der Arbeitsleistung regelmäßig sein Entgeltanspruch, vgl. §§ 326 I 1, 275 I BGB (Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“). Der gemobbte Arbeitnehmer würde für die Zeit der Zurückbehaltung der Arbeitskraft seinen Entgeltanspruch jedoch behalten, wenn § 615 BGB eingreift, welcher abweichend vom Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ bewirkt, dass der Vergütungsanspruch erhalten bleibt.
Der Arbeitgeber müsste sich dazu im Annahmeverzug gemäß den §§ 293 ff. BGB befinden. Dies setzt grundsätzlich ein tatsächliches Angebot der Arbeitsleistung voraus, vgl. § 294 BGB. Ein solches Angebot des gemobbten Arbeitnehmers könnte hier jedoch ausnahmsweise gemäß § 296 S. 1 BGB entbehrlich sein. Denn zur Bewirkung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer ist eine Mitwirkungshandlung im Sinne des § 295 S. 1 aE BGB des Arbeitgebers als Gläubiger in Form der Zurverfügungstellung eines belästigungsfreien Arbeitsplatzes erforderlich. Diese Pflicht zur Mitwirkung besteht kalendertäglich und wäre im Falle der unterlassenen Abhilfe nicht erbracht. Daher würde gemäß § 296 S. 1 BGB ein Annahmeverzug auch ohne Angebot eintreten. Im Falle der berechtigten Verweigerung der Arbeitsleistung nach § 273 I BGB würde der Lohnanspruch des gemobbten Arbeitnehmers aus § 611 BGB i.V.m. Arbeitsvertrag somit fortbestehen.
von Rechtsanwalt Dr. jur. Frank Sievert, Hamburg
Ein Recht des gemobbten Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung ohne Lohnverlust zu verweigern, ergibt sich aus dem Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB. Er darf demnach die von ihm aus dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung verweigern, wenn ihm ein vollwirksam fälliger Anspruch aus dem Arbeitsvertrag gegenüber dem Arbeitgeber zusteht.
I) Vollwirksamer, fälliger Anspruch
Ein vollwirksamer, fälliger Anspruch auf einen belästigungsfreien Arbeitsplatz resultiert aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, § 242 BGB. Danach trifft den Arbeitgeber die Nebenpflicht, seine Arbeitnehmer am Arbeitsplatz vor psychischen und physischen Belästigungen durch Kollegen zu schützen. Dabei muss er sich das Verhalten anderer Mitarbeiter schon nach § 278 BGB selbst zurechnen lassen, wenn diese als Vorgesetzte in seinem Namen handeln. Der gemobbte Arbeitnehmer ist an seinem Arbeitsplatz regelmäßig schlimmsten psychischen Anfeindungen durch Kollegen ausgesetzt. Aufgrund der von verschiedenen Kollegen ausgehenden Anfeindungen, sowie des Verhaltens des Kollegen, welcher der Arbeitgeber sich gemäß § 278 BGB zurechnen lassen muss, ist der Anspruch des gemobbten Arbeitnehmers auf einen „störungsfreien“ Arbeitsplatz also nicht erfüllt.
Dem gemobbten Arbeitnehmer steht gegenüber dem Arbeitgeber mithin regelmäßig ein vollwirksamer, fälliger Anspruch zu, so dass er seine Arbeitsleistung grundsätzlich gemäß § 273 I BGB verweigern kann.
II) Treu und Glauben, § 242 BGB
Indessen wäre ihm eine Geltendmachung seines Zurückbehaltungsrechts verwehrt, wenn eine Berufung insoweit gegen den Grundsatz aus Treu und Glauben, § 242 BGB, verstoßen würde. Danach ist es dem Arbeitnehmer verwehrt, wegen einer geringen Gegenforderung seine gesamte Arbeitsleistung zurückzuhalten. Angesichts des Ausmaßes der psychischen Anfeindungen liegt jedoch eine erhebliche Gegenforderung vor.
III) Verhältnismäßigkeit
Weiterhin wäre dem gemobbten eine Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts aus § 273 I BGB verwehrt, wenn sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen würde. Dieser gebietet es insbesondere, dem Arbeitgeber die Gelegenheit zur Abhilfe zu verschaffen. Voraussetzung hierfür ist, dass der Arbeitnehmer die Störungen konkret nach Art, Ursache und Intensität benennt, denn nur auf diese Weise kann der Arbeitgeber konkrete Maßnahmen zur Erfüllung seiner unter I) genannten arbeitsvertraglichen Nebenpflicht einleiten. Der gemobbte Arbeitnehmer müsste dem Arbeitgeber also mitteilen, dass er Beleidigungen und Verleumdungen seitens betreffender Arbeitskollegen ausgesetzt ist, und diese hinreichend detailliert beschreiben.
IV) Ergebnis zum ZBR
Sollte der Arbeitgeber nach erfolgter detaillierter Mitteilung seiner Pflicht zur Abhilfe nicht in
angemessener Frist nachkommen, könnte der gemobbte Arbeitnehmer folglich von seinem Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 I BGB Gebrauch machen.
D) Entgeltanspruch aus § 611 BGB i.V.m. AV
Ein Entgeltanspruch des gemobbten Arbeitnehmers ergibt sich grundsätzlich aus § 611 BGB i.V.m. Arbeitsvertrag. Erbringt der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht, entfällt jedoch nachträglich wegen des Fixschuldcharakters der Arbeitsleistung regelmäßig sein Entgeltanspruch, vgl. §§ 326 I 1, 275 I BGB (Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“). Der gemobbte Arbeitnehmer würde für die Zeit der Zurückbehaltung der Arbeitskraft seinen Entgeltanspruch jedoch behalten, wenn § 615 BGB eingreift, welcher abweichend vom Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ bewirkt, dass der Vergütungsanspruch erhalten bleibt.
Der Arbeitgeber müsste sich dazu im Annahmeverzug gemäß den §§ 293 ff. BGB befinden. Dies setzt grundsätzlich ein tatsächliches Angebot der Arbeitsleistung voraus, vgl. § 294 BGB. Ein solches Angebot des gemobbten Arbeitnehmers könnte hier jedoch ausnahmsweise gemäß § 296 S. 1 BGB entbehrlich sein. Denn zur Bewirkung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer ist eine Mitwirkungshandlung im Sinne des § 295 S. 1 aE BGB des Arbeitgebers als Gläubiger in Form der Zurverfügungstellung eines belästigungsfreien Arbeitsplatzes erforderlich. Diese Pflicht zur Mitwirkung besteht kalendertäglich und wäre im Falle der unterlassenen Abhilfe nicht erbracht. Daher würde gemäß § 296 S. 1 BGB ein Annahmeverzug auch ohne Angebot eintreten. Im Falle der berechtigten Verweigerung der Arbeitsleistung nach § 273 I BGB würde der Lohnanspruch des gemobbten Arbeitnehmers aus § 611 BGB i.V.m. Arbeitsvertrag somit fortbestehen.