BGH, Beschl. 13.9.2023 - XII ZB 400/22
Hinausgeschobene Ansprüche auf variable Vergütungsbestandteile von Managern im Zugewinnausgleich
Autor: RA Jörn Hauß, FAFamR, Duisburg
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 12/2023
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 12/2023
Zur Berücksichtigung von hinausgeschobenen Ansprüchen auf variable Vergütungsbestandteile in Long-Term-Incentive-Programmen regulierter Vergütungssysteme als Vermögenswert im Zugewinnausgleich.Anwartschaften auf aufgeschobene variable Vergütung stellen vor Ablauf des Zurückbehaltungszeitraums keine rechtlich geschützten und der Bewertung zugängliche Vermögenspositionen dar und können daher in den Zugewinnausgleich nicht als Vermögenspositionen einbezogen werden.
BGB § 1375 Abs. 1
Grundlage der variablen Vergütung des außertariflich Beschäftigten war ein Incentive Plan (CIP) der C-Bank, der insoweit zwei Formen vorsah: den im Folgejahr auf das maßgebliche Geschäftsjahr ausgezahlten STI (Short Term Incentive) und den nach vier Jahren ausgezahlten LTI (Long Term Incentive). Die Auszahlung erfolgte teils in bar (cash) und teils aktienbasiert (equity). Die konkrete Höhe der variablen Vergütung war von der Erreichung bestimmter individueller und unternehmensbezogener Kennzahlen abhängig. Der Arbeitgeber teilte dem Arbeitnehmer regelmäßig im März des Folgejahrs nach Durchführung der sog. Performance-Bewertung I die Höhe des STI für ein Geschäftsjahr mit. Der Baranteil des STI wurde dann üblicherweise im darauffolgenden Monat (d.h. April des Folgejahrs) ausgezahlt. Zeitgleich mit der Mitteilung über die Höhe des STI für ein Geschäftsjahr erfolgte eine Ankündigung hinsichtlich der voraussichtlichen Höhe des LTI. Die Mitteilung über die konkrete Anspruchsentstehung und -höhe des LTI erfolgte regelmäßig nach Ablauf einer sog. Deferral Period und Durchführung der sog. Performance Bewertung II im Juni des vierten auf das betreffende Geschäftsjahr folgenden Jahrs. Die Auszahlung erfolgte im darauffolgenden Oktober.
Das Beschwerdegericht hatte in seiner Entscheidung (OLG Frankfurt v. 31.8.2022 – 5 UF 88/20, FamRB 2023, 222 [Hauß]) den Gehaltsanspruch aus der Long Term Incentive Zusage – als hinreichend verfestigt – der Zugewinnausgleichsbilanz mit geschätzten Abschlägen zugerechnet, obgleich die Deferral Period zum Stichtag Ehezeitende noch nicht abgelaufen war.
Angesichts der sehr guten Einkommensverhältnisse sei eine Zuordnung der diesbezüglichen Gehaltsbestandteile zum Vermögen sachlich gerechtfertigt (Rz. 13), da sie für den Lebensbedarf der Ehegatten nicht benötigt würden und daher deren Vermögen zuzuordnen seien.
In die Berechnung des Zugewinnausgleichs seien grundsätzlich auch rechtlich geschützte Anwartschaften mit ihrem gegenwärtigen Vermögenswert sowie die ihnen vergleichbaren Rechtsstellungen, die einen Anspruch auf künftige Leistung gewähren, einzubeziehen, sofern diese nicht mehr von einer Gegenleistung abhängig und nach wirtschaftlichen Maßstäben – notfalls durch Schätzung – bewertbar seien (BGH v. 4.12.2013 – XII ZB 534/12, FamRZ 2014, 368 m. Anm. Kogel = FamRB 2014, 121 [Kogel]). Bloße Erwerbsaussichten sowie in der Entwicklung begriffene Rechte, die noch nicht zur rechtlich geschützten Anwartschaft erstarkt seien, blieben demgegenüber unberücksichtigt (BGH v. 4.12.2013 – XII ZB 534/12, FamRZ 2014, 368 m. Anm. Kogel = FamRB 2014, 121 [Kogel]).
Von einer dem güterrechtlichen Ausgleich zugänglichen rechtlich geschützten Anwartschaft des Beschäftigten könne vor Ablauf der dreijährigen „Deferral Period“ nicht ausgegangen werden, weil im Rahmen der Performance Bewertung II auch „geschäftjahrunabhängige“ Pflichtverletzungen dem Entstehen des Anspruchs entgegenstehen könnten (Rz. 20). Darauf komme es allerdings letztendlich nicht an, weil derartige Lohnbestandteile zwar eine Anwartschaft, aber kein Anwartschaftsrecht begründeten. Ein solches läge nur vor, „wenn von dem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechts schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass von einer weitgehend gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gesprochen werden kann, die der andere an der Entstehung des Rechts Beteiligte nicht mehr durch einseitige Erklärung zu zerstören vermag“ (Rz. 23 m.w.N.).
Hänge aber die Entstehung eines vermögenswerten Anspruchs aus einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis davon ab, dass das Beschäftigungsverhältnis des Begünstigten über den Stichtag hinaus bis zu einem bestimmten Zeitpunkt fortbestehe, sei „im Zugewinnausgleich in den meisten Fällen nicht vom Vorliegen einer rechtlich geschützten Anwartschaft“ auszugehen. Denn eine der Bewertung zugängliche Prognose, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Umständen das Beschäftigungsverhältnis des Begünstigten in der Zukunft enden werde, ließe sich bei stichtagsbezogener Sichtweise in der Regel nicht stellen (Verweis auf Hauß, FamRB 2023, 222, 223). Eine gesicherte und ausgleichsfähige Rechtsposition sei in solchen Fällen nur dann gegeben, wenn der künftige Anspruch des Begünstigten selbst bei einer vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bereits in einer Weise geschützt ist, dass er ihm nur noch unter außergewöhnlichen Umständen genommen werden könne (BGH v. 4.12.2013 – XII ZB 534/12, FamRZ 2014, 368 m. Anm. Kogel = FamRB 2014, 121 [Kogel]). Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Zurückbehaltungszeitraum von drei Jahren mit der Folge des Wegfalls des Entlohnungsanspruchs sei jedenfalls nicht so fernliegend, dass dies außer Betracht gelassen werden könne (Rz. 28). Daran ändere auch nichts, dass der Anspruch bei Versterben des Berechtigten im Zurückbehaltungszeitraum vererbt werden könne. Die Vererblichkeit einer vermögenswerten Rechtsposition sei weder hinreichende noch notwendige Voraussetzung für ihre güterrechtliche Berücksichtigung (Rz. 29). Zwar wachse den Erben in diesem Fall ein Anwartschaftsrecht zu, aber gerade nicht dem Arbeitnehmer.
Schließlich spreche auch der vereinbarte Zahlungsausfall nach Ablauf des Zurückbehaltungszeitraums bei negativem Geschäftserfolg der Bank gegen die güterrechtliche Bilanzierung des Gehaltsanspruchs und dafür, dem so ausgestalteten Gehaltsbestandteil vor Ablauf des Zurückbehaltungszeitraums keine ausreichende Verfestigung zuzuschreiben.
BGB § 1375 Abs. 1
Das Problem
„Moderne“ Entlohnungssysteme für hochrangige Manager in Industrie und Finanzwirtschaft binden Boni und Sonderzahlungen für abgelaufene Entlohnungsperioden immer öfter an einen über die Entlohnungsperiode hinausreichenden Zeitraum des Unternehmenserfolgs und/oder die längerfristige Entwicklung des Aktienkurses und zusätzlich auch oft an einen Verbleib des Mitarbeiters im Unternehmen. So konkretisiert sich die Höhe solcher Gehaltsbestandteile oftmals erst Jahre nach ihrer Auslobung. In diesen Fällen steht zum Ende des jeweiligen Entlohnungszeitraums in der Regel weder die Höhe des zur Auszahlung gelangenden Betrags fest, noch, ob es überhaupt zu einer Auszahlung kommt. Ein solcher Fall aus der Bankenwelt liegt der Entscheidung des BGH zugrunde:Grundlage der variablen Vergütung des außertariflich Beschäftigten war ein Incentive Plan (CIP) der C-Bank, der insoweit zwei Formen vorsah: den im Folgejahr auf das maßgebliche Geschäftsjahr ausgezahlten STI (Short Term Incentive) und den nach vier Jahren ausgezahlten LTI (Long Term Incentive). Die Auszahlung erfolgte teils in bar (cash) und teils aktienbasiert (equity). Die konkrete Höhe der variablen Vergütung war von der Erreichung bestimmter individueller und unternehmensbezogener Kennzahlen abhängig. Der Arbeitgeber teilte dem Arbeitnehmer regelmäßig im März des Folgejahrs nach Durchführung der sog. Performance-Bewertung I die Höhe des STI für ein Geschäftsjahr mit. Der Baranteil des STI wurde dann üblicherweise im darauffolgenden Monat (d.h. April des Folgejahrs) ausgezahlt. Zeitgleich mit der Mitteilung über die Höhe des STI für ein Geschäftsjahr erfolgte eine Ankündigung hinsichtlich der voraussichtlichen Höhe des LTI. Die Mitteilung über die konkrete Anspruchsentstehung und -höhe des LTI erfolgte regelmäßig nach Ablauf einer sog. Deferral Period und Durchführung der sog. Performance Bewertung II im Juni des vierten auf das betreffende Geschäftsjahr folgenden Jahrs. Die Auszahlung erfolgte im darauffolgenden Oktober.
Das Beschwerdegericht hatte in seiner Entscheidung (OLG Frankfurt v. 31.8.2022 – 5 UF 88/20, FamRB 2023, 222 [Hauß]) den Gehaltsanspruch aus der Long Term Incentive Zusage – als hinreichend verfestigt – der Zugewinnausgleichsbilanz mit geschätzten Abschlägen zugerechnet, obgleich die Deferral Period zum Stichtag Ehezeitende noch nicht abgelaufen war.
Die Entscheidung des Gerichts
Der BGH hebt die Entscheidung auf die Rechtsbeschwerde des Mannes hin auf und lehnt eine güterrechtliche Bilanzierung der LTI-Ansprüche des Mannes ab.Angesichts der sehr guten Einkommensverhältnisse sei eine Zuordnung der diesbezüglichen Gehaltsbestandteile zum Vermögen sachlich gerechtfertigt (Rz. 13), da sie für den Lebensbedarf der Ehegatten nicht benötigt würden und daher deren Vermögen zuzuordnen seien.
In die Berechnung des Zugewinnausgleichs seien grundsätzlich auch rechtlich geschützte Anwartschaften mit ihrem gegenwärtigen Vermögenswert sowie die ihnen vergleichbaren Rechtsstellungen, die einen Anspruch auf künftige Leistung gewähren, einzubeziehen, sofern diese nicht mehr von einer Gegenleistung abhängig und nach wirtschaftlichen Maßstäben – notfalls durch Schätzung – bewertbar seien (BGH v. 4.12.2013 – XII ZB 534/12, FamRZ 2014, 368 m. Anm. Kogel = FamRB 2014, 121 [Kogel]). Bloße Erwerbsaussichten sowie in der Entwicklung begriffene Rechte, die noch nicht zur rechtlich geschützten Anwartschaft erstarkt seien, blieben demgegenüber unberücksichtigt (BGH v. 4.12.2013 – XII ZB 534/12, FamRZ 2014, 368 m. Anm. Kogel = FamRB 2014, 121 [Kogel]).
Von einer dem güterrechtlichen Ausgleich zugänglichen rechtlich geschützten Anwartschaft des Beschäftigten könne vor Ablauf der dreijährigen „Deferral Period“ nicht ausgegangen werden, weil im Rahmen der Performance Bewertung II auch „geschäftjahrunabhängige“ Pflichtverletzungen dem Entstehen des Anspruchs entgegenstehen könnten (Rz. 20). Darauf komme es allerdings letztendlich nicht an, weil derartige Lohnbestandteile zwar eine Anwartschaft, aber kein Anwartschaftsrecht begründeten. Ein solches läge nur vor, „wenn von dem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechts schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass von einer weitgehend gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gesprochen werden kann, die der andere an der Entstehung des Rechts Beteiligte nicht mehr durch einseitige Erklärung zu zerstören vermag“ (Rz. 23 m.w.N.).
Hänge aber die Entstehung eines vermögenswerten Anspruchs aus einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis davon ab, dass das Beschäftigungsverhältnis des Begünstigten über den Stichtag hinaus bis zu einem bestimmten Zeitpunkt fortbestehe, sei „im Zugewinnausgleich in den meisten Fällen nicht vom Vorliegen einer rechtlich geschützten Anwartschaft“ auszugehen. Denn eine der Bewertung zugängliche Prognose, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Umständen das Beschäftigungsverhältnis des Begünstigten in der Zukunft enden werde, ließe sich bei stichtagsbezogener Sichtweise in der Regel nicht stellen (Verweis auf Hauß, FamRB 2023, 222, 223). Eine gesicherte und ausgleichsfähige Rechtsposition sei in solchen Fällen nur dann gegeben, wenn der künftige Anspruch des Begünstigten selbst bei einer vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bereits in einer Weise geschützt ist, dass er ihm nur noch unter außergewöhnlichen Umständen genommen werden könne (BGH v. 4.12.2013 – XII ZB 534/12, FamRZ 2014, 368 m. Anm. Kogel = FamRB 2014, 121 [Kogel]). Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Zurückbehaltungszeitraum von drei Jahren mit der Folge des Wegfalls des Entlohnungsanspruchs sei jedenfalls nicht so fernliegend, dass dies außer Betracht gelassen werden könne (Rz. 28). Daran ändere auch nichts, dass der Anspruch bei Versterben des Berechtigten im Zurückbehaltungszeitraum vererbt werden könne. Die Vererblichkeit einer vermögenswerten Rechtsposition sei weder hinreichende noch notwendige Voraussetzung für ihre güterrechtliche Berücksichtigung (Rz. 29). Zwar wachse den Erben in diesem Fall ein Anwartschaftsrecht zu, aber gerade nicht dem Arbeitnehmer.
Schließlich spreche auch der vereinbarte Zahlungsausfall nach Ablauf des Zurückbehaltungszeitraums bei negativem Geschäftserfolg der Bank gegen die güterrechtliche Bilanzierung des Gehaltsanspruchs und dafür, dem so ausgestalteten Gehaltsbestandteil vor Ablauf des Zurückbehaltungszeitraums keine ausreichende Verfestigung zuzuschreiben.