BGH, Beschl. 14.8.2024 - XII ZB 386/23

Beschwerdeantrag in Familienstreitsachen; ehewirkungsrechtliche Rechtswahl bei Eheschließung in Ägypten

Autor: VPrLG a.D. Martin Streicher, Walddorfhäslach
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 12/2024
Beschwerdeanträge genügen den gesetzlichen Anforderungen, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Beschwerdeführers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig erhellen, in welchem Umfang und mit welchem Ziel die erstinstanzliche Entscheidung angefochten werden soll (im Anschluss an BGH v. 8.2.2023 – XII ZB 351/21, FamRZ 2023, 877 = FamRB 2023, 247 [Bömelburg]).

EGBGB Art. 17 Abs. 3 S. 1; FamFG § 117 Abs. 1 S. 1; VersAusglG § 27; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1, § 254

Das Problem

Die deutsche Antragstellerin schloss im Jahr 1996 mit dem Antragsgegner, ägyptischer Nationalität, zunächst in Ägypten eine sog. Orfi- oder Urfi-Ehe durch formlose Erklärung der Brautleute ohne Beteiligung staatlicher oder religiöser Stellen und nach Hinweis 1998 vor einem Notar in Alexandria/Ägypten offiziell die Ehe und einen Ehevertrag. Seit der offiziellen Eheschließung wurde die Ehe in Deutschland gelebt. Der Antragsgegner besitzt mittlerweile ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Scheidungsantrag wurde ihm am 16.6.2017 zugestellt. Im Scheidungsverbundverfahren macht er im Wege des Stufenantrags einen Zugewinnausgleich geltend. Durch rechtskräftigen Teilbeschluss wurde die Ehefrau vom AG zur Auskunftserteilung verpflichtet (vgl. dazu nachfolgend auch BGH v. 23.9.2020 – XII ZB 490/18, FamRZ 2021, 117 = FamRB 2021, 22 [Stockmann]). Nach Erteilung einer Auskunft unterließ der Ehemann bislang eine Bezifferung seines Zugewinnausgleichsantrags und begehrte vielmehr, dass das AG vorab entscheiden möge, ob der Zugewinnausgleich grundsätzlich nach deutschem Recht durchzuführen sei. Die Ehefrau hat insoweit einen gegenläufigen Zwischenfeststellungsantrag erhoben.

Mit Beschluss vom 29.9.2022 hat das AG die Ehe der Beteiligten geschieden und den Zugewinnausgleichsantrag des Mannes mit der Begründung einer im Ehevertrag getroffenen Rechtswahl zugunsten des „islamischen Rechts“ zurückgewiesen. Seine hinsichtlich der Entscheidung über die Folgesache eingelegte Beschwerde hat das OLG als unzulässig verworfen, nachdem der Ehemann insoweit keinen bestimmten Sachantrag gestellt habe und es damit auch bei Aufhebung und Zurückverweisung keinen (bezifferten) Sachantrag in erster Instanz gebe, den er weiterverfolgen könnte. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Rechtsbeschwerde.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH lässt die statthafte und zulässige Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), hebt die Entscheidung, im Ausspruch zum Güterrecht auf und verweist die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Dabei führt der BGH seine Entscheidung v. 8.2.2023 – XII ZB 351/21, FamRZ 2023, 877 = FamRB 2023, 247 [Bömelburg] zur Beurteilung einer hinreichenden Bestimmtheit eines Sachantrags in Familienstreitsachen fort, wonach es bereits genügt, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Beschwerdeführers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig erhellen, in welchem Umfang und mit welchem Ziel die erstinstanzliche Entscheidung angefochten werden soll (damals hatte der Beschwerdeführer bei unbeschränkter Beschwerde die angefochtene Entscheidung lediglich als „korrekturbedürftig“ bezeichnet). Der Linie der Gesamtwürdigung des Vorbringens – unbeschadet des formellen Antrags – bleibt der BGH jetzt auch für den Fall treu, dass im Stufenantragsverfahren mit der Beschwerde der Zahlungsantrag unbeziffert geblieben ist und das Beschwerdeziel formal lediglich mit „den Zugewinnausgleich durchzuführen, wie beantragt“, beschrieben wird.

Die prozessuale Selbstständigkeit der im Wege des Stufenantrags geltend gemachten Ansprüche bedingt allerdings, dass über jeden in der vorgegebenen Reihenfolge im Wege der abgesonderten Antragstellung durch Teil- oder Schlussentscheidung zu befinden ist. Nach rechtskräftigem Erlass eines Auskunftsbeschlusses kann das Verfahren nur auf Antrag fortgesetzt werden (BGH v. 19.11.2014 – XII ZB 522/14, FamRZ 2015, 247 = FamRB 2015, 57 [Kühner] im Anschl. an BGH v. 24.5.2012 – IX ZR 168/11, FamRZ 2012, 1296). Ob der hier in erster Instanz unbeziffert gebliebene Stufenantrag schlüssig hinsichtlich seiner Zulässigkeit ist, ist jedoch Frage der Begründetheit der Beschwerde, nicht ihrer Zulässigkeit. Dass die Ehefrau ihre Auskunftsverpflichtung erfüllt hat, ist bislang von den Gerichten nicht festgestellt worden. Mithin konnte derzeit noch nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsgegner zur Bezifferung verpflichtet gewesen wäre. Das hat das OLG verkannt und ist davon ausgegangen, dass der Ehemann im ersten Rechtszug keinen Sachantrag gestellt habe, den er noch weiterverfolgen könnte.


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