a) Der Schutz des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe und der grundsätzlich bis zur Rechtskraft der Scheidung fortbestehende Charakter der ehelichen Immobilie als Ehewohnung gebieten es nicht, eine Teilungsversteigerung der Ehegattenimmobilie in der Trennungszeit ohne eine Abwägung der beiderseitigen Interessen generell als unzulässig anzusehen (Fortführung von BGH v. 14.3.1962 – IV ZR 253/61, BGHZ 37, 38 = NJW 1962, 1244).b) Die schutzwürdigen Belange des teilungsunwilligen Ehegatten werden durch ein Schrankensystem aus materiell-rechtlichen Einwendungen nach § 1365, § 1353 Abs. 1 Satz 2, § 242 BGB, die im Drittwiderspruchsverfahren geltend zu machen sind, und vollstreckungsschützenden Vorschriften im Teilungsversteigerungsverfahren nach § 180 Abs. 2 und 3 ZVG, § 765a ZPO gewahrt.
GG Art. 6, Art. 14; BGB § 749 Abs. 1, § 753 Abs. 1, § 1353 Abs. 1 S. 2, § 1361b, § 1365 Abs. 1; ZPO § 139, § 765a, § 771; ZVG § 180 Das Problem
Der Ehemann war 2018 aus dem im Miteigentum stehenden Haus der Beteiligten ausgezogen. In diesem lebt nunmehr die Ehefrau mit zwei minderjährigen Kindern. Sie bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Das Ehescheidungsverfahren läuft seit über drei Jahren. Der Ehemann bezieht Leistungen nach SGB II und beantragt die Teilungsversteigerung des Familienheims. Ist dies vor der rechtskräftigen Ehescheidung generell unzulässig? Mit welchem Rechtsmittel kann gegen eine solche Teilungsversteigerung vorgegangen werden? Die Entscheidung des Gerichts
Ursache für die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage ist ein Beschluss des BGH v. 28.9.2016 (BGH v. 28.9.2016 – XII ZB 487/15, FamRZ 2017, 22 = FamRB 2017, 2). Hier hatte der Senat festgelegt, dass eine Ehewohnung den Charakter als Ehewohnung während der gesamten Trennungszeit behalte. Aus diesem Beschluss hatte das Hans. OLG Hamburg (Hans. OLG Hamburg v. 28.7.2017 – 12 UF 163/16, FamRZ 2017, 1829 = FamRB 2018, 5) abgeleitet, dass der Charakter als Ehewohnung ein generelles Verbot der Teilungsversteigerung in der Trennungszeit nach sich ziehen müsse. Diese Rechtsmeinung war in Rechtsprechung und Literatur auf teilweise massive Kritik gestoßen (vgl. hierzu die Nachweise bei Kogel, FamRZ 2022, 1666 ff.). Der BGH schließt sich dieser Gegenmeinung an. Die Entscheidung aus dem Jahre 2016 habe lediglich eine Abgrenzung von § 1361b BGB gegenüber § 985 BGB vorgenommen. Bezüglich der Ehewohnung liege insoweit eine Spezialvorschrift vor. Die Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft könne ein Miteigentümer nur mit dem Aufhebungsanspruch nach §§ 749, 753 BGB durch Teilungsversteigerung gem. § 180 ZVG durchsetzen. Weder in materiell-rechtlicher noch in verfahrensrechtlicher Hinsicht existiere eine familienrechtliche Spezialvorschrift. Auch aus Art. 6 Abs. 1 GG könne nicht der besondere Schutz des räumlich gegenständlichen Bereichs der Ehe abgeleitet werden. Vielmehr sei ebenso durch Art. 14 GG das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht des Teilungswilligen betroffen. Die Ansicht des Hans. OLG Hamburg habe i.Ü. unerwünschte negative Wirkungen insofern, als der teilungsunwillige Ehegatte durch die Verzögerung der Scheidung ein Mittel in der Hand hätte, den anderen zu einem freihändigen Verkauf aus wirtschaftlichen Gründen zu zwingen. Ein derartiges Recht auf freihändige Veräußerung gebe es aber gerade nicht. Umgekehrt könne der Teilungswillige sich bemüßigt sehen, den Scheidungsantrag möglichst frühzeitig einzureichen Die Lösung des Problems liege in § 1353 Abs. 1 BGB. Dies habe der Senat bereits in seiner Entscheidung v. 14.3.1962 (BGH v. 14.3.1962 – IV ZR 253/61, FamRZ 1962, 295) so gesehen. Es müsse eine Abwägung der beiderseitigen Interessen im Hinblick auf die eheliche Rücksichtnahme erfolgen. Kein Partner habe ein Recht darauf, den äußeren gegenständlichen Bereich der Ehe unter allen Umständen, zu allen Zeiten, im selben Umfang und in derselben Art zu erhalten. Sofern die eheliche Rücksichtnahme den Antrag auf Teilungsversteigerung nicht verbiete, könne allenfalls noch über § 1365 BGB (vorliegend verneint) die Unzulässigkeit der Teilungsversteigerung festgestellt werden. Wenn die Spezialvorschrift des § 1353 BGB nicht greife, könne insbesondere nicht mehr auf § 242 BGB zurückgegriffen werden, so wie das Hans. OLG Hamburg dies noch getan hatte. Schließlich könne § 1361b BGB keine Sperrwirkung entfalten. Diese Vorschrift habe die Überlassung der Ehewohnung zur Nutzung, nicht aber die Verhinderung einer Veräußerung oder Teilungsversteigerung zum Gegenstand. Gerichtliche Verfügungsverbote nach dieser Vorschrift könnten allenfalls als flankierende Maßnahmen zur Sicherung der Wohnungszuweisung angeordnet werden. Alle diese Fragen seien im Rahmen eines Drittwiderspruchsantrags zu klären, obwohl die Teilungsversteigerung im engeren Sinne keine Zwangsvollstreckung und der widersprechende Miteigentümer-Ehegatte nicht Dritter i.S.d. § 771 ZPO sei. Das OLG habe sämtliche relevanten Gesichtspunkte miteinander abgewogen und dem Antrag des Ehemanns auf Teilungsversteigerung zu Recht stattgegeben. Eine Überprüfung der Feststellungen des Tatsachengerichts zu den für die Interessenabwägung relevanten Tatsachen sei nur in beschränktem Umfang möglich. Sollte geltend gemacht werden, dass der Tatrichter seine Aufklärungs- und Hinweispflichten gem. § 139 Abs. 1 ZPO verletzt habe, müsse die Rechtsbeschwerde darlegen, welche Veranlassung zu einem gerichtlichen Hinweis bestanden hätte und was auf einen entsprechenden Hinweis hin vorgebracht worden wäre.