Autor: RiOLG a.D. RAin Dr. Dagny Liceni-Kierstein, Berlin
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 01/2021
Der Anspruch auf Auskunft des Kindes über das Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils ist bereits gegeben, wenn die Auskunft für den Unterhaltsanspruch Bedeutung haben kann. Aufgrund der Erklärung des Unterhaltspflichtigen, er sei „unbegrenzt leistungsfähig“, entfällt der Auskunftsanspruch noch nicht. Diese Erklärung bezieht sich nur auf die Leistungsfähigkeit und hat regelmäßig die Bedeutung, dass der unterhaltspflichtige Elternteil darauf verzichtet, den Einwand fehlender oder eingeschränkter Leistungsfähigkeit zu erheben. Die Auskunftserteilung kann jedoch auch mit Blick auf den Bedarf und die Bedürftigkeit des Kindes geschuldet sein.
BGB § 1605, § 1606 Abs. 3, § 1610 Das Problem
Die in 6/2011 geborene Antragstellerin (Ast) ist die Tochter des Antragsgegners (Ag). Sie nimmt den Vater, der sich für „unbegrenzt leistungsfähig“ erklärt hat, im Wege des Stufenantrags auf Auskunftserteilung über seine in den Jahren 2016 bis 2018 erzielten Einkünfte und entsprechende Vorlage von Belegen in Anspruch. Die 2010 geschlossene Ehe der bis heute gemeinsam sorgeberechtigten Eltern wurde nach ihrer bereits kurz nach der Geburt der Tochter erfolgten Trennung im Jahr 2014 rechtskräftig geschieden. Der Ag ist Geschäftsführer eines Verlags und weiterer Gesellschaften. Die Ast ist Schülerin und lebt im Haushalt der Mutter. Durch notarielle Urkunde hat sich der Ag ab 7/2019 zur Zahlung von 160 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe und jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle unter Anrechnung des hälftigen Kindergeldes verpflichtet. Das AG hat den Ag – ungeachtet der Erklärung seiner „unbegrenzten Leistungsfähigkeit“ – durch Teilbeschluss antragsgemäß zur Auskunftserteilung verpflichtet. Seine Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde des Ag. Die Entscheidung des Gerichts
Der BGH weist die Rechtsbeschwerde zurück. Nach § 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB seien Verwandte in gerader Linie einander verpflichtet, auf Verlangen über ihre Einkünfte und ihr Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. Eine Auskunftsverpflichtung bestehe nach der ständigen Rspr. des Senats nur dann nicht, wenn feststehe, dass die begehrte Auskunft den Unterhaltsanspruch oder die Unterhaltsverpflichtung unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen könne (z.B. BGH v. 15.11.2017 – XII ZB 503/16, FamRZ 2018, 260 = FamRB 2018, 92 zum Trennungsunterhalt). Das OLG sei zutreffend davon ausgegangen, dass ein solcher Ausnahmefall hier nicht gegeben sei. Die Auskunft zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen oder des Unterhaltsberechtigten beziehe sich auf die Umstände, die für die wirtschaftlichen Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs von Bedeutung seien. Der Ausnahmefall, dass eine Auskunft nicht geschuldet werde, liege nicht schon dann vor, wenn die jeweilige Voraussetzung (bzw. ihr Fehlen) in die Darlegungs- und Beweislast des Auskunftsverpflichteten falle. Für einen Auskunftsanspruch genüge die Möglichkeit, dass die Auskunft Einfluss auf den Unterhalt habe. Solange es mithin ohne Kenntnis von den konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Auskunftspflichtigen nicht ausgeschlossen erscheine, dass die Auskunft nach den ausgeführten Maßstäben für die Bemessung des Unterhalts benötigt werde, bleibe es bei der vollumfänglichen Auskunftspflicht. Diese entfalle erst, wenn die Auskunft unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Einfluss auf den Unterhalt gewinnen könne und daher offensichtlich nicht mehr unterhaltsrelevant sei. Der Einwand, „unbegrenzt leistungsfähig“ zu sein, habe regelmäßig nur die Bedeutung, dass der Unterhaltspflichtige darauf verzichte, den Einwand fehlender oder eingeschränkter Leistungsfähigkeit zu erheben. Dagegen leite sich der Unterhalt eines minderjährigen Kindes nach der neueren BGH-Rechtsprechung von der Lebensstellung beider Eltern ab. Er sei deshalb beim sog. Residenzmodell weiterhin nach den Einkommensverhältnissen des zum Barunterhalt verpflichteten Elternteils zu bestimmen. Bei besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern und einem die höchste Einkommensgruppe 10 der Düsseldorfer Tabelle übersteigenden Einkommen und mit Blick auf die neuere Rechtsprechung des Senats zum Ehegattenunterhalt (vgl. BGH v. 15.11.2017 – XII ZB 503/16, FamRZ 2018, 260 = FamRB 2018, 92) erscheine eine Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle und eine moderate einkommensabhängige Steigerung des Kindesunterhalts auf einen über 160 % des Mindestunterhalts hinausgehenden Bedarf sachgerecht (zu diesem Aspekt s. Liceni-Kierstein, FamRB 2021, 6, nachstehend). Daneben bleibe dem unterhaltsberechtigten Kind die konkrete Darlegung eines höheren Unterhaltsbedarfs sowie eines zusätzlichen Mehrbedarfs unbenommen. Vor diesem Hintergrund komme es im vorliegenden Fall in mehrfacher Hinsicht auf die Kenntnis des vom barunterhaltspflichtigen Ag bezogenen tatsächlichen Einkommens an. Die Ast sei deshalb auf die verlangte Auskunftserteilung angewiesen.