BGH, Beschl. 17.4.2024 - XII ZB 454/23
Sonstige Familiensache nach Scheidung; Prüfung der Rechtsmittelbegründungsfrist bei Aktenvorlage
Autor: VorsRiOLG a.D. Dr. Wera Ahn-Roth, Bonn
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 10/2024
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 10/2024
1. Für Ansprüche, die als sonstige Familiensache gem. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG in die Zuständigkeit des Familiengerichts fallen, ist ein inhaltlicher und zeitlicher Zusammenhang mit einer Trennung, Scheidung oder Eheaufhebung erforderlich. Diese Anforderung ist erfüllt, wenn der zeitlich nicht zu entfernt geltend gemachte Anspruch die wirtschaftliche Entflechtung der vormaligen Eheleute betrifft.2. Bei jeder Aktenvorlage in einer Fristensache ist der Rechtsanwalt gehalten, den Ablauf und die Eintragung der Rechtsmittelbegründungsfrist in den Fristenkalender in eigener Verantwortung zu prüfen.
FamFG § 266 Abs. 1 Nr. 3; ZPO § 233
Der BGH bejaht eine sonstige Familiensache i.S.d. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, weil es sich um Ansprüche zwischen ehemals verheirateter Beteiligter handele, die in Zusammenhang mit der Scheidung der Ehe stehen. Ob die geltend gemachten Ansprüche nicht schon als Güterrechtssache nach § 112 Nr. 2, § 261 Abs. 1 FamFG einzuordnen sind, lässt der Senat dahinstehen, da jedenfalls die Alternative der sonstigen Familiensache vorliege. Der erforderliche inhaltliche Zusammenhang mit der Beendigung der Ehe bestehe, da die Antragstellerin einen Anspruch aus der in China geschlossenen Scheidungsfolgenvereinbarung geltend mache, damit der Anspruch auf die vermögensrechtliche Auseinandersetzung und wirtschaftliche Entflechtung der Eheleute gerichtet ist. Den erforderlichen zeitlichen Zusammenhang mit dem betriebenen Scheidungsverfahren bejaht der XII. Senat ebenfalls.
Die Säumnis der maßgeblichen Frist zur Begründung des Rechtsmittels, § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG, beruhe auf einem Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten. Dieses liege schon darin, dass dieser von dem vermeidbaren Rechtsirrtum ausgegangen ist, für das Verfahren sei § 117 Abs. 1 FamFG nicht anwendbar. Der Verfahrensbevollmächtigte habe sodann bei Vorlage der Akten versäumt, selbstverantwortlich die Rechtsmittelbegründungsfrist zu überprüfen und deren Ablauf und Eintrag zu kontrollieren. Dann hätte ihm auffallen müssen, dass der erforderliche Fristeneintrag fehle. Die Akten sind dem Verfahrensbevollmächtigte innerhalb der Begründungsfrist mindestens zweimal vorgelegt worden, und zwar zur Fertigung der Beschwerde wie auch einige Tage später zu deren Signatur. Er hätte durch eine konkrete Einzelanweisung zunächst – soweit noch nicht erfolgt – die Vorlage der Handakten anordnen sowie im Anschluss daran die Eintragung der Frist einschließlich der Vorfrist veranlassen müssen. Der hierzu vorgetragene Sachverhalt, kurz vor Ablauf der Begründungsfrist sei eine Arbeitsanweisung an seine Mitarbeiter erteilt worden zu prüfen, ob das Beschwerdegericht eine Frist zur Rechtsmittelbegründung gesetzt habe, kann den Verfahrensbevollmächtigten nicht entlasten, vielmehr bestärkt dieses Verhalten nach Ansicht des BGH den Eindruck, dem Verfahrensbevollmächtigten sei die unterbliebene Fristeintragung bekannt gewesen. Die Antragstellerin muss sich sein Verschulden über § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 85 ZPO zurechnen lassen.
FamFG § 266 Abs. 1 Nr. 3; ZPO § 233
Das Problem
Die Beteiligten, chinesische Staatsangehörige, haben 2018 vor einem Volksgericht in Peking eine „Scheidungsfolgenvereinbarung“ abgeschlossen, in der sie ihr Einverständnis mit einer freiwilligen Scheidung ihrer 1988 in China geschlossen Ehe erklärt haben. Daneben haben sie verschiedene Regelungen zum Unterhalt, zum Besuchsrecht ihres Kindes sowie zur Verteilung von Vermögensgegenständen getroffen. Gegenstand war auch eine Vereinbarung zu einem in der Ehezeit erworbenen, in Deutschland belegenen Hausgrundstück, wonach die Antragstellerin Alleineigentümerin des Grundstücks werden solle. Ferner verpflichtete sich der Antragsgegner zur Mithilfe bei der „Bearbeitung des Verfahrens zur Änderung des Eigentumsrechts“. Die Antragstellerin hat ihren ehemaligen Ehemann mit Blick auf diese Vereinbarung auf Herausgabe von Schlüsseln u.a. sowie Abgabe der Auflassungs- und Bewilligungserklärung bei dem LG Düsseldorf in Anspruch genommen. Dieses hat sich mit Beschluss v. 16.4.2021 funktionell für unzuständig erklärt und die Sache an das AG -Familiengericht- abgegeben. Das FamG hat den Antrag wegen internationaler Unzuständigkeit des deutschen Gerichts, die sich aus der Scheidungsfolgenvereinbarung ergebe, als unzulässig verworfen. Gegen diesen ihr am 26.9.2022 zugestellten und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Beschluss hat die Antragstellerin fristgerecht Beschwerde eingelegt, diese jedoch nicht innerhalb der Zweimonatsfrist begründet. Der Verfahrensbevollmächtigte, der Zweifel an der Anwendbarkeit des § 117 FamFG hatte, habe drei Kanzleiangestellte mit der Prüfung des angefochtenen Beschlusses beauftragt. Eine Eintragung der Rechtsmittelbegründungsfrist in den Fristenkalender ist nicht erfolgt. Das OLG hat nach entsprechendem Hinweis die Beschwerde verworfen und die von der Antragstellerin beantragte Wiedereinsetzung zurückgewiesen.Die Entscheidung des Gerichts
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Der XII. Senat hat die Ansicht des Beschwerdegerichts, dass es sich jedenfalls um eine sonstige Familiensache, also eine Familienstreitsache handelt, bestätigt. Das Rechtsmittel sieht der Senat als verspätet an, weil es nicht innerhalb der Frist des anzuwendenden § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG eingegangen ist. Eine Wiedereinsetzung komme wegen des Verschuldens des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin nicht in Betracht, § 117 Abs. 5 FamFG, § 233 ZPO.Der BGH bejaht eine sonstige Familiensache i.S.d. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, weil es sich um Ansprüche zwischen ehemals verheirateter Beteiligter handele, die in Zusammenhang mit der Scheidung der Ehe stehen. Ob die geltend gemachten Ansprüche nicht schon als Güterrechtssache nach § 112 Nr. 2, § 261 Abs. 1 FamFG einzuordnen sind, lässt der Senat dahinstehen, da jedenfalls die Alternative der sonstigen Familiensache vorliege. Der erforderliche inhaltliche Zusammenhang mit der Beendigung der Ehe bestehe, da die Antragstellerin einen Anspruch aus der in China geschlossenen Scheidungsfolgenvereinbarung geltend mache, damit der Anspruch auf die vermögensrechtliche Auseinandersetzung und wirtschaftliche Entflechtung der Eheleute gerichtet ist. Den erforderlichen zeitlichen Zusammenhang mit dem betriebenen Scheidungsverfahren bejaht der XII. Senat ebenfalls.
Die Säumnis der maßgeblichen Frist zur Begründung des Rechtsmittels, § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG, beruhe auf einem Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten. Dieses liege schon darin, dass dieser von dem vermeidbaren Rechtsirrtum ausgegangen ist, für das Verfahren sei § 117 Abs. 1 FamFG nicht anwendbar. Der Verfahrensbevollmächtigte habe sodann bei Vorlage der Akten versäumt, selbstverantwortlich die Rechtsmittelbegründungsfrist zu überprüfen und deren Ablauf und Eintrag zu kontrollieren. Dann hätte ihm auffallen müssen, dass der erforderliche Fristeneintrag fehle. Die Akten sind dem Verfahrensbevollmächtigte innerhalb der Begründungsfrist mindestens zweimal vorgelegt worden, und zwar zur Fertigung der Beschwerde wie auch einige Tage später zu deren Signatur. Er hätte durch eine konkrete Einzelanweisung zunächst – soweit noch nicht erfolgt – die Vorlage der Handakten anordnen sowie im Anschluss daran die Eintragung der Frist einschließlich der Vorfrist veranlassen müssen. Der hierzu vorgetragene Sachverhalt, kurz vor Ablauf der Begründungsfrist sei eine Arbeitsanweisung an seine Mitarbeiter erteilt worden zu prüfen, ob das Beschwerdegericht eine Frist zur Rechtsmittelbegründung gesetzt habe, kann den Verfahrensbevollmächtigten nicht entlasten, vielmehr bestärkt dieses Verhalten nach Ansicht des BGH den Eindruck, dem Verfahrensbevollmächtigten sei die unterbliebene Fristeintragung bekannt gewesen. Die Antragstellerin muss sich sein Verschulden über § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 85 ZPO zurechnen lassen.