BGH, Beschl. 22.11.2023 - XII ZB 386/22

Verhältnis eines Antrags auf vorzeitigen Zugewinnausgleich zu parallellaufender güterrechtlicher Folgesache

Autor: RA Dr. Walter Kogel, FAFamR, Dr. Kogel & Mast Familienanwälte, Aachen
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 03/2024
a) Vorzeitiger Zugewinnausgleich gem. § 1385 BGB und Zugewinnausgleich nach der Ehescheidung sind verschiedene Streitgegenstände (im Anschluss an BGH v. 26.6.2019 – XII ZB 299/18, FamRZ 2019, 1535 = FamRB 2019, 380 [Herr]).b) Ein im Scheidungsverbund erhobener Stufenantrag zum Zugewinnausgleich nach der Scheidung wird unbegründet, wenn in einem anderen Verfahren rechtskräftig die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft ausgesprochen wurde. Der Antragsteller hat die Möglichkeit, dem durch eine Erledigungserklärung hinsichtlich der Folgesache Rechnung zu tragen.

BGB § 1378, § 1385, § 1386; FamFG § 137; ZPO § 91a

Das Problem

Seit Januar 2016 leben die Beteiligten getrennt. Die Zustellung des Scheidungsantrags erfolgte im Februar 2017. Im April 2017 wurde ein Stufenantrag zum Zugewinn geltend gemacht. In dieser Folgesache hat die Antragsgegnerin ihre Forderungen letztlich aber nicht beziffert. Mitte 2021 hat die Antragsgegnerin ebenfalls im Wege eines Stufenantrags vorzeitigen Zugewinnausgleich verlangt. In diesem Verfahren wurde im August 2021 die Zugewinngemeinschaft mit rechtskräftigem Teilanerkenntnisbeschluss vorzeitig aufgehoben. Im Dezember 2021 bezifferte die Antragsgegnerin ihre Forderung auf Zugewinnausgleich in diesem Verfahren mit ca. 27 Mio. €. Den Verbundantrag auf Leistung von Zugewinnausgleich ab Rechtskraft der Scheidung erklärt die Antragsgegnerin für erledigt. Sie beantragt festzustellen, dass hinsichtlich des Leistungsantrags im Verbundverfahren Güterrecht eine Erledigung eingetreten sei. Dem widerspricht der Antragsteller. Er ist der Auffassung, der spätere Antrag auf vorzeitigen Zugewinn sei kein erledigendes Ereignis. Insbesondere habe der im Verfahren vorzeitiger Zugewinn gestellte Leistungsantrag, der wegen anderweitiger Rechtshängigkeit und fehlendem Rechtsschutzbedürfnis unzulässig sei, weder die Unzulässigkeit noch die Unbegründetheit des im Verbundverfahren gestellten Leistungsantrages zum Zugewinn herbeigeführt. Das AG gibt dem Feststellungsantrag statt und hebt die Kosten 1. Instanz gegeneinander auf. Dieser Rechtsansicht schließt sich das OLG Düsseldorf als Vorinstanz an (OLG Düsseldorf v. 30.8.2022 – 1 UF 45/22, FamRZ 2022, 1919). Gegen diese Entscheidung richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH weist die Beschwerde zurück. Eine Erledigung der Hauptsache trete ein und sei auf einseitige Erledigungserklärung des Anspruchstellers durch Endentscheidung auszusprechen, wenn ein zunächst zulässiger und begründeter Antrag nachträglich gegenstandslos geworden sei. Es müsse sich um ein Begehren handeln, das zur Zeit der Abgabe der Erledigungserklärung nicht mehr zulässig oder nicht mehr begründet sei, weil es sich materiell bereits erledigt habe. Die Ansprüche auf vorzeitigen Zugewinnausgleich und auf Zugewinnausgleich nach der Scheidung beruhten nach ständiger Rechtsprechung auf verschiedenen Lebenssachverhalten. Daher stellten sie unterschiedliche Verfahrensgegenstände dar. Zwar basierten sie mit § 1378 Abs. 1 BGB auf derselben Anspruchsgrundlage. Sie setzten nämlich jeweils die Beendigung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft voraus. Die Gründe der Beendigung des Güterstands unterschieden sich jedoch wesentlich. Der Anspruch auf Zugewinnausgleich nach der Scheidung könne in diesem Verfahren nur als Folgesache geltend gemacht werden. Die bloße Rechtshängigkeit eines Antrags auf vorzeitigen Zugewinnausgleich hindere die Geltendmachung des Zugewinnausgleichs nach der Scheidung nicht. Der Anspruch auf Zugewinn nach der Scheidung als Folgesache setze voraus, dass die Scheidung rechtskräftig werde. Davon unterscheide sich die Lage beim vorzeitigen Zugewinnausgleich, der die Scheidung der Ehe eben nicht voraussetze. Werde der Güterstand durch Gestaltungsbeschluss im Verfahren auf vorzeitigen Zugewinnausgleich beendet, könne der Betreffende zwar seinen Zahlungsantrag weiterverfolgen. Dieser sei entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht etwa unzulässig. Aufgrund der vorzeitigen Aufhebung der Zugewinngemeinschaft sei der Antrag aber unbegründet, da ein Anspruch mit der Scheidung nicht mehr entstehen könne. Der Betreffende könne nunmehr seinen Zahlungsantrag dahin gehend ändern, dass der vorzeitige Zugewinnausgleich geltend gemacht werde. Der Anspruch auf vorzeitigen Zugewinnausgleich könne aber nicht im Verbundverfahren verfolgt werden. Vielmehr müsse die Folgesache abgetrennt werden. Ob der Anspruchsteller von der Möglichkeit einer Antragsänderung Gebrauch mache oder eine Erledigungserklärung abgebe, unterliege seiner freien Entscheidung. Eine Erledigungserklärung liege aber insbesondere dann nahe, wenn der Anspruch auf vorzeitigen Zugewinnausgleich – wie vorliegend – bereits in einem anderen Verfahren (selbständiges Zugewinnausgleichsverfahren) rechtshängig sei. Denn (erst) durch die Antragsänderung würde eine doppelte Rechtshängigkeit begründet. Der geänderte Antrag wäre daher nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO unzulässig. Es bestünden auch keine Bedenken gegen das Rechtsschutzbedürfnis für diese Vorgehensweise. Einer doppelten Kostenbelastung sei vorliegend durch die Erledigungserklärung und eine Verfahrenswertreduzierung im Hauptsacheverfahren Rechnung getragen worden.


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