BGH, Beschl. 23.2.2022 - XII ZB 38/21
Zugewinnausgleich bei Beteiligung an Partnerschaftsgesellschaft
Autor: DirAG a.D. Roland Stockmann, Würzburg
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 06/2022
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 06/2022
1. Ein Gesellschaftsanteil an einer Partnerschaftsgesellschaft unterliegt dem Zugewinnausgleich. Die Werthaltigkeit der Beteiligung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass sie nicht veräußerbar ist. Ein Goodwill wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass er seitens der Gesellschaft beim Ausscheiden eines Partners nicht entschädigt oder vergütet wird.2. Auch eine nach § 1379 BGB geschuldete Auskunft kann nur insgesamt erteilt werden. Teilauskünfte führen nicht zu einer teilweisen Erfüllung.3. Die Pflicht zur Auskunft und Belegvorlage entfällt ausnahmsweise dann, wenn sich diese unter keinen denkbaren Umständen auf die Höhe des Ausgleichsanspruchs auswirken können.4. Eine Teilentscheidung i.S.v. § 301 ZPO ist unzulässig, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen entsteht.5. a) Hat das erstinstanzliche Gericht eine unzulässige Teilentscheidung erlassen, darf das zweitinstanzliche Gericht, wenn es mit einem Rechtsmittel hiergegen befasst wird, den im ersten Rechtszug anhängig gebliebenen Teil des Verfahrensgegenstands auch ohne einen darauf gerichteten Antrag an sich ziehen und darüber entscheiden.b) Diese Befugnis besteht nicht für andere Verfahrensgegenstände, die von dem Verfahrensfehler nicht betroffen sind.
FamFG § 113, § 120; ZPO § 301, § 887; BGB § 260, § 1379
Das AG hat diesen Antrag der Ehefrau auf Belegvorlage durch Teilbeschluss abgewiesen, weil die begehrten Auskünfte betreffend den Gesellschaftsanteil an der Partnerschaftsgesellschaft keinen Einfluss auf die Berechnung des Zugewinns des Ehemanns hätten. Das OLG hat auf die Beschwerde der Antragstellerin das gesamte Verfahren bezüglich der Auskunftsanträge der Ehefrau an sich gezogen und den Anträgen im Wesentlichen stattgegeben. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, der seine zweitinstanzlich gestellten Anträge auf Zurückweisung der Beschwerde und seinen in der ersten Instanz gestellten Widerantrag betreffend die Auskunftsverpflichtung der Ehefrau weiterverfolgt.
In materiell-rechtlicher Hinsicht legt er dar, dass der fragliche Gesellschaftsanteil des Antragsgegners „unzweifelhaft“ einen Vermögenswert darstellt, der zum Trennungs- und Endvermögensstichtag bestand. Damit unterliege er dem Auskunfts- und Beleganspruch aus § 1379 BGB, denn dieser entfalle nur ausnahmsweise dann, wenn seine Erfüllung sich unter keinen denkbaren Umständen auf die Höhe des Ausgleichsanspruchs auswirken würde.
Zu berücksichtigen sei auch ein „Goodwill“, selbst wenn ein solcher von Seiten der Gesellschaft beim Ausscheiden eines Partners nicht entschädigt oder vergütet worden sei. Denn der Ehemann sei nicht gehindert, seine Mandanten auch in der neuen Partnerschaftsgesellschaft zu betreuen.
Auch der Umstand, dass die Unternehmensbeteiligung zwar voll nutzbar, aber nicht frei verwertbar ist, sei zunächst unerheblich. Bei der Ermittlung des Zugewinns wirke sich dies lediglich wertmindernd aus. Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang bei der Bewertung des Gesellschaftsanteils ein Goodwill zu veranschlagen ist und wie sich das zeitnahe spätere Ausscheiden des Ehemanns auf den Wert niederschlagen könne, bleibe der Zahlungsstufe vorbehalten.
Der Anspruch auf Belegvorlage diene zur Kontrolle der Auskunft. Daher habe das OLG dem Antrag der Ehefrau auf Belegvorlage zu Recht stattgegeben.
Auch habe das Beschwerdegericht verfahrensfehlerfrei gehandelt. Es entspreche der BGH-Rechtsprechung, dass ein Berufungsgericht, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs ein unzulässiges Teilurteil erlassen hat, den im ersten Rechtszug anhängig gebliebenen Teil des Rechtsstreits an sich ziehen und darüber mitentscheiden kann. Im konkreten Fall habe eine unzulässige Teilentscheidung des AG vorgelegen: Durch die Abweisung der Anträge auf Belegvorlage bezüglich des Gesellschaftsanteils an der Partnerschaft – ohne Entscheidung über die auf alle Vermögenswerte (und damit auch auf den Gesellschaftsanteil) bezogenen Auskunftsbegehren – sei nämlich die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen begründet worden. Zur Beseitigung des Verfahrensfehlers habe das OLG daher auch ohne einen darauf gerichteten Antrag das noch offene Auskunftsbegehren der Ehefrau an sich ziehen und mitentscheiden dürfen.
Hingegen habe für das OLG keine Veranlassung bestanden, den ebenfalls in der ersten Instanz befindlichen und noch unerledigten Widerantrag des Ehemanns (Auskunftsbegehren betreffend die Vermögenswerte der Ehefrau zu den Stichtagen) an sich zu ziehen. Diesbezüglich handle es sich um einen anderen Verfahrensgegenstand, der durch die Teilentscheidung des AG betreffend die Gesellschaftsanteile nicht betroffen sei.
Daher weist der BGH die Rechtsbeschwerde des Ehemanns insgesamt zurück. Damit ist über das Auskunftsbegehren der Ehefrau (einschließlich der beantragten Belegvorlage) rechtskräftig entschieden. Das AG hat nun – sofern dies nicht zwischenzeitlich erfolgt ist – über den Auskunftsantrag des Ehemanns zu befinden. Schließlich steht – nach Konkretisierung der Leistungsanträge – die Entscheidung über den eigentlichen Zugewinnausgleich an.
FamFG § 113, § 120; ZPO § 301, § 887; BGB § 260, § 1379
Das Problem
Die Beteiligten streiten um Auskunftserteilung in der Folgesache Güterrecht. Der Ehemann ist Rechtsanwalt. Er war Partner einer Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern. Nach Zustellung des Scheidungsantrags schied er aus dieser Partnerschaftsgesellschaft aus und trat einer anderen bei. Die Beteiligten haben wechselseitige Auskunftsanträge betreffend das an den Stichtagen vorhandene Vermögen gestellt. Die Ehefrau hat vom Ehemann darüber hinaus hinsichtlich dessen Beteiligung an der (ersten) Partnerschaftsgesellschaft die Vorlage von Belegen zum Trennungsstichtag und zum Stichtag für das Endvermögen begehrt.Das AG hat diesen Antrag der Ehefrau auf Belegvorlage durch Teilbeschluss abgewiesen, weil die begehrten Auskünfte betreffend den Gesellschaftsanteil an der Partnerschaftsgesellschaft keinen Einfluss auf die Berechnung des Zugewinns des Ehemanns hätten. Das OLG hat auf die Beschwerde der Antragstellerin das gesamte Verfahren bezüglich der Auskunftsanträge der Ehefrau an sich gezogen und den Anträgen im Wesentlichen stattgegeben. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, der seine zweitinstanzlich gestellten Anträge auf Zurückweisung der Beschwerde und seinen in der ersten Instanz gestellten Widerantrag betreffend die Auskunftsverpflichtung der Ehefrau weiterverfolgt.
Die Entscheidung des Gerichts
Der BGH billigt die Entscheidung des OLG in vollem Umfang:In materiell-rechtlicher Hinsicht legt er dar, dass der fragliche Gesellschaftsanteil des Antragsgegners „unzweifelhaft“ einen Vermögenswert darstellt, der zum Trennungs- und Endvermögensstichtag bestand. Damit unterliege er dem Auskunfts- und Beleganspruch aus § 1379 BGB, denn dieser entfalle nur ausnahmsweise dann, wenn seine Erfüllung sich unter keinen denkbaren Umständen auf die Höhe des Ausgleichsanspruchs auswirken würde.
Zu berücksichtigen sei auch ein „Goodwill“, selbst wenn ein solcher von Seiten der Gesellschaft beim Ausscheiden eines Partners nicht entschädigt oder vergütet worden sei. Denn der Ehemann sei nicht gehindert, seine Mandanten auch in der neuen Partnerschaftsgesellschaft zu betreuen.
Auch der Umstand, dass die Unternehmensbeteiligung zwar voll nutzbar, aber nicht frei verwertbar ist, sei zunächst unerheblich. Bei der Ermittlung des Zugewinns wirke sich dies lediglich wertmindernd aus. Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang bei der Bewertung des Gesellschaftsanteils ein Goodwill zu veranschlagen ist und wie sich das zeitnahe spätere Ausscheiden des Ehemanns auf den Wert niederschlagen könne, bleibe der Zahlungsstufe vorbehalten.
Der Anspruch auf Belegvorlage diene zur Kontrolle der Auskunft. Daher habe das OLG dem Antrag der Ehefrau auf Belegvorlage zu Recht stattgegeben.
Auch habe das Beschwerdegericht verfahrensfehlerfrei gehandelt. Es entspreche der BGH-Rechtsprechung, dass ein Berufungsgericht, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs ein unzulässiges Teilurteil erlassen hat, den im ersten Rechtszug anhängig gebliebenen Teil des Rechtsstreits an sich ziehen und darüber mitentscheiden kann. Im konkreten Fall habe eine unzulässige Teilentscheidung des AG vorgelegen: Durch die Abweisung der Anträge auf Belegvorlage bezüglich des Gesellschaftsanteils an der Partnerschaft – ohne Entscheidung über die auf alle Vermögenswerte (und damit auch auf den Gesellschaftsanteil) bezogenen Auskunftsbegehren – sei nämlich die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen begründet worden. Zur Beseitigung des Verfahrensfehlers habe das OLG daher auch ohne einen darauf gerichteten Antrag das noch offene Auskunftsbegehren der Ehefrau an sich ziehen und mitentscheiden dürfen.
Hingegen habe für das OLG keine Veranlassung bestanden, den ebenfalls in der ersten Instanz befindlichen und noch unerledigten Widerantrag des Ehemanns (Auskunftsbegehren betreffend die Vermögenswerte der Ehefrau zu den Stichtagen) an sich zu ziehen. Diesbezüglich handle es sich um einen anderen Verfahrensgegenstand, der durch die Teilentscheidung des AG betreffend die Gesellschaftsanteile nicht betroffen sei.
Daher weist der BGH die Rechtsbeschwerde des Ehemanns insgesamt zurück. Damit ist über das Auskunftsbegehren der Ehefrau (einschließlich der beantragten Belegvorlage) rechtskräftig entschieden. Das AG hat nun – sofern dies nicht zwischenzeitlich erfolgt ist – über den Auskunftsantrag des Ehemanns zu befinden. Schließlich steht – nach Konkretisierung der Leistungsanträge – die Entscheidung über den eigentlichen Zugewinnausgleich an.