BGH, Beschl. 23.6.2020 - KVR 69/19

Kartellrechtswidrige Facebook-Nutzungsbedingungen

Autor: RA Dr. Ingemar Kartheuser, LL.M., Linklaters LLP, Frankfurt/M.
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 11/2020
Die Verwendung von Nutzungsbedingungen, mit denen sich Facebook vom Nutzer die Erlaubnis zur Verknüpfung von Nutzerdaten aus Quellen außerhalb von facebook.com einräumen lässt, ist missbräuchlich.

DSGVO Art. 6, 9; GWB §§ 19, 32

Das Problem

Das durch Onlinewerbung finanzierte soziale Netzwerk Facebook machte es zur Voraussetzung der Einrichtung eines Nutzerkontos, dass der Nutzer den Nutzungsbedingungen zustimmte. Sie sahen vor, dass Facebook die personenbezogenen Daten verwenden und auch mit sonstigen Internetaktivitäten des Nutzers aus Drittquellen außerhalb der Facebook-Webseite, etwa von „Facebook-Partnern“, verbinden durfte (sog. Off-Facebook-Daten). Ferner konnte Facebook danach Cookies auf dem Nutzergerät platzieren und dadurch informiert werden, wenn der Nutzer Facebook- oder andere Partnerseiten aufrief. Eine gesonderte Einwilligung mit Blick auf die Off-Facebook-Daten wurde nicht eingeholt.

Entscheidung des Gerichts

Facebook missbrauche durch die Verwendung der Nutzungsbedingungen seine marktbeherrschende Stellung. Dies sei zu unterlassen.

Marktstellung: Facebook verfüge – bei einer Gesamtbetrachtung aller wesentlichen Umstände – über eine marktbeherrschende Stellung und sei damit Normadressat des § 19 GWB. Relevant sei der national abzugrenzende Nachfragemarkt für soziale Netzwerke. Facebook werde von über 95 Prozent der täglich aktiven Nutzer sozialer Netzwerke verwendet und habe damit einen beträchtlichen Abstand zu Wettbewerbern. Eine parallele Nutzung mehrerer sozialer Netzwerke („Multi-Homing“) auf dem relevanten Markt sei nicht nachgewiesen, insb. weil sich Facebook von Diensten wie Youtube, Pinterest oder Xing unterscheide.

Missbräuchliche Ausnutzung: Es bestünden keine ernsthaften Zweifel daran, dass Facebook mit seinen Konditionen seine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausnutze. Den Nutzern werde aufgedrängt, die Leistungen Facebooks nur zusammen mit einer weiteren Leistung zu erhalten, nämlich der eines „personalisierten Erlebnisses“ unter Verarbeitung von Off-Facebook-Daten. An die vorausgesetzte Kausalität zwischen Marktbeherrschung und Konditionenmissbrauch seien geringere Anforderungen zu stellen: Die Verwendung der beanstandeten Nutzungsbedingungen sei bei Bestehen eines funktionierenden Wettbewerbs nicht zu erwarten. Dann wäre voraussichtlich ein Angebot verfügbar, das dem Wunsch der Nutzer nach einer weniger intensiven Datennutzung Rechnung trüge.

Interessenabwägung: Die Prüfung einer missbräuchlichen Ausnutzung setze eine umfassende Interessenabwägung voraus. Facebook komme es die auf die Ermöglichung zielgerichteter Werbung und damit seine eigenen Finanzierung an. Auf Nutzerseite sei das Recht auf informationelle Selbstbestimmung maßgeblich, das eine substantielle Entscheidungsbefugnis des Nutzers über seine personenbezogenen Daten vorsehe. Facebook könne sich bei der Verarbeitung der Off-Facebook-Daten auf keinen Erlaubnistatbestand der DSGVO berufen. Insb. sei nicht dargelegt, dass die Interessen Facebooks nicht auch ohne die Verarbeitung solcher Off-Facebook-Daten ausreichend gewahrt würden.


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