BGH, Beschl. 25.7.2024 - I ZR 90/23
Vorlagefragen zur Dienstleistungsfreiheit eines EU-Sportwettenanbieters
Autor: RA Dr. Ingemar Kartheuser, LL.M. (Canterbury), Norton Rose Fulbright LLP, Hamburg
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 10/2024
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 10/2024
Klärungsbedürftig ist die Frage, ob es die europarechtlich normierte Dienstleistungsfreiheit eines in der EU ansässigen Sportwettenanbieters im Internet ausschließt, von diesem in Deutschland geschlossene Wettverträge als nichtig zu betrachten, wenn das Verfahren über die Erteilung einer entsprechenden Genehmigung unionsrechtswidrig durchgeführt wurde.
AEUV Art. 56; BGB §§ 134, 812; GlüStV §§ 4, 4a, 10a
Nichtigkeit des Sportwettenvertrags: Es sei zum einen zu klären, so der BGH, ob der Internet-Sportwettenvertrag im Lichte der Dienstleistungsfreiheit als nichtig angesehen werden könne, wenn der Anbieter – wie hier – in Deutschland eine Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten beantragt habe und das entsprechende Konzessionserteilungsverfahren unionsrechtswidrig durchgeführt wurde. Für die Rechtswidrigkeit dieses Verfahrens spreche vorliegend u.a., dass das unionsrechtlich fundierte Transparenzgebot verletzt und das Zuschlagskriterium des „wirtschaftlich günstigsten Angebots“ bei der Ausschreibung nicht sachgerecht angewendet worden sei.
Verbotsnorm: Der Sportwettenvertrag sei nach deutschem Recht als nichtig anzusehen, weil der Anbieter gegen ein gesetzliches Verbot i.S.v. § 134 BGB verstoßen habe. Das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aus dem Glückspielstaatsvertrag 2012 (GlüStV 2012) für öffentliche Sportwetten sei ein solches gesetzliches Verbot, das zumindest gelten solle, wenn der Anbieter keinen monatlichen Höchsteinsatz vorgesehen habe. Dafür spreche der Zweck des GlüStV 2012, die Bevölkerung vor von öffentlichen Glückspielen ausgehenden Gefahren zu schützen. In der Folge könne dem Spieler ein bereicherungsrechtlicher Anspruch aus Leistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zustehen.
Schadensersatzanspruch: Zum zweiten solle der EuGH beantworten, ob es die europarechtlich geregelte Dienstleistungsfreiheit unter den vorliegend gegebenen Umständen ausschließe, das deutsche Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aus dem GlüStV 2012 zur Veranstaltung von Internet-Sportwetten als Schutzgesetz mit der möglichen Folge einer Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 2 BGB zu betrachten. Für diese Einordnung als Schutzgesetz spreche ebenfalls der Zweck des Bevölkerungsschutzes vor den Gefahren von öffentlichen Glückspielen.
AEUV Art. 56; BGB §§ 134, 812; GlüStV §§ 4, 4a, 10a
Das Problem
Ein im EU-Mitgliedstaat Malta ansässiger Anbieter für Internet-Sportwetten bot seine Leistungen über eine deutschsprachige Webseite mit einer deutschen Top-Level-Domain an. Ein Spieler nutzte dieses Internetangebot in den Jahren zwischen 2013 bis 2020. Während dieses Zeitraums verfügte der Anbieter nicht über eine Konzession zur Veranstaltung von Glückspielen in Deutschland. Er hatte allerdings eine Konzession beantragt, die ihm schließlich – infolge einer entsprechenden erstinstanzlichen Gerichtsentscheidung – durch das Regierungspräsidium Darmstadt erteilt wurde, und zwar auf Grundlage des seit Januar 2020 geltenden Dritten Glückspieländerungsstaatsvertrags. Der Spieler machte die Unzulässigkeit des Sportwettenangebots sowie die Nichtigkeit der von ihm mit dem Anbieter abgeschlossenen Wettverträge geltend und verlangte Rückzahlung verlorener Wetteinsätze.Die Entscheidung des Gerichts
Ob der Spieler mit seinem Begehren erfolgreich sei, hänge von der Auslegung der in Art. 56 AEUV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit von Glückspielanbietern mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat ab. Der BGH legte daher dem EuGH mehrere Fragen zur Entscheidung vor.Nichtigkeit des Sportwettenvertrags: Es sei zum einen zu klären, so der BGH, ob der Internet-Sportwettenvertrag im Lichte der Dienstleistungsfreiheit als nichtig angesehen werden könne, wenn der Anbieter – wie hier – in Deutschland eine Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten beantragt habe und das entsprechende Konzessionserteilungsverfahren unionsrechtswidrig durchgeführt wurde. Für die Rechtswidrigkeit dieses Verfahrens spreche vorliegend u.a., dass das unionsrechtlich fundierte Transparenzgebot verletzt und das Zuschlagskriterium des „wirtschaftlich günstigsten Angebots“ bei der Ausschreibung nicht sachgerecht angewendet worden sei.
Verbotsnorm: Der Sportwettenvertrag sei nach deutschem Recht als nichtig anzusehen, weil der Anbieter gegen ein gesetzliches Verbot i.S.v. § 134 BGB verstoßen habe. Das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aus dem Glückspielstaatsvertrag 2012 (GlüStV 2012) für öffentliche Sportwetten sei ein solches gesetzliches Verbot, das zumindest gelten solle, wenn der Anbieter keinen monatlichen Höchsteinsatz vorgesehen habe. Dafür spreche der Zweck des GlüStV 2012, die Bevölkerung vor von öffentlichen Glückspielen ausgehenden Gefahren zu schützen. In der Folge könne dem Spieler ein bereicherungsrechtlicher Anspruch aus Leistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zustehen.
Schadensersatzanspruch: Zum zweiten solle der EuGH beantworten, ob es die europarechtlich geregelte Dienstleistungsfreiheit unter den vorliegend gegebenen Umständen ausschließe, das deutsche Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aus dem GlüStV 2012 zur Veranstaltung von Internet-Sportwetten als Schutzgesetz mit der möglichen Folge einer Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 2 BGB zu betrachten. Für diese Einordnung als Schutzgesetz spreche ebenfalls der Zweck des Bevölkerungsschutzes vor den Gefahren von öffentlichen Glückspielen.