BGH, Beschl. 28.10.2020 - XII ZB 512/19

Kinderzuschlag und Wohnkosten in der Leistungsfähigkeitsprüfung

Autor: RiOLG a.D. RAin Dr. Dagny Liceni-Kierstein, Berlin
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 03/2021
Der Kinderzuschlag, den Personen für ein in ihrem Haushalt lebendes und noch nicht 25 Jahre altes Kind auf Antrag nach § 6a BKGG erhalten, ist als Einkommen des Kindes zu behandeln, das in voller Höhe auf seinen Unterhaltsbedarf anzurechnen ist. Der Kinderzuschlag ist – anders als das Kindergeld – nicht zur Hälfte auf den Barbedarf anzurechnen und mit der anderen Hälfte dem betreuenden Elternteil zuzurechnen. Die von dem Unterhaltspflichtigen für den Familienverband getragenen Wohnkosten, die gleichzeitig den Wohnbedarf der anderen Familienmitglieder decken, sind anteilig auf alle Bewohner zu verteilen.

BGB § 1601, § 1603, § 1612b; BKGG § 6a

Das Problem

Der Antragsteller (Ast) macht gegen den Antragsgegner (Ag) aus übergegangenem Recht (§ 7 Abs. 1 UVG) ab 7/2018 Kindesunterhalt i.H.v. 100 % des Mindestunterhalts für seinen 2005 geborenen Sohn D aus erster Ehe geltend. Der Ag ist seit 2014 wiederverheiratet. Aus seiner neuen Ehe sind 2010 und 2015 zwei weitere Kinder hervorgegangen, die von der nicht erwerbstätigen Ehefrau betreut werden. Der Ag, der als Lkw-Fahrer arbeitet, erzielt ein Jahresnettoeinkommen von rund 22.964 €; darin enthalten ist ein Verpflegungskostenzuschuss von 1.710 €. Seit 9/2018 erhält der Ag für die beiden Kinder aus zweiter Ehe einen monatlichen Kinderzuschlag nach § 6a BKGG. Seine monatlichen Mietkosten belaufen sich (inkl. Nebenkostenvorauszahlung) auf rund 556 €. Bis 11/2018 hat der Ag zusätzlich zu seinen Erwerbseinkünften Leistungen nach dem SGB II bezogen. Der Ast, der seit 7/2018 für D Leistungen nach dem UVG von monatlich 273 € erbringt, hat den Ag auf Zahlung von 100 % des Mindestunterhalts in Anspruch genommen. Das AG hat den Ag ab 7/2018 im Rahmen einer Mangelfallberechnung zu Unterhaltszahlungen von monatlich 198 € verpflichtet. Auf die Beschwerde des Ag hat das OLG den Kindesunterhalt aufgrund einer sozialhilferechtlichen Kontrollberechnung für die Zeit zwischen 7/2018 und 2/2019 auf zwischen monatlich 144 € und 192 € unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise herabgesetzt. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Ag mit seiner vom OLG zugelassenen Rechtsbeschwerde.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH weist das Rechtsmittel zurück. Die beim Ag im notwendigen Selbstbehalt enthaltenen Wohnkosten seien nicht durch eine entsprechende Erhöhung seines Selbstbehalts zu berücksichtigen. Denn mit den monatlichen Mietzahlungen von rund 556 € decke der Ag auch den Wohnbedarf seiner Ehefrau und der beiden gemeinsamen Kinder. Diesem Umstand sei durch eine nur anteilige Berücksichtigung der anfallenden Wohnkosten beim barunterhaltspflichtigen Ag Rechnung zu tragen. Der in seinem notwendigen Selbstbehalt enthaltene Wohnkostenanteil werde dadurch sogar unterschritten. Der an den Ag für die beiden in seinem Haushalt lebenden Kinder gezahlte Kinderzuschlag nach § 6a BKGG sei als vergangenes und laufendes Einkommen der Kinder (und nicht der Eltern) auf deren Unterhaltsbedarf in voller Höhe im Rahmen der Unterhaltsberechnung für D anzurechnen. Anders als beim Kindergeld (§ 1612b Abs. 1 BGB) sei keine Aufteilung in einen Barunterhalts- und einen Betreuungsunterhaltsanteil vorzunehmen. Kinderzuschlag und Kindesunterhalt stünden nach § 6a BKGG in einer wechselseitigen Beziehung zueinander. Deshalb sei der vom Ag bezogene Kinderzuschlag in voller Höhe für den Unterhalt der beiden Kinder aus zweiter Ehe einzusetzen. Der an den Ag gezahlte Verpflegungskostenzuschuss sei aufgrund einer entsprechenden häuslichen Ersparnis zu 1/3 als Einkommen in Ansatz zu bringen


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