BGH, Beschl. 28.9.2016 - XII ZB 487/15

Ehewohnung bleibt Ehewohnung während gesamter Trennungszeit

Autor: RiAG a.D. Ralph Neumann, Brühl
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 01/2017
(a) Während der Trennungszeit ist der auf § 985 BGB gestützte Antrag eines Ehegatten gegen den anderen auf Herausgabe der Ehewohnung unzulässig (im Anschluss an BGH v. 13.10.1976 – IV ZR 89/75, BGHZ 67, 217 = NJW 1977, 43 und v. 7.4.1978 – V ZR 154/75, BGHZ 71, 216 = FamRZ 1978, 496).b) Die Ehewohnung behält diese Eigenschaft während der gesamten Trennungszeit.c) Der Eigentümer-Ehegatte, der dem anderen Ehegatten die Ehewohnung i.S.d. § 1361b Abs. 4 BGB überlassen hat, kann bei wesentlicher Veränderung der zugrunde liegenden Umstände eine Änderung der Überlassungsregelung gem. § 1361b Abs. 1 BGB im Ehewohnungsverfahren verfolgen.d) Das unzulässige Herausgabeverlangen nach § 985 BGB kann nicht in einen Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung im Ehewohnungsverfahren umgedeutet werden.

BGH, Beschl. v. 28.9.2016 - XII ZB 487/15

Vorinstanz: OLG München, Beschl. v. 16.9.2015 - 12 UF 475/15

BGB §§ 140, 985, 1361b, 1568a; FamFG §§ 200, 201

Das Problem

Nach 15 Jahren trennten sich die Eheleute und der Mann zog aus der Ehewohnung in dem ihm allein gehörenden Haus aus. Er bezog zunächst ein Haus seiner Frau, danach ein von ihm erworbenes weiteres Haus, das er jedoch später verkaufte. Nun wohnt er zur Miete mit einer neuen Lebensgefährtin und drei minderjährigen Kindern. Nachdem die drei Kinder der Eheleute inzwischen volljährig sind und ihre Schulausbildung abgeschlossen haben, verlangt der Ehemann aus Eigentum die Herausgabe der noch von der Ehefrau bewohnten Ehewohnung an ihn, damit er mit seiner neuen Familie dort einziehen könne. Das Familiengericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das OLG hat hingegen auf die Beschwerde des Ehemannes die Ehefrau verpflichtet, das Haus mit einer Räumungsfrist von gut 6 Monaten an ihn herauszugeben, da das Haus seine Eigenschaft als Ehewohnung inzwischen verloren habe und die Ehefrau dem Eigentümer kein Recht zum Besitz mehr entgegensetzen könne, weil eine Berufung auf die Vermutung in § 1361b Abs. 4 BGB angesichts der Umstände und der langen Trennungszeit von 10 Jahren nunmehr rechtsmissbräuchlich sei. Auch könne die Ehefrau gegenüber dem Herausgabeanspruch des Eigentümers nicht besser gestellt sein als bei einem Wohnungszuweisungsverfahren, in dem das Eigentum des Ehemannes besonders zu berücksichtigen wäre.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH hebt die Entscheidung des OLG auf und weist den Herausgabeantrag des Ehemannes bezüglich der Ehewohnung als unzulässig ab. Denn während des Getrenntlebens sei die auf § 985 BGB gestützte Klage eines Ehegatten gegen den anderen auf Herausgabe der Ehewohnung unzulässig. Dies sei auch unter der Geltung des FamFG so, denn Verfahren auf Eigentumsherausgabe einerseits (§ 266 FamFG) und Ehewohnungssachen andererseits (§§ 200 ff. FamFG) würden nach unterschiedlichen Verfahrensgrundsätzen verhandelt und entschieden. Die Regelungen über die Ehewohnung entsprängen dem Schutz des räumlich gegenständlichen Bereichs der Ehe und entfalteten unter den getrenntlebenden Ehegatten sowohl materiell-rechtlich als auch verfahrensrechtlich eine Sperrwirkung gegenüber Herausgabeansprüchen aus anderem Rechtsgrund. Die früher gemeinsam genutzte Wohnung behalte ihren Charakter als Ehewohnung während der gesamten Trennungszeit. Denn erst anlässlich der Scheidung werde gem. § 1568a BGB endgültig über die Ehewohnung entschieden. Bis dahin erfordere jedoch der gegenständliche Schutz der Ehe und Familie, dass für den gewichenen Ehegatten selbst nach längerer Abwesenheit noch die Möglichkeit besteht, in die Ehewohnung zurückzukehren, falls etwa Belange des Kindeswohls dies erforderlich machten. Insoweit müsse während der Trennungszeit eine Abänderung (§ 48 Abs. 1 FamFG) oder eine erstmalige Zuweisung möglich sein, die den Fortbestand als Ehewohnung voraussetze. Soweit der Senat bisher hinsichtlich der Fortdauer des Charakters als Ehewohnung eine abweichende Auffassung vertreten hat (vgl. BGH v. 12.6.2013 – XII ZR 143/11, FamRZ 2013, 1280 = FamRB 2014, 15), hält er daran nicht fest.

Die Unzulässigkeit des Herausgabeantrags beeinträchtige den Ehemann nicht, da er nach wie vor eine Wohnungszuweisung an sich gem. § 1361b Abs. 1 BGB im Verfahren nach den §§ 200 ff. FamFG verfolgen könne. Dem stehe auch nicht die Vermutung des § 1361b Abs. 4 BGB entgegen, denn dadurch werde zwar ein Überlassungsverhältnis begründet, jedoch verliere damit weder die Ehewohnung ihren Charakter als solche noch liege in der gesetzlichen Vermutung für die Entstehung des Überlassungsverhältnisses bereits eine Festlegung über dessen Endgültigkeit. Das schließe daher nicht aus, bei wesentlicher Veränderung der zugrunde liegenden Umstände eine Abänderung der Überlassungsregelung wie nach einer Entscheidung gem. § 1361b Abs. 1 BGB zu verfolgen. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse könne etwa vorliegen, wenn die anfangs noch im Haushalt lebenden Kinder, zu deren Wohl der weichende Ehegatte die (hier nur vermutete) Überlassung zunächst hingenommen hat, inzwischen volljährig geworden und aus dem Haushalt ausgezogen sind.

Der Senat sah sich schließlich gehindert, den ausdrücklich gestellten Herausgabeantrag nach § 985 BGB in einen Antrag auf Wohnungszuweisung umzudeuten, da das Ehewohnungsverfahren sowohl einen anderen Prüfungsgegenstand habe als auch anderen Verfahrensgrundsätzen folge.


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