BGH, Beschl. 29.9.2021 - XII ZB 309/21
Doppelte Stellvertretung bei Eheschließung im Ausland
Autor: Priv.-Doz. Dr. Peter Finger, RA, FAFamR, zertifiz. Mediator, Frankfurt/M.
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 02/2022
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 02/2022
a) Kollisionsrechtlich ist eine Eheschließung durch einen Vertreter nur dann als reine Formfrage zu qualifizieren, wenn es sich um eine Stellvertretung lediglich in der Erklärung handelt, bei der der Vollmachtgeber die Eheschließung sowie den konkreten Ehepartner nach eigenem Willen bestimmt hat. Demgegenüber würde eine Stellvertretung im Willen, die dem Vertreter eine eigene Entscheidungsbefugnis bezüglich der Eheschließung oder der Wahl des Ehepartners einräumt, auch die materiellen Voraussetzungen der Eheschließung berühren und wäre nach dem für Deutsche geltenden Heimatrecht unzulässig.b) Die Eheschließung im Ausland im Wege doppelter Stellvertretung verstößt nicht gegen den deutschen ordre public.
EGBGB Art. 6, Art. 11 Abs. 1, Abs. 3, Art. 13 Abs. 4
Der Standesbeamte hat Zweifel geltend gemacht. Das zuständige AG hat ihm Recht gegeben und ihn angewiesen, die beantragte Eintragung nicht vorzunehmen. Auf Beschwerde der Eheleute hat das OLG diese Entscheidung aufgehoben, aber die Rechtsbeschwerde (durch die obere bzw. untere Standesamtsaufsicht) zugelassen, die der BGH teils als unzulässig verwirft, Fristversäumnis, soweit die untere Behörde betroffen ist, § 71 Abs. 1 FamFG, und im Übrigen als unbegründet zurückweist (für die obere Standesamtsaufsicht).
Im Übrigen wären Formverstöße unschädlich, selbst wenn sie vorliegen sollten, weil insoweit ebenfalls Ortsrecht entscheide, das jedenfalls nicht zur Nichtehe führe, sondern allenfalls zu ihrer Aufhebbarkeit oder Nichtigerklärung. Beides sei aber zumindest bisher nicht erfolgt. Art. 6 EGBGB sei von vorneherein nicht betroffen, dt. ordre public, weil die doppelte Stellvertretung für sich eben nicht gegen dt. Grundregeln verstoße, auch wenn beide Heiratswillige ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland genommen hätten, wobei längere Ausführungen zur Gesetzgebungsgeschichte folgen, insbesondere aus der Entstehungszeit des BGB/EGBGB, die vielfältige Entwicklungen in der Zwischenzeit behandeln und zu dem Schluss kommen, letztlich habe sich insoweit nichts geändert (zu den Plänen vor 1986: RabelsZ 47 (1983), 595, insb. 618). Besondere Riten und Feierlichkeiten spielten keine Rolle, die bei uns vielleicht mit der Eheschließung verbunden seien. Ohnehin könnten sie, so wäre zu ergänzen, in Deutschland nachgeholt werden.
Ein wenig überraschend bleibt, dass sich der BGH mit den Vorstellungen der Beteiligten und den Hintergründen für ihre Entscheidung, in Mexiko zu heiraten, nicht erkennbar auseinandersetzt, gerade unter dem Blickwinkel von Art. 6 EGBGB.
EGBGB Art. 6, Art. 11 Abs. 1, Abs. 3, Art. 13 Abs. 4
Das Problem
F., dt. Staatsangehörige, und M., Syrer, haben beim dt. Standesbeamten die Beurkundung einer Erklärung zur Bestimmung ihres Ehenamens beantragt. Dabei haben sie eine Heiratsurkunde der Registrierungsbehörde des mexikanischen Bundesstaates Baja California Sur mit Apostille, einen Auszug aus dem Heiratsregister und eine Vereinbarung über die Gütertrennung vorgelegt, zu der sie sich entschlossen haben. Ihre Ehe war „in Abwesenheit (beider Beteiligter) durch zwei dort ansässige, (ihnen) persönlich nicht bekannte Vertreter geschlossen worden, denen sie zuvor jeweils eine von einem Notar“ in Deutschland beglaubigte Sondervollmacht in Englisch und in Spanisch erteilt hatten, sie „bei der Ausführung eines Ehevertrags mit dem jeweils namentlich benannten anderen zu vertreten“. Die Vollmachten sind außerdem von zwei bei ihrer Aufnahme anwesenden Zeugen unterzeichnet (mit beglaubigter Unterschrift).Der Standesbeamte hat Zweifel geltend gemacht. Das zuständige AG hat ihm Recht gegeben und ihn angewiesen, die beantragte Eintragung nicht vorzunehmen. Auf Beschwerde der Eheleute hat das OLG diese Entscheidung aufgehoben, aber die Rechtsbeschwerde (durch die obere bzw. untere Standesamtsaufsicht) zugelassen, die der BGH teils als unzulässig verwirft, Fristversäumnis, soweit die untere Behörde betroffen ist, § 71 Abs. 1 FamFG, und im Übrigen als unbegründet zurückweist (für die obere Standesamtsaufsicht).
Die Entscheidung des Gerichts
Der BGH hält die angegriffene Entscheidung des OLG für richtig. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Eheschließung, die sich aus Art. 13 Abs. 1 EGBGB herleiten könnten, seien nicht ersichtlich. Jedenfalls folgten sie nicht schon für sich aus der „Vertretung“ beider Verlobten bei der Eheschließung in Mexiko. Überraschend ist allerdings, dass der BGH bei den Begrifflichkeiten nicht dem üblichen Sprachgebrauch folgt und zwischen Botenschaft und Stellvertretung unterscheidet. Doch gehen die für uns bekannten Rechtseinrichtungen ohnehin (wohl) ineinander über. Botenschaft und damit „Stellvertretung in der Erklärung“ läge vor und wäre unbedenklich, wenn der „Vollmachtgeber“ die Eheschließung sowie den konkreten Ehepartner nach seinem eigenen Willen bestimmt hätte (und bestimmt), während (unzulässige) „Stellvertretung im Willen“ dem Vertreter eigene Entscheidungsbefugnisse für die Heirat bzw. die Person des Ehepartners einräumen und deshalb „auch die materiellen Voraussetzungen der Eheschließung“ berühren würde. Für die Stellvertretung im Willen sei Art. 13 Abs. 1 EGBGB maßgeblich, denn sie erfasse die persönlichen Voraussetzungen für die Eheschließung selbst. Sonstige sachliche Mängel nach dem jeweiligen Heimatrecht der Verlobten seien nicht erkennbar. Ihre Erklärungen müssten die Beteiligten bei uns zwar höchstpersönlich beim Standesbeamten abgeben, § 1311 BGB, aber diese Voraussetzung sei (letztlich) erfüllt, wobei das „materielle Gebot des dt. Rechts“ zweiseitigen Charakter habe (dazu schon BGH v. 19.12.1958 – IV ZR 136/58, BGHZ 29, 132, 137), denn beide hätten sich entsprechend festgelegt. Bei Botenschaft sei dagegen lediglich die Form betroffen, Art. 11 EGBGB, so dass „nur“ noch nicht eingehaltene Förmlichkeiten des Rechts am Eheschließungsort, Abs. 1, bzw. der dt. ordre public zur Unwirksamkeit der Heirat führen könnten. Maßgeblich werde dabei der „Ort der Trauungshandlung“ (zur faktischen Sowjet-Ehe schon BGHZ 29, 132, 137 = MDR 1959, 284; zur common-law-Ehe RGZ 157, 257, 259) also das Recht des Bundesstaates Baja California Sur. Dort sei, entwickelt vom BGH im Wege des Freibeweises, die Heirat durch „Sonderbevollmächtigte“ zugelassen, auch in doppelter Stellvertretung, also für beide Gatten.Im Übrigen wären Formverstöße unschädlich, selbst wenn sie vorliegen sollten, weil insoweit ebenfalls Ortsrecht entscheide, das jedenfalls nicht zur Nichtehe führe, sondern allenfalls zu ihrer Aufhebbarkeit oder Nichtigerklärung. Beides sei aber zumindest bisher nicht erfolgt. Art. 6 EGBGB sei von vorneherein nicht betroffen, dt. ordre public, weil die doppelte Stellvertretung für sich eben nicht gegen dt. Grundregeln verstoße, auch wenn beide Heiratswillige ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland genommen hätten, wobei längere Ausführungen zur Gesetzgebungsgeschichte folgen, insbesondere aus der Entstehungszeit des BGB/EGBGB, die vielfältige Entwicklungen in der Zwischenzeit behandeln und zu dem Schluss kommen, letztlich habe sich insoweit nichts geändert (zu den Plänen vor 1986: RabelsZ 47 (1983), 595, insb. 618). Besondere Riten und Feierlichkeiten spielten keine Rolle, die bei uns vielleicht mit der Eheschließung verbunden seien. Ohnehin könnten sie, so wäre zu ergänzen, in Deutschland nachgeholt werden.
Ein wenig überraschend bleibt, dass sich der BGH mit den Vorstellungen der Beteiligten und den Hintergründen für ihre Entscheidung, in Mexiko zu heiraten, nicht erkennbar auseinandersetzt, gerade unter dem Blickwinkel von Art. 6 EGBGB.