BGH, Beschl. 29.9.2021 - XII ZB 495/20

Vollstreckbarerklärung güterrechtlicher Entscheidung Schweizer Gerichts

Autor: VPrLG a.D. Martin Streicher, Walddorfhäslach
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 01/2022
3. Die Vollstreckbarerklärung einer Schweizer güterrechtlichen Entscheidung richtet sich nicht nach dem LugÜ 2007, sondern nach dem deutsch-schweizerischen Abkommen v. 2.11.1929 (RGBl. 1930 II, 1066).4. Die Gewährung von Vollstreckungsschutz durch den BGH als Rechtsbeschwerdegericht kann in einem auf die Vollstreckbarerklärung eines schweizerischen Güterrechtstitels nach völkerrechtlichem Vertrag gerichteten Verfahren nur nach Maßgabe von Art. 2 Abs. 4 Satz 2 der Ausführungsverordnung i.V.m. § 707 ZPO erfolgen. Sie scheidet aus, wenn es der Schuldner verabsäumt hat, bereits im Beschwerdeverfahren einen Antrag gem. § 712 ZPO unter Glaubhaftmachung, dass die weitergehende Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, zu stellen (vgl. insoweit BGH v. 27.5.2020 – XII ZB 102/20, FamRZ 2020, 1293 Rz. 8 = FamRB 2020, 308 [Streicher] m.w.N.).

Deutsch-schweizerisches Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen v. 2.11.1929 Art. 1 ff.; Verordnung zur Ausführung des deutsch-schweizerischen Abkommens über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen v. 28.8.1930 (AusführungsVO) Art. 1 ff.; LugÜ 2007 Art. 1 Abs. 2 lit. a; ZPO § 571 Abs. 2 S. 2, § 707 Abs. 1, § 712

Das Problem

Die Beteiligten streiten um die Vollstreckbarerklärung einer gerichtlichen Entscheidung eines Schweizer Bezirksgerichts über einen ehegüterrechtlichen Anspruch. Der Antragsgegner lebte zum Zeitpunkt der Entscheidung des Schweizer Bezirksgerichts bereits in Deutschland und hatte sich vorbehaltlos auf den Rechtsstreit in der Schweiz eingelassen. Dem Vollstreckbarerklärungsantrag der Antragstellerin hat das angerufene LG teilweise auf der Grundlage der Bestimmungen des LugÜ 2007 stattgegeben. Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde macht der Antragsgegner geltend, dass das LG örtlich nicht zuständig gewesen sei, hingegen das AG E, in dessen Zuständigkeitsbereich er, belegt durch Meldebescheinigung, seinen Wohnsitz habe. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das OLG das Urteil unter Berücksichtigung einer dort ebenfalls titulierten Gegenforderung für vollstreckbar erklärt und seine weitergehende Beschwerde zurückgewiesen. Die Vollstreckbarerklärung hat es auf die Bestimmungen des deutsch-schweizerischen Abkommens vom 2.11.1929 (RGBl. 1930 II, 1066) gestützt. Der Rüge des Antragsgegners, dass das LG örtlich unzuständig gewesen sei, blieb im Beschwerdeverfahren der Erfolg versagt. Hiergegen wendet sich die verfahrensgegenständliche Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, mit der er weiterhin den Wegfall der Vollstreckbarerklärung erstrebt und schließlich auch die Gewährung von Vollstreckungsschutz durch den Senat begehrt.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird vom BGH als unzulässig verworfen. Die nach § 574 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 2 Abs. 4 der AusführungsVO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Weder wegen grundsätzlicher Bedeutung noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hat der BGH eine Entscheidung für erforderlich gehalten.

Die Rechtsbeschwerde verkennt insoweit schon, dass hinsichtlich der möglicherweise vorliegenden Unzuständigkeit des LG nach der ständigen Rechtsprechung des BGH zu § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO dem OLG im Beschwerdeverfahren eine Prüfung der örtlichen, sachlichen und funktionellen Zuständigkeit des Erstgerichts versagt war (z.B. Rimmelspacher in MünchKomm/ZPO, 6. Aufl., § 513 Rz. 18). Allerdings erfasst § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht das Vorliegen der internationalen Zuständigkeit. Im Gegenteil ist diese in jeder Lage des Verfahrens und damit auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH v. 17.2.2010 – XII ZB 68/09, FamRZ 2010, 720). Grundsätzlich findet jedoch eine Prüfung der örtlichen Zuständigkeit des Erstgerichts in der Beschwerdeinstanz auch dann nicht statt, wenn die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte vom Rechtsmittelgericht zu prüfen ist. Insoweit gibt es nur dann eine Ausnahme, wenn die Frage der örtlichen Zuständigkeit von denselben Voraussetzungen abhängt, die auch für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte maßgebend sind (BGH v. 17.3.2015 – VI ZR 11/14, MDR 2015, 509 = NJW-RR 2015, 941). Das hat der BGH schon mit Blick auf den Umstand, dass der Antragsgegner im Verfahren die internationale Zuständigkeit zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gezogen hat, verneint. Denn für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte kommt es hier nur darauf an, dass der Antragsgegner seinen Wohnsitz an irgendeinem Ort in Deutschland hat. Für die internationale Zuständigkeit war es deshalb ohne Bedeutung, ob der Antragsgegner seinen Wohnsitz in B, wie vom Erstgericht angenommen, oder in E hat, da beide Orte in Deutschland liegen.

Den Vollstreckungsschutzantrag weist der BGH – bei bekannter Rechtsprechung hierzu (s. BGH v. 27.5.2020 – XII ZB 102/20, FamRZ 2020, 1293 = FamRB 2020, 308 [Streicher]) – als unbegründet zurück. Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Rechtsbeschwerdegericht kommt auch im Verfahren der Vollstreckbarerklärung nur in Betracht, wenn der Einstellungsantrag – unter Glaubhaftmachung, dass die weitergehende Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde – bereits in der Beschwerdeinstanz gestellt wurde, woran es hier fehlt.


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