BGH, Beschl. 31.5.2023 - XII ZB 274/21
Selbstständige Beschwer bei Geltendmachung jeweils unterschiedlicher Eheaufhebungsgründe durch beide Ehegatten
Autor: RiAG Alexander Erbarth, Greiz
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 10/2023
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 10/2023
Die in einem Eheaufhebungsbeschluss des AG getroffenen Feststellungen, dass zugunsten des einen – die Eheaufhebung beantragenden – Ehegatten ein Eheaufhebungsgrund nach § 1314 Abs. 2 Nr. 4 BGB besteht, hingegen für den anderen – ebenfalls die Aufhebung der Ehe beantragenden – Ehegatten ein solcher nach Abs. 2 Nr. 3 dieser Vorschrift nicht gegeben ist, begründen für letzteren Ehegatten eine jeweils selbstständige Beschwer i.S.v. § 59 Abs. 1 FamFG. Diese kann er mit der Beschwerde gegen den stattgebenden Eheaufhebungsbeschluss unabhängig davon geltend machen, dass er selbst die Aufhebung der Ehe beantragt hat.
BGB § 1314 Abs. 2 Nr. 3, Nr. 4, § 1318 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; FamFG § 59 Abs. 1
Die Ehegatten sind afghanische Staatsangehörige, sie schlossen im Dezember 2018 in Afghanistan die Ehe. Zum Zeitpunkt der Eheschließung lebte der Ehemann und Antragsgegner bereits in Deutschland, die Antragstellerin in Afghanistan; sie reiste im Februar 2020 nach Deutschland ein.
Die Antragstellerin hat mit ihrem dem Antragsgegner im Juni 2020 zugestellten Antrag beim AG die Aufhebung ihrer Ehe mit der Begründung begehrt, sie sei zur Eheschließung gezwungen worden. Der Antragsgegner seinerseits hat seinen Antrag auf Aufhebung der Ehe darauf gestützt, er sei von der Antragstellerin hinsichtlich der Eingehung der Ehe arglistig getäuscht worden. Das AG – FamG – hat in seinem Beschluss die Ehe auf der Grundlage des von der Antragstellerin geltend gemachten Aufhebungsgrunds aufgehoben, den vom Antragsgegner vorgetragenen Aufhebungsgrund hingegen als nicht gegeben angesehen. Das OLG hat die gegen den amtsgerichtlichen Beschluss eingelegte Beschwerde des Antragsgegners verworfen; hiergegen richtet sich seine Rechtsbeschwerde.
Die Rechtsbeschwerde sei gem. § 121 Nr. 1, § 113 Abs. 1 Satz 2, § 117 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere eine Entscheidung des Senats; der angefochtene Beschluss verletze den Antragsgegner in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bejaht der Senat, sie ergebe sich aus Art. 100 Abs. 2 Brüssel IIb-VO i.V.m. Art. 1 Abs. 1 lit. a, Art. 3 Abs. 1 lit. a Spiegelstr. 1 Brüssel IIa-VO, da das Verfahren vor dem 1.8.2022 eingeleitet worden ist und beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben.
Die Rechtsbeschwerde sei auch begründet, eine Beschwer des Antragsgegners i.S.v. § 59 Abs. 1 FamFG gegeben, eine unmittelbare Rechtsbeeinträchtigung seinerseits liege vor. Das OLG habe zu Unrecht die Beschwerde des Antragsgegners mangels Beschwer verworfen. Die vom AG getroffenen Feststellungen, dass zugunsten der Antragstellerin ein Eheaufhebungsgrund nach § 1314 Abs. 2 Nr. 4 BGB (Zwangsehe) bestehe, hingegen ein solcher für den Antragsgegner nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB (arglistige Täuschung) nicht gegeben sei, begründe für den Antragsgegner eine jeweils selbstständige Beschwer i.S.v. § 59 Abs. 1 FamFG. Sodann erfolgen allgemeine und grundlegende Ausführungen zur Beschwer: Gem. § 59 Abs. 1 FamFG stehe die Beschwerde demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Eine Rechtsbeeinträchtigung liege vor, wenn der Entscheidungssatz des angefochtenen Beschlusses unmittelbar in ein dem Beschwerdeführer zustehendes Recht eingreift. Die angefochtene Entscheidung muss daher ein bestehendes Recht des Beschwerdeführers aufheben, beschränken, mindern, ungünstig beeinflussen oder gefährden, die Ausübung dieses Rechts stören oder dem Beschwerdeführer die mögliche Verbesserung seiner Rechtsstellung vorenthalten oder erschweren. Eine Beeinträchtigung lediglich wirtschaftlicher, rechtlicher oder sonstiger berechtigter Interessen genüge dagegen nicht (Rz. 12 unter Bezugnahme auf BGH v. 8.10.2014 – XII ZB 406/13, FamRZ 2015, 42 Rz. 14 = FamRB 2015, 13 [Stößer]).
Gemessen daran fehle es dem Antragsteller nicht an einer unmittelbaren Rechtsbeeinträchtigung. Er sei jedenfalls aufgrund der für ihn nachteiligen Rechtsfolgen, die gem. § 1318 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB im Fall der Eheaufhebung nach § 1314 Abs. 2 Nr. 4 BGB eintreten, unmittelbar in seinen Rechten betroffen (BGH v. 10.7.1996 – XII ZR 49/95, BGHZ 133, 227 = FamRZ 1996, 1209, 1211 zu § 37 Abs. 2 EheG). Gleiches gelte, soweit dem Antragsgegner aufgrund der Entscheidung des AG die für ihn günstigen Rechtsfolgen des § 1318 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB vorenthalten worden seien, die einträten, sofern die Ehe – wie von ihm beantragt – nach der Vorschrift des § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB aufgehoben werde. Schließlich bestehe nach § 1318 Abs. 1 BGB ein Unterhaltsanspruch entsprechend §§ 1569 ff. BGB nur in den ausdrücklich in § 1318 Abs. 2 BGB genannten Fällen. Dies führe hier dazu, dass die Entscheidung für den Antragsgegner nachteilige Folgen habe: Scheide doch für ihn ein nachehelicher Unterhaltsanspruch mangels Vorliegens eines Aufhebungsgrunds nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB aus, hingegen komme ein solcher für die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner aufgrund der Aufhebung der Ehe nach § 1314 Abs. 2 Nr. 4 BGB gem. § 1318 Abs. 2 Satz 1 BGB in Betracht. Nach Art. 15 EuUntVO i.V.m. Art. 3 Abs. 1 HUP richte sich der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nach deutschem Recht, weil beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben (BGH v. 19.2.2020 – XII ZB 358/19, FamRZ 2020, 918 Rz. 12 = FamRB 2020, 214 [Dimmler]).
Der Antragsgegner könne in einem folgenden nachehelichen Unterhaltsverfahren die für ihn nachteiligen Rechtsfolgen des § 1318 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB auch nicht unter Berufung auf die vermeintliche Unrichtigkeit der in der Eheaufhebungsentscheidung getroffenen Feststellungen abwenden. Mit Rechtskraft eines stattgebenden Gestaltungsurteils trete die Gestaltungswirkung ein; zugleich erwachse die Feststellung in materielle Rechtskraft, dass das Gestaltungsrecht des Klägers im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestand und die Gestaltungswirkung daher zu Recht eingetreten sei (BGH v. 16.2.2018 – V ZR 148/17, NJW-RR 2018, 552 Rz. 13 = MDR 2018, 786 = MietRB 2018, 140). Der Beschluss nach § 1313 Satz 1 BGB stelle eine solche der materiellen Rechtskraft fähige Gestaltungsentscheidung dar. Werde umgekehrt eine Gestaltungsklage abgewiesen, so wird im Rahmen deren Verfahrensgegenstands festgestellt, dass der Gestaltungsgrund zur Zeit der letzten Tatsachenverhandlung nicht vorgelegen habe. Ein Beschluss, mit dem ein Eheaufhebungsantrag abgewiesen werde, stelle mithin fest, dass der geltend gemachte Eheaufhebungsgrund nicht bestanden habe. Der Antragsgegner könne sich mithin in einem nachehelichen Unterhaltsverfahren nicht mit Erfolg darauf berufen, die vom AG im Eheaufhebungsbeschluss getroffenen Feststellungen zum (Nicht-)Vorliegen eines Eheaufhebungsgrunds nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3 bzw. Nr. 4 BGB seien unzutreffend gewesen.
Ein nachehelicher Unterhaltsanspruch der Ehegatten setzte hier – neben dem Vorliegen eines Unterhaltstatbestands nach §§ 1569 ff. BGB – gem. § 1318 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB voraus, dass zugunsten des Ehegatten, der vom anderen Unterhalt begehre, ein Gestaltungsrecht zur Aufhebung der Ehe nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3 bzw. Nr. 4 BGB bestanden habe. Diese Frage sei nun vom Verfahrensgegenstand des vorliegenden Eheaufhebungsverfahrens umfasst (Voppel in Staudinger, BGB, 2018, Vorbem. §§ 1313 ff. Rz. 35; Helms in Prütting/Helms, FamFG, 6. Aufl., § 126 Rz. 3; Antomo in NK-BGB, 4. Aufl., § 1313 Rz. 14; a.A. M. Otto in BeckOGK/BGB, 1.10.2022, § 1313 Rz. 8) und wäre daher von dem Gericht, das über den nachehelichen Unterhalt zu entscheiden habe, nicht erneut zu prüfen (Lugani in MünchKomm/FamFG, 3. Aufl., § 126 Rz. 4). Von einer solchen Rechtskraftwirkung der Eheaufhebungsentscheidung sei erkennbar auch der Gesetzgeber ausgegangen, der mit der Vorschrift des § 1318 BGB die „rechtspraktischen Folgen einer gerichtlichen Aufhebungsentscheidung“ habe regeln wollen (BT-Drucks. 13/9416, 28).
Der Senat hebt sodann zu Recht hervor, die Rechtsordnung knüpfe bei der Aufhebung der Ehe, im Gegensatz zur Rechtslage bei der Ehescheidung unterschiedliche Rechtsfolgen daran, ob die Aufhebung der Ehe auf den Antrag (§ 1316 Abs. 1 Nr. 2 BGB) der Antragstellerin oder des Antragsgegners ausgesprochen werde.
Schließlich weist der Senat zutreffend darauf hin, dass sich die Aufhebbarkeit der Ehe nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB für jeden Ehegatten nach seinem Heimatrecht richte, mit der Folge, dass die Aufhebung hier afghanischem Recht unterliege. Die Anwendung dieses ausländischen Rechts werde ggf. nach Art. 6 Satz 2 EGBGB am ordre public zu messen seien (Kaiser, FamRZ 2013, 77, 82 ff. zur Zwangsehe).
BGB § 1314 Abs. 2 Nr. 3, Nr. 4, § 1318 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; FamFG § 59 Abs. 1
Das Problem
Die Entscheidung befasst sich mit dem bisher nicht grundlegend behandelten, in der familiengerichtlichen Praxis aber immer mehr in den Vordergrund drängenden Problem des Verhältnisses zwischen mehreren Eheaufhebungsgründen: Konkret erörtert der Senat die Frage der Beschwer in der Fallkonstellation, in der beide Ehegatten die Aufhebung der Ehe beantragen, allerdings jeder Ehegatte gestützt auf einen anderen Eheaufhebungsgrund.Die Ehegatten sind afghanische Staatsangehörige, sie schlossen im Dezember 2018 in Afghanistan die Ehe. Zum Zeitpunkt der Eheschließung lebte der Ehemann und Antragsgegner bereits in Deutschland, die Antragstellerin in Afghanistan; sie reiste im Februar 2020 nach Deutschland ein.
Die Antragstellerin hat mit ihrem dem Antragsgegner im Juni 2020 zugestellten Antrag beim AG die Aufhebung ihrer Ehe mit der Begründung begehrt, sie sei zur Eheschließung gezwungen worden. Der Antragsgegner seinerseits hat seinen Antrag auf Aufhebung der Ehe darauf gestützt, er sei von der Antragstellerin hinsichtlich der Eingehung der Ehe arglistig getäuscht worden. Das AG – FamG – hat in seinem Beschluss die Ehe auf der Grundlage des von der Antragstellerin geltend gemachten Aufhebungsgrunds aufgehoben, den vom Antragsgegner vorgetragenen Aufhebungsgrund hingegen als nicht gegeben angesehen. Das OLG hat die gegen den amtsgerichtlichen Beschluss eingelegte Beschwerde des Antragsgegners verworfen; hiergegen richtet sich seine Rechtsbeschwerde.
Die Entscheidung des Gerichts
Der BGH sieht die Rechtsbeschwerde als zulässig sowie begründet an, hebt die Entscheidung deshalb auf und verweist die Sache an das OLG zurück.Die Rechtsbeschwerde sei gem. § 121 Nr. 1, § 113 Abs. 1 Satz 2, § 117 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere eine Entscheidung des Senats; der angefochtene Beschluss verletze den Antragsgegner in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bejaht der Senat, sie ergebe sich aus Art. 100 Abs. 2 Brüssel IIb-VO i.V.m. Art. 1 Abs. 1 lit. a, Art. 3 Abs. 1 lit. a Spiegelstr. 1 Brüssel IIa-VO, da das Verfahren vor dem 1.8.2022 eingeleitet worden ist und beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben.
Die Rechtsbeschwerde sei auch begründet, eine Beschwer des Antragsgegners i.S.v. § 59 Abs. 1 FamFG gegeben, eine unmittelbare Rechtsbeeinträchtigung seinerseits liege vor. Das OLG habe zu Unrecht die Beschwerde des Antragsgegners mangels Beschwer verworfen. Die vom AG getroffenen Feststellungen, dass zugunsten der Antragstellerin ein Eheaufhebungsgrund nach § 1314 Abs. 2 Nr. 4 BGB (Zwangsehe) bestehe, hingegen ein solcher für den Antragsgegner nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB (arglistige Täuschung) nicht gegeben sei, begründe für den Antragsgegner eine jeweils selbstständige Beschwer i.S.v. § 59 Abs. 1 FamFG. Sodann erfolgen allgemeine und grundlegende Ausführungen zur Beschwer: Gem. § 59 Abs. 1 FamFG stehe die Beschwerde demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Eine Rechtsbeeinträchtigung liege vor, wenn der Entscheidungssatz des angefochtenen Beschlusses unmittelbar in ein dem Beschwerdeführer zustehendes Recht eingreift. Die angefochtene Entscheidung muss daher ein bestehendes Recht des Beschwerdeführers aufheben, beschränken, mindern, ungünstig beeinflussen oder gefährden, die Ausübung dieses Rechts stören oder dem Beschwerdeführer die mögliche Verbesserung seiner Rechtsstellung vorenthalten oder erschweren. Eine Beeinträchtigung lediglich wirtschaftlicher, rechtlicher oder sonstiger berechtigter Interessen genüge dagegen nicht (Rz. 12 unter Bezugnahme auf BGH v. 8.10.2014 – XII ZB 406/13, FamRZ 2015, 42 Rz. 14 = FamRB 2015, 13 [Stößer]).
Gemessen daran fehle es dem Antragsteller nicht an einer unmittelbaren Rechtsbeeinträchtigung. Er sei jedenfalls aufgrund der für ihn nachteiligen Rechtsfolgen, die gem. § 1318 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB im Fall der Eheaufhebung nach § 1314 Abs. 2 Nr. 4 BGB eintreten, unmittelbar in seinen Rechten betroffen (BGH v. 10.7.1996 – XII ZR 49/95, BGHZ 133, 227 = FamRZ 1996, 1209, 1211 zu § 37 Abs. 2 EheG). Gleiches gelte, soweit dem Antragsgegner aufgrund der Entscheidung des AG die für ihn günstigen Rechtsfolgen des § 1318 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB vorenthalten worden seien, die einträten, sofern die Ehe – wie von ihm beantragt – nach der Vorschrift des § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB aufgehoben werde. Schließlich bestehe nach § 1318 Abs. 1 BGB ein Unterhaltsanspruch entsprechend §§ 1569 ff. BGB nur in den ausdrücklich in § 1318 Abs. 2 BGB genannten Fällen. Dies führe hier dazu, dass die Entscheidung für den Antragsgegner nachteilige Folgen habe: Scheide doch für ihn ein nachehelicher Unterhaltsanspruch mangels Vorliegens eines Aufhebungsgrunds nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB aus, hingegen komme ein solcher für die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner aufgrund der Aufhebung der Ehe nach § 1314 Abs. 2 Nr. 4 BGB gem. § 1318 Abs. 2 Satz 1 BGB in Betracht. Nach Art. 15 EuUntVO i.V.m. Art. 3 Abs. 1 HUP richte sich der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nach deutschem Recht, weil beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben (BGH v. 19.2.2020 – XII ZB 358/19, FamRZ 2020, 918 Rz. 12 = FamRB 2020, 214 [Dimmler]).
Der Antragsgegner könne in einem folgenden nachehelichen Unterhaltsverfahren die für ihn nachteiligen Rechtsfolgen des § 1318 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB auch nicht unter Berufung auf die vermeintliche Unrichtigkeit der in der Eheaufhebungsentscheidung getroffenen Feststellungen abwenden. Mit Rechtskraft eines stattgebenden Gestaltungsurteils trete die Gestaltungswirkung ein; zugleich erwachse die Feststellung in materielle Rechtskraft, dass das Gestaltungsrecht des Klägers im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestand und die Gestaltungswirkung daher zu Recht eingetreten sei (BGH v. 16.2.2018 – V ZR 148/17, NJW-RR 2018, 552 Rz. 13 = MDR 2018, 786 = MietRB 2018, 140). Der Beschluss nach § 1313 Satz 1 BGB stelle eine solche der materiellen Rechtskraft fähige Gestaltungsentscheidung dar. Werde umgekehrt eine Gestaltungsklage abgewiesen, so wird im Rahmen deren Verfahrensgegenstands festgestellt, dass der Gestaltungsgrund zur Zeit der letzten Tatsachenverhandlung nicht vorgelegen habe. Ein Beschluss, mit dem ein Eheaufhebungsantrag abgewiesen werde, stelle mithin fest, dass der geltend gemachte Eheaufhebungsgrund nicht bestanden habe. Der Antragsgegner könne sich mithin in einem nachehelichen Unterhaltsverfahren nicht mit Erfolg darauf berufen, die vom AG im Eheaufhebungsbeschluss getroffenen Feststellungen zum (Nicht-)Vorliegen eines Eheaufhebungsgrunds nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3 bzw. Nr. 4 BGB seien unzutreffend gewesen.
Ein nachehelicher Unterhaltsanspruch der Ehegatten setzte hier – neben dem Vorliegen eines Unterhaltstatbestands nach §§ 1569 ff. BGB – gem. § 1318 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB voraus, dass zugunsten des Ehegatten, der vom anderen Unterhalt begehre, ein Gestaltungsrecht zur Aufhebung der Ehe nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3 bzw. Nr. 4 BGB bestanden habe. Diese Frage sei nun vom Verfahrensgegenstand des vorliegenden Eheaufhebungsverfahrens umfasst (Voppel in Staudinger, BGB, 2018, Vorbem. §§ 1313 ff. Rz. 35; Helms in Prütting/Helms, FamFG, 6. Aufl., § 126 Rz. 3; Antomo in NK-BGB, 4. Aufl., § 1313 Rz. 14; a.A. M. Otto in BeckOGK/BGB, 1.10.2022, § 1313 Rz. 8) und wäre daher von dem Gericht, das über den nachehelichen Unterhalt zu entscheiden habe, nicht erneut zu prüfen (Lugani in MünchKomm/FamFG, 3. Aufl., § 126 Rz. 4). Von einer solchen Rechtskraftwirkung der Eheaufhebungsentscheidung sei erkennbar auch der Gesetzgeber ausgegangen, der mit der Vorschrift des § 1318 BGB die „rechtspraktischen Folgen einer gerichtlichen Aufhebungsentscheidung“ habe regeln wollen (BT-Drucks. 13/9416, 28).
Der Senat hebt sodann zu Recht hervor, die Rechtsordnung knüpfe bei der Aufhebung der Ehe, im Gegensatz zur Rechtslage bei der Ehescheidung unterschiedliche Rechtsfolgen daran, ob die Aufhebung der Ehe auf den Antrag (§ 1316 Abs. 1 Nr. 2 BGB) der Antragstellerin oder des Antragsgegners ausgesprochen werde.
Schließlich weist der Senat zutreffend darauf hin, dass sich die Aufhebbarkeit der Ehe nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB für jeden Ehegatten nach seinem Heimatrecht richte, mit der Folge, dass die Aufhebung hier afghanischem Recht unterliege. Die Anwendung dieses ausländischen Rechts werde ggf. nach Art. 6 Satz 2 EGBGB am ordre public zu messen seien (Kaiser, FamRZ 2013, 77, 82 ff. zur Zwangsehe).