BGH, Urt. 10.7.2024 - VIII ZR 276/23
Kündigungsbeschränkung bei Wohnungserwerb: keine Ausnahme bei Cousins
Autor: RA Dr. Rainer Burbulla, Langguth & Burbulla Rechtsanwälte PartG mbB, Düsseldorf
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 10/2024
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 10/2024
Als Familienangehörige i.S.d. § 577a Abs. 1a S. 2 BGB (Ausnahme von der Kündigungsbeschränkung bei einem Wohnungserwerb) sind – ebenso wie im Falle der Eigenbedarfskündigung gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB – ausschließlich diejenigen Personen anzusehen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen gem. § 383 ZPO, § 52 StPO zusteht. Ein entfernterer Verwandter, der – wie ein Cousin – hiernach nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, gehört deshalb selbst im Falle einer engen persönlichen Verbundenheit nicht zu dem von den vorbezeichneten Bestimmungen privilegierten Personenkreis (Fortführung von BGH v. 2.9.2020 – VIII ZR 35/19, MDR 2020, 1310 = MietRB 2020, 353 [Abramenko]; BGH v. 27.1.2010 – VIII ZR 159/09, MDR 2010, 563 = MietRB 2010, 97 [Schach]).
BGB §§ 577a Abs. 1 a, Abs. 2, 573 Abs. 2 Nr. 2
Die Eigenbedarfskündigung sei aber deshalb unwirksam, weil sie vor Ablauf der Sperrfrist des § 577a Abs. 1a S. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 2 der Kündigungsschutzklausel-Verordnung des Landes Berlin erfolgt sei. Auf § 577a Abs. 1a S. 2 BGB (Privilegierung von Familien- und Haushaltsangehörigen) könne sich die GbR nicht berufen. Denn diese Ausnahme gelte nur für Personen, denen das Prozessrecht ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen gewährt (§§ 383 ZPO, 52 StPO), unabhängig vom Vorliegen eines tatsächlichen Näheverhältnisses Familienangehörige gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, zu deren Gunsten eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen werden kann (Hinweis auf BGH v. 2.9.2020 – VIII ZR 35/19, MDR 2020, 1310 = MietRB 2020, 353 [Abramenko]). Ein entfernterer Verwandter, der – wie ein Cousin – nicht nach §§ 383 ZPO, 52 StPO zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, gehöre somit auch dann nicht zu dem von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB privilegierten Personenkreis, wenn zwischen ihm und dem Vermieter eine enge persönliche Bindung besteht.
BGB §§ 577a Abs. 1 a, Abs. 2, 573 Abs. 2 Nr. 2
Das Problem
Die nunmehrige Vermieterin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), erwarb mit notariellem Kaufvertrag das Gebäude, in dem die Mieter seit 2009 eine Wohnung gemietet hatten. Im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs in 2014 bestand die GbR aus zwei Gesellschaftern, die Cousins waren. In 2021 kündigte die GbR den Wohnraummietvertrag wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters, der die Wohnung für sich und seine Ehefrau benötigt. Mit ihrer Klage verlangt die GbR Räumung und Herausgabe. Das AG hat die Klage abgewiesen, das LG hat die Beklagten zur Räumung und Herausgabe verurteilt (MietRB 2024, 99 [Horst]).Die Entscheidung des Gerichts
Der Senat verneint einen Räumungs- und Herausgabeanspruch der Vermieterin aus §§ 546 Abs. 1, 985 BGB. Die Eigenbedarfskündigung habe das Mietverhältnis nicht beendet. Zunächst könne sich eine GbR grundsätzlich auf den Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter berufen (Hinweis auf BGH v. 21.3.2018 – VIII ZR 104/17, MDR 2018, 584 = MietRB 2018, 162 [Häublein]). Die Frage, ob sich nach Inkrafttreten des Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (Art. 137 S. 1 MoPeG) am 1.1.2024 etwas anderes ergebe, lässt der Senat offen, da die Kündigung im Jahre 2021 ausgesprochen wurde und das Mietverhältnis mit Wirkung zum 31.5.2022, mithin vor dem Inkrafttreten des MoPeG, beendet hätte. Die Geltendmachung des Eigenbedarfs sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die GbR nicht allein zur Befriedigung des eigenen Wohnbedarfs ihrer Gesellschafter gegründet worden, sondern sie vielmehr auch (immobilien-)wirtschaftlich tätig sei. Eine analoge Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB sei in diesen Fällen nur dann zu verneinen, wenn der Gesellschaftszweck der (Außen-)GbR derart prägend ist, dass der personale Bezug der Gesellschafter zu der Gesellschaft und damit auch deren persönliches Nutzungsbedürfnis vollständig in den Hintergrund tritt und ein Mieter schon aufgrund dieses Gesellschaftszwecks redlicherweise nicht mit einem möglichen Eigenbedarf eines Gesellschafters oder dessen Angehörigen rechnen muss (Hinweis u.a. auf BGH v. 21.3.2018 – VIII ZR 104/17, MDR 2018, 584 = MietRB 2018, 162 [Häublein]). Eine derartige Situation folge nicht allein aus dem Umstand, dass die GbR Eigentümer mehrerer Wohnungen sei.Die Eigenbedarfskündigung sei aber deshalb unwirksam, weil sie vor Ablauf der Sperrfrist des § 577a Abs. 1a S. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 2 der Kündigungsschutzklausel-Verordnung des Landes Berlin erfolgt sei. Auf § 577a Abs. 1a S. 2 BGB (Privilegierung von Familien- und Haushaltsangehörigen) könne sich die GbR nicht berufen. Denn diese Ausnahme gelte nur für Personen, denen das Prozessrecht ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen gewährt (§§ 383 ZPO, 52 StPO), unabhängig vom Vorliegen eines tatsächlichen Näheverhältnisses Familienangehörige gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, zu deren Gunsten eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen werden kann (Hinweis auf BGH v. 2.9.2020 – VIII ZR 35/19, MDR 2020, 1310 = MietRB 2020, 353 [Abramenko]). Ein entfernterer Verwandter, der – wie ein Cousin – nicht nach §§ 383 ZPO, 52 StPO zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, gehöre somit auch dann nicht zu dem von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB privilegierten Personenkreis, wenn zwischen ihm und dem Vermieter eine enge persönliche Bindung besteht.