BGH, Urt. 11.11.2020 - VIII ZR 191/18

Beendigung eines an ein (unbefristetes) Arbeits- oder Dienstverhältnis geknüpftes Mietverhältnis

Autor: RA VorsRiLG a.D. Klaus Schach, Berlin
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 02/2021
Eine Klausel, die die Beendigung eines Mietvertrags an die Beendigung eines (unbefristeten) Arbeits- oder Dienstverhältnisses knüpft, stellt eine auflösende Bedingung dar. Auf eine solche auflösende Bedingung kann sich der Vermieter von Wohnraum nach § 572 Abs. 2 BGB nicht berufen.

BGB § 572 Abs. 2, § 313, § 779

Das Problem

Die Beklagte zu 1 und ihr seit längerer Zeit als Diakon im kirchlichen Dienst beschäftigter Ehemann hatten 1977 ein Reihenhaus von der Klägerin (Kirchenamt) gemietet. Im Mietvertrag war mit Rücksicht auf die Beschäftigung des Ehemanns als Diakon in einer Anlage vorgesehen: „Das Mietverhältnis endet ohne weiteres mit dem Ausscheiden aus dem kirchlichen Dienst“.

Als der Ehemann zum 1.10.2002 in den Ruhestand trat, wurde das Mietverhältnis mit Rücksicht auf die Beschäftigung auch der Beklagten zu 1 im kirchlichen Dienst fortgesetzt. Seit dem Tod ihres Ehemannes bewohnt die Beklagte zu 1 das Haus weiter mit den Beklagten zu 2 und 3 (volljährige Sohn und Tochter). Die Beklagte zu 1 wurde zum 31.5.2015 in den Ruhestand versetzt.

In der Folgezeit kam es zu Korrespondenzen und Gesprächen zwischen den Mietvertragsparteien bezüglich der Räumung des Hauses. Die Beklagten zogen jedoch nicht aus. Sie vertraten die Auffassung, dass eine verbindliche Vereinbarung, insbesondere eine solche über eine einvernehmliche Aufhebung des Mietvertrags, nicht geschlossen worden sei. Zumindest sei eine etwaige Vereinbarung deshalb unwirksam, weil sie hiervon wegen Fehlens der Geschäftsgrundlage zurückgetreten seien bzw. die Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung nach § 123 BGB erklärt hätten.

Die Klägerin hat im Räumungsprozess hilfsweise die Kündigung des Mietverhältnisses erklärt. Die auf Räumung und Herausgabe des Reihenhauses gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH hob das landgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache zurück. Mit der Begründung des LG, es sei eine Vereinbarung dahin getroffen worden, dass die Beklagten das von ihnen bewohnte Reihenhaus herauszugeben hätten, könne ein Rücktritt der Beklagten von dieser Vereinbarung wegen Fehlens der Geschäftsgrundlage nicht verneint werden. Das Berufungsgericht war fehlerhaft der Ansicht, über die Frage, wann der Mietvertrag ende, habe eine Unsicherheit i.S.d. § 779 BGB bestanden, deren Beilegung die Vereinbarung gedient habe. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts könne ein gemeinsamer Irrtum der Parteien über den Fortbestand des Mietverhältnisses Geschäftsgrundlage der Vereinbarung vom April 2015 gewesen sein, auf den der Geschäftswille der Parteien aufgebaut habe.

Allerdings sei in der Rechtsprechung des BGH anerkannt, dass ein „reiner“ Rechtsirrtum der Parteien ohne jeden Irrtum über Tatsachen grundsätzlich nicht zur Unwirksamkeit eines Vergleichs (§ 779 BGB) führe, weil es dann an einem Irrtum über einen als feststehend zugrunde gelegten Sachverhalt fehle (u.a. BGH v. 7.6.1961 – VIII ZR 69/60, MDR 1961, 848 = NJW 1961, 1460 unter 3. c). Es sei auch anerkannt, dass ein „reiner“ Rechtsirrtum im Rahmen des § 779 BGB nicht bejaht werden könne, wenn dieser in einem gewissen Zusammenhang auch mit tatsächlichen Fragen stehe (u.a. BGH v. 21.12.2006 – VII ZR 275/05, MDR 2007, 649 = NJW 2007, 838 Rz. 10). Jedenfalls stelle eine Klausel, die die Beendigung eines Mietvertrags an die Beendigung eines (unbefristeten) Arbeits-oder Dienstverhältnisses – also an den Eintritt eines ungewissen Ereignisses – knüpfe, eine auflösende Bedingung dar. Auf eine solche auflösende Bedingung könne sich der Vermieter von Wohnraum jedoch gem. § 572 Abs. 2 BGB nicht berufen. Das bedeute, dass es für die Annahme eines Fortbestandes des Mietverhältnisses jedenfalls ausreiche, wenn der Mieter deutlich mache, nicht ausziehen und damit die Beendigung nicht gegen sich gelten lassen zu wollen, wie es hier die Beklagte zu 1 getan habe. Ob in einem solchen Fall die auflösende Bedingung unwirksam sei oder der Vermieter sich lediglich so behandeln lassen müsse, als sei die Bedingung nicht eingetreten, könne deshalb dahinstehen. Denn das Mietverhältnis werde in einem solchen Fall im Verhältnis der Parteien unverändert fortgesetzt.

Der BGH hat zudem noch eine wirksame Anfechtung der Vereinbarung wegen widerrechtlicher Drohung (§ 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB) bejaht.


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