BGH, Urt. 12.5.2022 - I ZR 203/20
Irreführung durch unwahre Angaben – Webshop Awards
Autor: RAin, FAin IT-Recht Maria-Urania Dovas, LL.M., Langwieser Rechtsanwälte, München
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 09/2022
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 09/2022
1. Eine geschäftliche Handlung, die eine i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 UWG unwahre Angabe enthält, kann unabhängig davon i.S.v. § 5 Abs. 1 UWG irreführend sein, ob diese Angabe einen der in § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UWG aufgeführten Umstände betrifft (Bestätigung von BGH, Urt. v. 19.4.2018 – I ZR 244/16, GRUR 2018, 950 Rz. 41 = WRP 2018, 1069 – Namensangabe; Urt. v. 6.6.2019 – I ZR 216/17, GRUR 2019, 1202 Rz. 20 = WRP 2019, 1471 – Identitätsdiebstahl I).2. Die fehlende Unabhängigkeit oder Neutralität des Veranstalters einer Konsumentenbefragung kann nicht allein daraus gefolgert werden, dass der Veranstalter den zu bewertenden Unternehmen Werbematerialien zur Verfügung stellt, mithilfe derer Verbraucher zur Abgabe einer Bewertung aufgefordert werden können. Zweifel an der Objektivität einer Verbraucherbefragung können sich allerdings dann ergeben, wenn die Werbematerialien geeignet sind, die von den Kunden abzugebende qualitative Bewertung der Unternehmen oder das Abstimmungsergebnis zu beeinflussen.
UWG §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2, 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2
Täuschung: Eine Geschäftspraxis gelte als irreführend, wenn sie falsche Angaben enthalte und somit unwahr sei oder wenn sie in irgendeiner Weise, einschließlich sämtlicher Umstände ihrer Präsentation, selbst mit sachlich richtigen Angaben den Durchschnittsverbraucher täusche oder ihn zu täuschen geeignet sei. Dabei erfasse § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UWG nicht nur unwahre Tatsachenbehauptungen, sondern auch Meinungsäußerungen, die zur Täuschung des Durchschnittsverbrauchers geeignet seien. Eine geschäftliche Handlung, die eine i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 UWG unwahre Angabe enthalte, könne unabhängig davon irreführend sein, ob diese Angabe einen der in Fall 2 aufgeführten Umstände betreffe.
Keine fehlende Objektivität: Eine Irreführung liege dann vor, wenn das Verständnis, das eine Angabe bei den Verkehrskreisen erwecke, an die sie sich richte, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Dabei komme es darauf an, welchen Gesamteindruck die geschäftliche Handlung bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorrufe. Vorliegend fehle es an der vertieften Auseinandersetzung mit der Frage, welches Verständnis die beanstandete Werbung bei den damit angesprochenen Verkehrskreisen erwecke. Zu den Erwartungen von Verbrauchern an Tests zähle insb., dass sie objektiv, neutral, sachkundig und repräsentativ durchgeführt würden. Die Folgerung des Berufungsgerichts, dass es vorliegend an der Unabhängigkeit des Testveranstalters fehle, weil dieser Werbepakete verkaufe, sei abzulehnen. Es könnten sich zwar Zweifel an der Objektivität eines Tests oder einer Kundenbefragung ergeben, wenn auf das Abstimmungsverhalten Einfluss genommen werden solle. Eine entsprechende Beeinflussung des Abstimmungsverhaltens oder des Abstimmungsergebnisses habe das Berufungsgericht aber weder festgestellt noch seien diese sonst erkennbar.
Keine Irreführung durch Verkauf von Werbematerialien: Annahmen, die den Schluss rechtfertigten, dass der Verkauf von Werbematerialien an sich ein mittelbarer Anreiz für den Veranstalter sei, diejenigen Unternehmen zu bevorzugen, die mehr Werbepakete gekauft hätten, lägen nicht vor. Es sei nicht erkennbar, dass und in werblicher Weise sich der Kauf solcher Materialien auf den Umgang des Testveranstalters mit den teilnehmenden Unternehmen auswirken könne. Auch eine Verbesserung der „Chancen“ – und um welche Chancen es überhaupt gehe –, sei unklar.
UWG §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2, 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2
Das Problem
Die Berufsvertretung der Apotheker im Bezirk Nordrhein ging gegen eine in den Niederlanden ansässige Versandapotheke vor, die darauf spezialisiert war, Arzneimittel nach Deutschland zu liefern. Die beklagte Versandapotheke hatte 2019 in verschiedenen Werbespots als „beste Online-Apotheke Deutschlands“ geworben. In sehr kleiner Schrift war der Hinweis angefügt, dass es sich um das Ergebnis einer von dritter Seite durchgeführten Onlinebefragung handelte, bei der Verbraucher in Deutschland jährlich die besten Handelsketten und Onlineshops in verschiedenen Kategorien wählen. Der Apothekerverband mahnte die Versandapotheke wegen der Werbung ab, woraufhin diese eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab. Es folgten weitere Werbespots mit dem Zusatz „Von Verbrauchern gewählt!“. Auch wegen dieser Werbung mahnte der Verband die Apotheke ab und forderte sie zur Zahlung einer Vertragsstrafe auf, was sie zurückwies.Die Entscheidung des Gerichts
Die Revision der beklagten Apotheke gegen die stattgebenden Urteile der Vorinstanzen hatte Erfolg. Es sei keine irreführende geschäftliche Handlung i.S.v. § 5 Abs. 1 UWG anzunehmen.Täuschung: Eine Geschäftspraxis gelte als irreführend, wenn sie falsche Angaben enthalte und somit unwahr sei oder wenn sie in irgendeiner Weise, einschließlich sämtlicher Umstände ihrer Präsentation, selbst mit sachlich richtigen Angaben den Durchschnittsverbraucher täusche oder ihn zu täuschen geeignet sei. Dabei erfasse § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UWG nicht nur unwahre Tatsachenbehauptungen, sondern auch Meinungsäußerungen, die zur Täuschung des Durchschnittsverbrauchers geeignet seien. Eine geschäftliche Handlung, die eine i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 UWG unwahre Angabe enthalte, könne unabhängig davon irreführend sein, ob diese Angabe einen der in Fall 2 aufgeführten Umstände betreffe.
Keine fehlende Objektivität: Eine Irreführung liege dann vor, wenn das Verständnis, das eine Angabe bei den Verkehrskreisen erwecke, an die sie sich richte, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Dabei komme es darauf an, welchen Gesamteindruck die geschäftliche Handlung bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorrufe. Vorliegend fehle es an der vertieften Auseinandersetzung mit der Frage, welches Verständnis die beanstandete Werbung bei den damit angesprochenen Verkehrskreisen erwecke. Zu den Erwartungen von Verbrauchern an Tests zähle insb., dass sie objektiv, neutral, sachkundig und repräsentativ durchgeführt würden. Die Folgerung des Berufungsgerichts, dass es vorliegend an der Unabhängigkeit des Testveranstalters fehle, weil dieser Werbepakete verkaufe, sei abzulehnen. Es könnten sich zwar Zweifel an der Objektivität eines Tests oder einer Kundenbefragung ergeben, wenn auf das Abstimmungsverhalten Einfluss genommen werden solle. Eine entsprechende Beeinflussung des Abstimmungsverhaltens oder des Abstimmungsergebnisses habe das Berufungsgericht aber weder festgestellt noch seien diese sonst erkennbar.
Keine Irreführung durch Verkauf von Werbematerialien: Annahmen, die den Schluss rechtfertigten, dass der Verkauf von Werbematerialien an sich ein mittelbarer Anreiz für den Veranstalter sei, diejenigen Unternehmen zu bevorzugen, die mehr Werbepakete gekauft hätten, lägen nicht vor. Es sei nicht erkennbar, dass und in werblicher Weise sich der Kauf solcher Materialien auf den Umgang des Testveranstalters mit den teilnehmenden Unternehmen auswirken könne. Auch eine Verbesserung der „Chancen“ – und um welche Chancen es überhaupt gehe –, sei unklar.