BGH, Urt. 13.1.2022 - I ZR 35/21
Werbekennzeichnungspflicht von Influencerbeiträgen bei Erhalt einer Gegenleistung – Influencer III
Autor: RA Dr. Geert Johann Seelig, Fachanwalt für gewerblichen RechtsschutzLuther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 05/2022
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 05/2022
Fördert eine Influencerin durch einen Instagrambeitrag über Waren oder Dienstleistungen den Absatz eines fremden Unternehmens, so handelt sie unlauter i.S.d. § 5a Abs. 6 UWG, wenn ihr diese Waren oder Dienstleistungen kostenlos zur Verfügung gestellt worden sind.Hierbei handelt es sich um kommerzielle Kommunikation in Sinne des TMG und Werbung im Sinne der RStV/MStV.§ 5a Abs. 6 UWG ist im Lichte dieser medienrechtlichen Regelungen auszulegen, da es sich bei diesen um vorrangige Spezialvorschriften handelt.
UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 u. 4, § 5a Abs. 6, § 8 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 3 Nr. 2; TMG § 1 Abs. 1 S. 1, § 2 S. 1 Nr. 1 u. 5., § 6 Abs. 1 Nr. 1; RStV § 58 Abs. 1; MStV § 22 Abs. 1 S. 1
Vorliegend beanstandete die Klägerin drei im Oktober 2019 abrufbare Veröffentlichungen als unlauter, da sie nicht als Werbung gekennzeichnet worden seien – wie hier geschehen:
Eine finanzielle Gegenleistung erhielt die Beklagte nicht; ihr wurden jedoch die abgebildeten Modeartikel kostenlos überlassen.
Das LG Köln hat der Klage auf Unterlassung und Zahlung einer Vertragsstrafe stattgegeben; das OLG Köln hat die Berufung zurückgewiesen. Bei den streitgegenständlichen Posts handele es sich um geschäftliche Handlungen zugunsten fremder und eigener Unternehmen. Es bestehe hier die Vermutung einer kommerziellen Zwecksetzung, die die Beklagte nicht entkräftet habe. Die fehlende Werbekennzeichnung sei auch nicht entbehrlich, da sich die kommerzielle Zwecksetzung nicht unmittelbar aus den Umständen ergebe.
Geschäftliche Handlungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG: Die Beklagte habe zugunsten des eigenen Unternehmens gehandelt. Nach der Rechtsprechung des Senats sei der Betrieb eines Instagram-Profils objektiv geeignet, das Unternehmen eines Influencers selbst zu fördern, wenn sich dadurch dessen Bekanntheit und Werbewert steigerten und das Interesse von Drittunternehmen an einer Kooperation mit dem Influencer geweckt werde. Dem stehe auch nicht entgegen, dass auf dem Instagram-Profil redaktionelle Beiträge veröffentlicht würden. Denn in einer solchen Konstellation diene die Veröffentlichung redaktioneller Beiträge in erster Linie dem Ziel, geschäftliche Entscheidungen von Verbrauchen in Bezug auf Produkte des eigenen Unternehmens zu beeinflussen.
Es liege zudem eine geschäftliche Handlung zugunsten fremder Unternehmen vor. Grundsätzlich sei der Erhalt einer Gegenleistung ein starkes Indiz für das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung. Doch selbst wenn für eine scheinbare redaktionelle Veröffentlichung keine Gegenleistung von einem fremden Unternehmen erfolgt sei, könne es sich um eine geschäftliche Handlung zugunsten fremder Unternehmen handeln, wenn der Betrag einen werblichen Überschuss enthalte. Ein solcher werblicher Überschuss bestehe zwar regelmäßig noch nicht im Setzen des „Tap Tags“, sondern erst in der Verlinkung auf die Internetseite des Herstellers. Diese Annahme gründe darauf, dass der Leser durch die Verlinkung direkt in den werblichen Einflussbereich des Herstellerunternehmens gebracht und der Zugang der Verbraucher zu den Produkten des Drittunternehmens erleichtert und beschleunigt werde.
Unlauterkeit nach § 5a Abs. 6 UWG: Die geschäftlichen Handlungen dienten kommerziellen Zwecken i.S.d. § 5a Abs. 6 UWG. Denn der kommerzielle Zweck sei anhand der gleichen Indizien wie bei der Prüfung der geschäftlichen Handlung i.S.d. § 2 UWG zu bestimmen.
Zudem sei die fehlende Kenntlichmachung des kommerziellen Zwecks zugunsten fremder Unternehmen nicht entbehrlich gewesen; im Hinblick auf die Förderung des eigenen Unternehmens schon. Eine Kennzeichnung des kommerziellen Zwecks sei dann nicht erforderlich, wenn das äußere Erscheinungsbild der geschäftlichen Handlung so gestaltet werde, dass durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame und verständige Verbraucher den kommerziellen Zweck klar und eindeutig auf den ersten Blick erkennen könnten.
Aufgrund der Vermischung von werblichen und redaktionellen Elementen auf dem Account der Beklagten ergebe sich der kommerzielle Zweck zugunsten fremder Unternehmen nicht unmittelbar aus den Umständen.
Zudem stelle der Klick auf den „Tap Tag“, mit dem sich der Verbraucher das Instagram-Profil des verlinkten Unternehmens anzeigen lassen, eine geschäftliche Entscheidung dar, zu deren Veranlassung die Nichtkenntlichmachung geeignet sei.
Medienrechtliche Spezialregelungen: Jedoch sei eine geschäftliche Handlung, die den Tatbestand des § 5a Abs. 6 UWG erfülle, nicht als unlauter anzusehen, wenn sie den Erfordernissen der §§ 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG, 58 Abs. 1 S. 1 RStV und 22 Abs. 1 S. 1 MStV genügten. Denn bei diesen handele es sich um vorrangige medienrechtliche Spezialvorschriften. Nach diesen Vorschriften müsse kommerzielle Kommunikation bzw. Werbung klar als solche zu erkennen sein. Kommerzielle Kommunikation bzw. Werbung zugunsten fremder Unternehmen liege jedoch nur dann vor, wenn der Influencer für seinen Beitrag ein Entgelt oder eine andere Gegenleistung erhielte. Darunter fielen nicht nur geldwerte Vorteile, sondern auch irgendeine Art von Gegenleistung, wie die kostenlose Bereitstellung des von der Beklagten vorgestellten Modeprodukts. Denn die medienrechtlichen Vorschriften dienten dem Zweck, einer Irreführung des Empfängers über die Motivation, den Zweck und dem Zustandekommen eines Beitrags vorzubeugen. Stelle das durch den Instagram-Beitrag begünstigte Unternehmen das Produkt kostenlos und in der naheliegenden Erwartung bereit, dass die Influencerin über das Produkt berichten werde, werde der Beitrag gegen eine Gegenleistung gemacht.
Zudem bestehe auch keine „Geringfügigkeitsgrenze“, bei dessen Unterschreiten der Beitrag ausnahmsweise nicht zu kennzeichnen wäre. Zwar existiere eine solche nach §§ 2 Abs. 2 Nr. 11 RStV, 2 Abs. 2 Nr. 12 MStV bei Produktplatzierungen. Für eine analoge Anwendung fehle indes schon eine planwidrige Regelungslücke.
UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 u. 4, § 5a Abs. 6, § 8 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 3 Nr. 2; TMG § 1 Abs. 1 S. 1, § 2 S. 1 Nr. 1 u. 5., § 6 Abs. 1 Nr. 1; RStV § 58 Abs. 1; MStV § 22 Abs. 1 S. 1
Das Problem
Die Klägerin ist der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. Bei der Beklagten handelt es sich um die Influencerin Diana zur Löwen, die mittlerweile eine siebenstellige Anzahl von „Followern“ auf Instagram hat. Nachdem sie im Juli 2018 auf dieser Plattform mehrere, mit Tap Tags versehene Bilder von sich selbst und verschiedener Modeaccessoires veröffentlichte, mahnte die Klägerin sie ab. Bei „Tap Tags“ handelt es sich um Verlinkungen, die erst nach Auslösen eines Klicks auf das Bild erscheinen. Klickt der Nutzer dann auf den Link, so wird er auf die Instagram-Seite des verlinkten Unternehmens weitergeleitet. Die Beklagte unterwarf sich daraufhin einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung.Vorliegend beanstandete die Klägerin drei im Oktober 2019 abrufbare Veröffentlichungen als unlauter, da sie nicht als Werbung gekennzeichnet worden seien – wie hier geschehen:
Eine finanzielle Gegenleistung erhielt die Beklagte nicht; ihr wurden jedoch die abgebildeten Modeartikel kostenlos überlassen.
Das LG Köln hat der Klage auf Unterlassung und Zahlung einer Vertragsstrafe stattgegeben; das OLG Köln hat die Berufung zurückgewiesen. Bei den streitgegenständlichen Posts handele es sich um geschäftliche Handlungen zugunsten fremder und eigener Unternehmen. Es bestehe hier die Vermutung einer kommerziellen Zwecksetzung, die die Beklagte nicht entkräftet habe. Die fehlende Werbekennzeichnung sei auch nicht entbehrlich, da sich die kommerzielle Zwecksetzung nicht unmittelbar aus den Umständen ergebe.
Die Entscheidung des Gerichts
Die Revision wird zurückgewiesen.Geschäftliche Handlungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG: Die Beklagte habe zugunsten des eigenen Unternehmens gehandelt. Nach der Rechtsprechung des Senats sei der Betrieb eines Instagram-Profils objektiv geeignet, das Unternehmen eines Influencers selbst zu fördern, wenn sich dadurch dessen Bekanntheit und Werbewert steigerten und das Interesse von Drittunternehmen an einer Kooperation mit dem Influencer geweckt werde. Dem stehe auch nicht entgegen, dass auf dem Instagram-Profil redaktionelle Beiträge veröffentlicht würden. Denn in einer solchen Konstellation diene die Veröffentlichung redaktioneller Beiträge in erster Linie dem Ziel, geschäftliche Entscheidungen von Verbrauchen in Bezug auf Produkte des eigenen Unternehmens zu beeinflussen.
Es liege zudem eine geschäftliche Handlung zugunsten fremder Unternehmen vor. Grundsätzlich sei der Erhalt einer Gegenleistung ein starkes Indiz für das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung. Doch selbst wenn für eine scheinbare redaktionelle Veröffentlichung keine Gegenleistung von einem fremden Unternehmen erfolgt sei, könne es sich um eine geschäftliche Handlung zugunsten fremder Unternehmen handeln, wenn der Betrag einen werblichen Überschuss enthalte. Ein solcher werblicher Überschuss bestehe zwar regelmäßig noch nicht im Setzen des „Tap Tags“, sondern erst in der Verlinkung auf die Internetseite des Herstellers. Diese Annahme gründe darauf, dass der Leser durch die Verlinkung direkt in den werblichen Einflussbereich des Herstellerunternehmens gebracht und der Zugang der Verbraucher zu den Produkten des Drittunternehmens erleichtert und beschleunigt werde.
Unlauterkeit nach § 5a Abs. 6 UWG: Die geschäftlichen Handlungen dienten kommerziellen Zwecken i.S.d. § 5a Abs. 6 UWG. Denn der kommerzielle Zweck sei anhand der gleichen Indizien wie bei der Prüfung der geschäftlichen Handlung i.S.d. § 2 UWG zu bestimmen.
Zudem sei die fehlende Kenntlichmachung des kommerziellen Zwecks zugunsten fremder Unternehmen nicht entbehrlich gewesen; im Hinblick auf die Förderung des eigenen Unternehmens schon. Eine Kennzeichnung des kommerziellen Zwecks sei dann nicht erforderlich, wenn das äußere Erscheinungsbild der geschäftlichen Handlung so gestaltet werde, dass durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame und verständige Verbraucher den kommerziellen Zweck klar und eindeutig auf den ersten Blick erkennen könnten.
Aufgrund der Vermischung von werblichen und redaktionellen Elementen auf dem Account der Beklagten ergebe sich der kommerzielle Zweck zugunsten fremder Unternehmen nicht unmittelbar aus den Umständen.
Zudem stelle der Klick auf den „Tap Tag“, mit dem sich der Verbraucher das Instagram-Profil des verlinkten Unternehmens anzeigen lassen, eine geschäftliche Entscheidung dar, zu deren Veranlassung die Nichtkenntlichmachung geeignet sei.
Medienrechtliche Spezialregelungen: Jedoch sei eine geschäftliche Handlung, die den Tatbestand des § 5a Abs. 6 UWG erfülle, nicht als unlauter anzusehen, wenn sie den Erfordernissen der §§ 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG, 58 Abs. 1 S. 1 RStV und 22 Abs. 1 S. 1 MStV genügten. Denn bei diesen handele es sich um vorrangige medienrechtliche Spezialvorschriften. Nach diesen Vorschriften müsse kommerzielle Kommunikation bzw. Werbung klar als solche zu erkennen sein. Kommerzielle Kommunikation bzw. Werbung zugunsten fremder Unternehmen liege jedoch nur dann vor, wenn der Influencer für seinen Beitrag ein Entgelt oder eine andere Gegenleistung erhielte. Darunter fielen nicht nur geldwerte Vorteile, sondern auch irgendeine Art von Gegenleistung, wie die kostenlose Bereitstellung des von der Beklagten vorgestellten Modeprodukts. Denn die medienrechtlichen Vorschriften dienten dem Zweck, einer Irreführung des Empfängers über die Motivation, den Zweck und dem Zustandekommen eines Beitrags vorzubeugen. Stelle das durch den Instagram-Beitrag begünstigte Unternehmen das Produkt kostenlos und in der naheliegenden Erwartung bereit, dass die Influencerin über das Produkt berichten werde, werde der Beitrag gegen eine Gegenleistung gemacht.
Zudem bestehe auch keine „Geringfügigkeitsgrenze“, bei dessen Unterschreiten der Beitrag ausnahmsweise nicht zu kennzeichnen wäre. Zwar existiere eine solche nach §§ 2 Abs. 2 Nr. 11 RStV, 2 Abs. 2 Nr. 12 MStV bei Produktplatzierungen. Für eine analoge Anwendung fehle indes schon eine planwidrige Regelungslücke.