BGH, Urt. 13.1.2022 - I ZR 35/21
Influencer III
Autor: RA, FA IT-Recht Dr. Kay Oelschlägel, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 06/2022
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 06/2022
Fördert eine Influencerin durch einen Bericht über Waren oder Dienstleistungen in sozialen Medien (hier: Instagram) den Absatz eines fremden Unternehmens, so handelt es sich um kommerzielle Kommunikation i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b TMG und Werbung i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV und § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV, wenn ihr die Waren oder Dienstleistungen von dem durch den Bericht begünstigten Unternehmen kostenlos zur Verfügung gestellt wurden.
UWG §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 5a Abs. 6, 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2; TMG §§ 2 Satz 1 Nr. 1 und 5, 6 Abs. 1 Nr. 1; RStV § 58 Abs. 1 Satz 1; MStV § 22 Abs. 1 Satz 1
Unlautere geschäftliche Handlung: Nach § 5a Abs. 6 UWG handle unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich mache, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergebe, und das Nichtkenntlichmachen geeignet sei, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Für die Erkennbarkeit des gewerblichen Zwecks nicht ausreichend sei es, wenn sich der werbliche Charakter eines Beitrags dem Verbraucher erst erschließe, wenn er ihn bereits zur Kenntnis genommen habe, denn dann sei er der Werbebotschaft unvorbereitet ausgesetzt gewesen und der Anlockwirkung bereits erlegen, die das Kennzeichnungsgebot gerade unterbinden solle.
Keine Erkennbarkeit des kommerziellen Zwecks: Der Annahme, der kommerzielle Zweck einzelner Beiträge, fremde Unternehmen zu fördern, ergebe sich bereits aus den Umständen, könne die häufig anzutreffende Vermischung nicht-werblicher und werblicher Beiträge entgegenstehen. Bei einer solchen Vermischung ergebe sich der kommerzielle Zweck nicht bereits aus einer etwaigen Verifizierung des Profils, einer besonders hohen Followerzahl oder einer generellen Bekanntheit des Influencers. Hinsichtlich der Erkennbarkeit der Tätigkeit zugunsten des eigenen Unternehmens des Influencers könne diesen Umständen hingegen durchaus Bedeutung zukommen. Auch das allgemeine Wissen von Nutzern darüber, dass Blogger auf Instagram häufig durch Werbekooperationen finanziert würden, stehe einer Pflicht zur Kennzeichnung einzelner Beiträge als Werbung für Drittunternehmen nicht entgegen. Nach diesen Grundsätzen ergebe sich der kommerzielle Zweck der geschäftlichen Handlung zugunsten der in den streitgegenständlichen Beiträgen bezeichneten Drittunternehmen nicht unmittelbar aus den Umständen.
Beeinflussung der Verbraucherentscheidung: Die Nichtkenntlichmachung des kommerziellen Zwecks der geschäftlichen Handlung zugunsten der Drittunternehmen sei auch geeignet gewesen, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Die Entscheidung des Verbrauchers, sich näher mit dem Instagram-Beitrag zu befassen und sich durch einen ersten Klick auf die Abbildung des Produkts den Tap Tag anzeigen zu lassen, stelle zwar noch keine geschäftliche Entscheidung dar. Hingegen erfülle der zweite Klick, mit dem sich der Verbraucher das Instagram-Profil des verlinkten Unternehmens anzeigen lasse, die Anforderungen an eine geschäftliche Entscheidung. Dabei komme es nicht darauf an, dass die Verlinkungen nicht unmittelbar zu einem Produkt führten. Es reiche aus, dass der Verbraucher sich näher mit dem jeweiligen Unternehmen und seinen Produkten habe auseinandersetzen können.
Vorrangige Spezialvoschriften: Eine geschäftliche Handlung, die die Voraussetzungen des § 5a Abs. 6 UWG erfülle, sei jedoch nicht als unlauter anzusehen, wenn sie den Erfordernissen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG sowie des § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV und § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV genüge, da es sich bei diesen um vorrangige Spezialvorschriften handle, deren Wertungen durch das Lauterkeitsrecht nicht unterlaufen werden dürften.
Geldwerte Gegenleistung: Sowohl nach der alten als auch nach der neuen Fassung des § 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b TMG liege kommerzielle Kommunikation zugunsten fremder Unternehmen nicht vor, wenn die Angaben unabhängig und insb. ohne finanzielle Gegenleistung gemacht würden. Für Eigenwerbung gelte die Ausnahmeregelung des § 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b TMG hingegen nicht, so dass es hierbei nicht auf die Unabhängigkeit einer Angabe, insb. das Fehlen einer Gegenleistung, ankomme. Unabhängig erfolgende Informationen zu Produkten, etwa auch Testberichte, seien damit nicht als Werbung kennzeichnungspflichtig. Dem Schutzzweck der in Nr. 11 Satz 1 Anh. zur RL 2005/29/EG vorgesehenen Regelung und der in Art. 6 Buchst. a i.V.m. Art. 2 Buchst. f RL 2000/31/EG niedergelegten Transparenzanforderungen sei zu entnehmen, dass der Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen dienende Angaben einer Influencerin mangels Unabhängigkeit als kommerzielle Kommunikation i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 5 TMG anzusehen seien, wenn der hierdurch begünstigte Unternehmer zwar keine Geldzahlung geleistet, jedoch das dargestellte Produkt der Influencerin kostenlos zur Verfügung gestellt habe. Der Bezug zwischen Bericht und geldwertem Vorteil werde hier durch die naheliegende und daher regelmäßig anzunehmende Erwartung des Unternehmens hergestellt, dass die Influencerin über das Produkt in einem Beitrag berichten werde. Das Bewirken einer Gegenleistung stelle nur einen Unterfall der fehlenden Unabhängigkeit i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b TMG dar, wie auch der Wortlaut „insbesondere“ verdeutliche. Der Schutzzweck der Regelung verlange daher auch die Erfassung der Gewährung geldwerter Vorteile, mit denen Beiträge gerade erst veranlasst werden sollten, ohne dass zuvor eine Vereinbarung getroffen wurde. Nichts anderes ergebe sich aus der Anwendung des RStV und MStV. Die Werbung zugunsten der Unternehmen, die ihre Produkte der Influencerin unentgeltlich zur Verfügung gestellt haben, sei entgegen § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV und § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV nicht als solche klar erkennbar. Dem vorgenannten Schutzzweck der Regelungen entsprechend sei unter einem Entgelt oder einer ähnlichen Gegenleistung i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV und § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV neben Geld- oder Sachleistungen jede geldwerte Gegenleistung zu verstehen. Der Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen dienende Angaben einer Influencerin seien daher als Werbung i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV und § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV anzusehen. Eine für geldwerte Vorteile geltende Geringfügigkeitsschwelle sei weder in § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV noch § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV vorgesehen.
UWG §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 5a Abs. 6, 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2; TMG §§ 2 Satz 1 Nr. 1 und 5, 6 Abs. 1 Nr. 1; RStV § 58 Abs. 1 Satz 1; MStV § 22 Abs. 1 Satz 1
Das Problem
Ein Verband nimmt eine bekannte Influencerin auf Unterlassung sowie Zahlung einer Vertragsstrafe in Anspruch. Die Influencerin betreibt ein eigenes Profilkonto auf den Plattformen Instagram und YouTube mit jeweils einer hohen sechsstelligen Anzahl von Abonnenten und Seitenaufrufen. Auf ihrem Instagram-Profil veröffentlichte die Influencerin im Juli 2018 Fotos von sich, die Modeartikel und -accessoires zeigten und mit elektronischen Markierungen („Tap Tags“) versehen waren, aus denen der Hersteller oder Dienstleister hervorging. Beim Anklicken der Tap Tags wurde der Nutzer auf die jeweiligen Profilseiten dieser Unternehmen geleitet. Nach Abmahnung durch den Verband verpflichtete sich die Influencerin im August 2018 zur Unterlassung. Wegen erneuter Posts auf dem Instagram-Profil fordert der Verband von der Influencerin die Zahlung einer Vertragsstrafe i.H.v. 10.200 € und die Abgabe einer neuen strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung.Die Entscheidung des Gerichts
Die Revision gegen die stattgebenden Urteile der Vorinstanzen habe keinen Erfolg.Unlautere geschäftliche Handlung: Nach § 5a Abs. 6 UWG handle unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich mache, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergebe, und das Nichtkenntlichmachen geeignet sei, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Für die Erkennbarkeit des gewerblichen Zwecks nicht ausreichend sei es, wenn sich der werbliche Charakter eines Beitrags dem Verbraucher erst erschließe, wenn er ihn bereits zur Kenntnis genommen habe, denn dann sei er der Werbebotschaft unvorbereitet ausgesetzt gewesen und der Anlockwirkung bereits erlegen, die das Kennzeichnungsgebot gerade unterbinden solle.
Keine Erkennbarkeit des kommerziellen Zwecks: Der Annahme, der kommerzielle Zweck einzelner Beiträge, fremde Unternehmen zu fördern, ergebe sich bereits aus den Umständen, könne die häufig anzutreffende Vermischung nicht-werblicher und werblicher Beiträge entgegenstehen. Bei einer solchen Vermischung ergebe sich der kommerzielle Zweck nicht bereits aus einer etwaigen Verifizierung des Profils, einer besonders hohen Followerzahl oder einer generellen Bekanntheit des Influencers. Hinsichtlich der Erkennbarkeit der Tätigkeit zugunsten des eigenen Unternehmens des Influencers könne diesen Umständen hingegen durchaus Bedeutung zukommen. Auch das allgemeine Wissen von Nutzern darüber, dass Blogger auf Instagram häufig durch Werbekooperationen finanziert würden, stehe einer Pflicht zur Kennzeichnung einzelner Beiträge als Werbung für Drittunternehmen nicht entgegen. Nach diesen Grundsätzen ergebe sich der kommerzielle Zweck der geschäftlichen Handlung zugunsten der in den streitgegenständlichen Beiträgen bezeichneten Drittunternehmen nicht unmittelbar aus den Umständen.
Beeinflussung der Verbraucherentscheidung: Die Nichtkenntlichmachung des kommerziellen Zwecks der geschäftlichen Handlung zugunsten der Drittunternehmen sei auch geeignet gewesen, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Die Entscheidung des Verbrauchers, sich näher mit dem Instagram-Beitrag zu befassen und sich durch einen ersten Klick auf die Abbildung des Produkts den Tap Tag anzeigen zu lassen, stelle zwar noch keine geschäftliche Entscheidung dar. Hingegen erfülle der zweite Klick, mit dem sich der Verbraucher das Instagram-Profil des verlinkten Unternehmens anzeigen lasse, die Anforderungen an eine geschäftliche Entscheidung. Dabei komme es nicht darauf an, dass die Verlinkungen nicht unmittelbar zu einem Produkt führten. Es reiche aus, dass der Verbraucher sich näher mit dem jeweiligen Unternehmen und seinen Produkten habe auseinandersetzen können.
Vorrangige Spezialvoschriften: Eine geschäftliche Handlung, die die Voraussetzungen des § 5a Abs. 6 UWG erfülle, sei jedoch nicht als unlauter anzusehen, wenn sie den Erfordernissen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG sowie des § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV und § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV genüge, da es sich bei diesen um vorrangige Spezialvorschriften handle, deren Wertungen durch das Lauterkeitsrecht nicht unterlaufen werden dürften.
Geldwerte Gegenleistung: Sowohl nach der alten als auch nach der neuen Fassung des § 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b TMG liege kommerzielle Kommunikation zugunsten fremder Unternehmen nicht vor, wenn die Angaben unabhängig und insb. ohne finanzielle Gegenleistung gemacht würden. Für Eigenwerbung gelte die Ausnahmeregelung des § 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b TMG hingegen nicht, so dass es hierbei nicht auf die Unabhängigkeit einer Angabe, insb. das Fehlen einer Gegenleistung, ankomme. Unabhängig erfolgende Informationen zu Produkten, etwa auch Testberichte, seien damit nicht als Werbung kennzeichnungspflichtig. Dem Schutzzweck der in Nr. 11 Satz 1 Anh. zur RL 2005/29/EG vorgesehenen Regelung und der in Art. 6 Buchst. a i.V.m. Art. 2 Buchst. f RL 2000/31/EG niedergelegten Transparenzanforderungen sei zu entnehmen, dass der Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen dienende Angaben einer Influencerin mangels Unabhängigkeit als kommerzielle Kommunikation i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 5 TMG anzusehen seien, wenn der hierdurch begünstigte Unternehmer zwar keine Geldzahlung geleistet, jedoch das dargestellte Produkt der Influencerin kostenlos zur Verfügung gestellt habe. Der Bezug zwischen Bericht und geldwertem Vorteil werde hier durch die naheliegende und daher regelmäßig anzunehmende Erwartung des Unternehmens hergestellt, dass die Influencerin über das Produkt in einem Beitrag berichten werde. Das Bewirken einer Gegenleistung stelle nur einen Unterfall der fehlenden Unabhängigkeit i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b TMG dar, wie auch der Wortlaut „insbesondere“ verdeutliche. Der Schutzzweck der Regelung verlange daher auch die Erfassung der Gewährung geldwerter Vorteile, mit denen Beiträge gerade erst veranlasst werden sollten, ohne dass zuvor eine Vereinbarung getroffen wurde. Nichts anderes ergebe sich aus der Anwendung des RStV und MStV. Die Werbung zugunsten der Unternehmen, die ihre Produkte der Influencerin unentgeltlich zur Verfügung gestellt haben, sei entgegen § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV und § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV nicht als solche klar erkennbar. Dem vorgenannten Schutzzweck der Regelungen entsprechend sei unter einem Entgelt oder einer ähnlichen Gegenleistung i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV und § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV neben Geld- oder Sachleistungen jede geldwerte Gegenleistung zu verstehen. Der Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen dienende Angaben einer Influencerin seien daher als Werbung i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV und § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV anzusehen. Eine für geldwerte Vorteile geltende Geringfügigkeitsschwelle sei weder in § 2 Abs. 2 Nr. 7 RStV noch § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV vorgesehen.