BGH, Urt. 14.2.2019 - I ZR 6/17
Kündigung der Unterlassungsvereinbarung wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens
Autor: RA, FA IT-Recht Dr. Aegidius Vogt, Herberger Vogt von Schoeler, München – www.hvs-rechtsanwaelte.de
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 07/2019
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 07/2019
Rechtsmissbräuchliches Verhalten im Rahmen der Abmahnung kann zur fristlosen Kündigung einer Unterlassungsvereinbarung berechtigen. Auch der Geltendmachung von Vertragsstrafen für Verstöße vor der Kündigung steht der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen.
BGH, Urt. v. 14.2.2019 - I ZR 6/17
Vorinstanz: KG v. 9.12.2016 - 5 U 163/15 und 5 W 27/16
BGB §§ 242, 314; UWG § 8 Abs. 4
Kündbarkeit einer Unterlassungsvereinbarung: Zunächst stehe außer Zweifel, dass Unterlassungsvereinbarungen als Dauerschuldverhältnisse grundsätzlich nach § 314 Abs. 1 Satz 1 BGB aus wichtigem Grund kündbar seien.
Kündigungsgründe: Dabei sei der Kündigungsgrund nicht auf eine den Unterlassungsanspruch tangierende Gesetzesänderung oder höchstrichterliche Entscheidung beschränkt (hierzu BGH v. 8.5.2014 – I ZR 210/12, BeckRS 2014, 12668). Vielmehr könne ein solcher auch bei einem Rechtsmissbrauch i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG gegeben sein. Die bisherige Senatsrechtsprechung (vgl. BGH v. 31.5.2012 – I ZR 45/11, BeckRS 2012, 14988) stehe dem nicht entgegen.
Missbräuchliche Motive: Von einem Missbrauch i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG sei auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers überwiegend sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele seien. Anhaltspunkte hierfür könnten alternativ sein, dass (1) die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zu der gewerblichen Tätigkeit stehe, (2) die Belastung des Gegners mit möglichst hohen Prozesskosten bezweckt sei, (3) systematisch überhöhte Abmahngebühren bzw. Vertragsstrafen verlangt würden, (4) kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse an der Verfolgung des Verstoßes bestehe oder (5) das Risiko von Erfolg und Misserfolg des (außer-) gerichtlichen Vorgehens aufgrund Überschuldung des Abmahnenden im vollen Umfang dem Gegner aufgebürdet werde.
Konkrete Umstände: Ein kollusives Zusammenwirken mit den Prozessbevollmächtigten liege zwar nahe, sei für einen Rechtsmissbrauchs indes nicht Voraussetzung. Es würden gewichtige andere Anhaltspunkte für einen Missbrauch sprechen. So habe sich der Abmahnende im maßgeblichen Zeitpunkt der Abmahnung in einer desolaten wirtschaftlichen Situation befunden, die allein auf sachfremde Motive hindeute. Dies sei der Mitbewerberin auch erst hinreichend bekannt geworden, nachdem der Abmahnende ein Vermögensverzeichnis abgegeben habe. Die daraufhin innerhalb von weniger als zwei Monaten erklärte Kündigung sei dabei noch innerhalb angemessener Frist i.S.v. § 314 Abs. 3 BGB erfolgt.
Missbräuchlichkeit der Vertragsstrafe: Einer Geltendmachung von vor der Kündigung verwirkten Vertragsstrafen stehe der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn das Nichtbestehen des Anspruchs – wie hier – wegen der Vielzahl und Dichte der für einen Rechtsmissbrauch sprechenden Indizien eindeutig zu erkennen gewesen sei. Zeitlich sei im Rahmen einer Gesamtwürdigung auf das Verhalten des Abmahnenden vor, bei und nach der Abmahnung abzustellen. Für eine unzulässige Rechtsausübung spreche zudem, dass sich der Abmahnende auf eine formale Rechtsposition berufe, die er durch sein gesetzwidriges Verhalten erlangt habe (vgl. BGH v. 27.2.2018 – VI ZR 109/17, BeckRS 2018, 4989).
BGH, Urt. v. 14.2.2019 - I ZR 6/17
Vorinstanz: KG v. 9.12.2016 - 5 U 163/15 und 5 W 27/16
BGB §§ 242, 314; UWG § 8 Abs. 4
Das Problem
Ein Online-Anbieter von Kopf- und Ohrhörern mahnte eine Mitbewerberin wegen Verstößen u.a. gegen das ElektroG a.F. ab und traf mit ihr eine strafbewehrte Unterlassungsvereinbarung. Im Nachgang führte der Online-Anbieter Testkäufe durch, mahnte die Mitbewerberin wegen Verstößen gegen die Unterlassungsvereinbarung ab und verlangte klageweise Unterlassung sowie die Zahlung von Vertragsstrafen. Die Mitbewerberin kündigte die Vereinbarung noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung in erster Instanz außerordentlich wegen Rechtsmissbrauchs und machte widerklagend Ersatz ihrer Kosten zur Abwehr der Abmahnung geltend.Die Entscheidung des Gerichts
Sowohl das LG als auch das KG wiesen die Klage des Online-Anbieters ab und gaben der Widerklage statt. Der BGH bestätigte die Vorinstanzen und wies die Revision des Anbieters zurück.Kündbarkeit einer Unterlassungsvereinbarung: Zunächst stehe außer Zweifel, dass Unterlassungsvereinbarungen als Dauerschuldverhältnisse grundsätzlich nach § 314 Abs. 1 Satz 1 BGB aus wichtigem Grund kündbar seien.
Kündigungsgründe: Dabei sei der Kündigungsgrund nicht auf eine den Unterlassungsanspruch tangierende Gesetzesänderung oder höchstrichterliche Entscheidung beschränkt (hierzu BGH v. 8.5.2014 – I ZR 210/12, BeckRS 2014, 12668). Vielmehr könne ein solcher auch bei einem Rechtsmissbrauch i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG gegeben sein. Die bisherige Senatsrechtsprechung (vgl. BGH v. 31.5.2012 – I ZR 45/11, BeckRS 2012, 14988) stehe dem nicht entgegen.
Missbräuchliche Motive: Von einem Missbrauch i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG sei auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers überwiegend sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele seien. Anhaltspunkte hierfür könnten alternativ sein, dass (1) die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zu der gewerblichen Tätigkeit stehe, (2) die Belastung des Gegners mit möglichst hohen Prozesskosten bezweckt sei, (3) systematisch überhöhte Abmahngebühren bzw. Vertragsstrafen verlangt würden, (4) kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse an der Verfolgung des Verstoßes bestehe oder (5) das Risiko von Erfolg und Misserfolg des (außer-) gerichtlichen Vorgehens aufgrund Überschuldung des Abmahnenden im vollen Umfang dem Gegner aufgebürdet werde.
Konkrete Umstände: Ein kollusives Zusammenwirken mit den Prozessbevollmächtigten liege zwar nahe, sei für einen Rechtsmissbrauchs indes nicht Voraussetzung. Es würden gewichtige andere Anhaltspunkte für einen Missbrauch sprechen. So habe sich der Abmahnende im maßgeblichen Zeitpunkt der Abmahnung in einer desolaten wirtschaftlichen Situation befunden, die allein auf sachfremde Motive hindeute. Dies sei der Mitbewerberin auch erst hinreichend bekannt geworden, nachdem der Abmahnende ein Vermögensverzeichnis abgegeben habe. Die daraufhin innerhalb von weniger als zwei Monaten erklärte Kündigung sei dabei noch innerhalb angemessener Frist i.S.v. § 314 Abs. 3 BGB erfolgt.
Missbräuchlichkeit der Vertragsstrafe: Einer Geltendmachung von vor der Kündigung verwirkten Vertragsstrafen stehe der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn das Nichtbestehen des Anspruchs – wie hier – wegen der Vielzahl und Dichte der für einen Rechtsmissbrauch sprechenden Indizien eindeutig zu erkennen gewesen sei. Zeitlich sei im Rahmen einer Gesamtwürdigung auf das Verhalten des Abmahnenden vor, bei und nach der Abmahnung abzustellen. Für eine unzulässige Rechtsausübung spreche zudem, dass sich der Abmahnende auf eine formale Rechtsposition berufe, die er durch sein gesetzwidriges Verhalten erlangt habe (vgl. BGH v. 27.2.2018 – VI ZR 109/17, BeckRS 2018, 4989).