BGH, Urt. 15.10.2020 - I ZR 210/18
Zur Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion einer Marke durch Werbung bei Amazon
Autor: RA und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz Dr. Kristofer Bott, Frankfurt/M.
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 02/2021
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 02/2021
Die durch die Verwendung eines markenrechtlich geschützten Zeichens hervorgerufene, unrichtige Vorstellung des Verkehrs, der Markeninhaber vertreibe seine Ware über eine Internetplattform (hier: Amazon), beeinträchtigt nicht die Herkunftsfunktion der Marke, kann aber eine nach § 5 UWG zu beurteilende Irreführung darstellen.
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 1; UWG § 5 Abs. 1 S. 1
Bevor der BGH zur eigentlichen Streitfrage kommt, klärt – und bejaht – er die internationale Zuständigkeit, die Bestimmtheit der – nicht einfach zu verstehenden – Unterlassungsanträge und das Rechtsschutzbedürfnis, letzteres mit Rücksicht auf die Ähnlichkeit der Anträge und jeweils nach deren Auslegung. Die Herkunftsfunktion der Marke werde, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, nicht dadurch beeinträchtigt, dass durch die Verwendung eines markenrechtlich geschützten Zeichens der – unrichtige – Eindruck entstehe, die gekennzeichnete Ware werde vom Markeninhaber angeboten. Der unzutreffende Eindruck, die „Vorwerk“-Gruppe vertreibe auch über Amazon, könne allerdings grundsätzlich eine unlauterkeitsrechtlich relevante Irreführung sein. Das sei kein Wertungswiderspruch zwischen Marken- und Unlauterkeitsrecht, weil andere als kennzeichenrechtliche Schutzzwecke berührt seien. Aufgrund der vorinstanzlich getroffenen Feststellungen sei aber nicht anzunehmen, dass die angesprochenen Verkehrskreise durch die mögliche Irreführung darüber, wer die Originalware bei Amazon anbiete, zu geschäftlichen Entscheidungen veranlasst würden, die sie sonst nicht getroffen hätten, § 5 Abs. 1 Satz1 UWG. Diese Entscheidungsrelevanz wird an sich bei der Irreführung vermutet, es kommt aber auf die Umstände an.
Ein Unterlassungsanspruch in Bezug auf die Benutzung der Bezeichnung „Vorwerk“ könne hingegen nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung zurückgewiesen werden, der Verkehr erkenne trotz der Art und Weise der Verwendung der Bezeichnung „Vorwerk“, nämlich in Kenntnis der Praxis bei Amazon und aufgrund der weiteren Umstände, dass nicht nur Originalware angeboten werde. Die Herkunftsfunktion, so der BGH unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH und sein eigenes Urteil Ortlieb II (BGH, Urt. v. 25.7.2019 – I ZR 29/18), werde schon dann beeinträchtigt, wenn die aufgrund der Zeichenverwendung bestehende Erwartung des Verkehrs enttäuscht werde, bei der Suche anhand markenrechtlich geschützter Begriffe ausschließlich mit Angeboten des Markeninhabers konfrontiert zu werden. Das war aufgrund des festgestellten Sachverhalts nicht auszuschließen, das Berufungsgericht muss es nun erneut klären.
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 1; UWG § 5 Abs. 1 S. 1
Das Problem
Ein Unternehmen der Vorwerk-Gruppe, die Staubsauger vertreibt, wendet sich mit Unterlassungs- und Folgeansprüchen gegen Werbung mittels markenrechtlich geschützter Bezeichnungen bei Amazon. Die Beklagte ist ein Unternehmen des Amazon-Konzerns. Wer bei Amazon anhand der Bezeichnung „Vorwerk“ sucht, findet Angebote gebrauchter Originalware ebenso wie Konkurrenzware. Außerdem verwendet Amazon die Bezeichnung „Vorwerk“ als Keyword. Eine Suche z.B. mit Bing löst deshalb als Suchergebnis Anzeigen der Art „Vorwerk bei Amazon.de“ aus. Ein Klick darauf führt wieder auf Angebote gebrauchter „Vorwerk“-Produkte sowie auf Produkte anderer Hersteller. Die Klägerin beanstandet die Verwendung der Bezeichnung „Vorwerk“ und anderer, für die Vorwerk-Gruppe markenrechtlich geschützter Bezeichnungen als eine Verletzung ihrer Markenrechte. Sie und mit ihr verbundene Unternehmen vertreiben selbst nicht über Amazon. Bei – letztlich, ganz eindeutig war es nicht – doppelidentischer Verwendung der Bezeichnung „Vorwerk“ – nämlich für Staubsauger und Teile – ging es vor allem darum, ob der Begriff bei Amazon in den im Einzelnen angegriffenen Verletzungsformen „als Marke“ verwendet worden war, ob also jeweils die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt worden sein konnte. Das Berufungsgericht hatte eine Markenverletzung für einen Teil der angegriffenen Verletzungsformen, nämlich die Verwendung als Keyword in einigen Fallgestaltungen, angenommen und der Klage insoweit stattgegeben, im Übrigen, nämlich in Bezug auf die Suche bei Amazon selbst, aber abgelehnt und die Klage insoweit und überwiegend abgewiesen.Die Entscheidung des Gerichts
Der BGH hebt das Urteil auf und dreht das Ergebnis um, weist die Klage also ab, soweit ihr stattgegeben worden war, und verweist den Rechtsstreit im Übrigen, soweit das Berufungsgericht Ansprüche verneint hatte, zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurück.Bevor der BGH zur eigentlichen Streitfrage kommt, klärt – und bejaht – er die internationale Zuständigkeit, die Bestimmtheit der – nicht einfach zu verstehenden – Unterlassungsanträge und das Rechtsschutzbedürfnis, letzteres mit Rücksicht auf die Ähnlichkeit der Anträge und jeweils nach deren Auslegung. Die Herkunftsfunktion der Marke werde, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, nicht dadurch beeinträchtigt, dass durch die Verwendung eines markenrechtlich geschützten Zeichens der – unrichtige – Eindruck entstehe, die gekennzeichnete Ware werde vom Markeninhaber angeboten. Der unzutreffende Eindruck, die „Vorwerk“-Gruppe vertreibe auch über Amazon, könne allerdings grundsätzlich eine unlauterkeitsrechtlich relevante Irreführung sein. Das sei kein Wertungswiderspruch zwischen Marken- und Unlauterkeitsrecht, weil andere als kennzeichenrechtliche Schutzzwecke berührt seien. Aufgrund der vorinstanzlich getroffenen Feststellungen sei aber nicht anzunehmen, dass die angesprochenen Verkehrskreise durch die mögliche Irreführung darüber, wer die Originalware bei Amazon anbiete, zu geschäftlichen Entscheidungen veranlasst würden, die sie sonst nicht getroffen hätten, § 5 Abs. 1 Satz1 UWG. Diese Entscheidungsrelevanz wird an sich bei der Irreführung vermutet, es kommt aber auf die Umstände an.
Ein Unterlassungsanspruch in Bezug auf die Benutzung der Bezeichnung „Vorwerk“ könne hingegen nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung zurückgewiesen werden, der Verkehr erkenne trotz der Art und Weise der Verwendung der Bezeichnung „Vorwerk“, nämlich in Kenntnis der Praxis bei Amazon und aufgrund der weiteren Umstände, dass nicht nur Originalware angeboten werde. Die Herkunftsfunktion, so der BGH unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH und sein eigenes Urteil Ortlieb II (BGH, Urt. v. 25.7.2019 – I ZR 29/18), werde schon dann beeinträchtigt, wenn die aufgrund der Zeichenverwendung bestehende Erwartung des Verkehrs enttäuscht werde, bei der Suche anhand markenrechtlich geschützter Begriffe ausschließlich mit Angeboten des Markeninhabers konfrontiert zu werden. Das war aufgrund des festgestellten Sachverhalts nicht auszuschließen, das Berufungsgericht muss es nun erneut klären.