BGH, Urt. 16.10.2019 - VIII ZR 340/18
Mieterhöhung: Verwendung eines sehr alten Mietspiegels
Autor: RiAG Prof. Dr. Ulf P. Börstinghaus, Gelsenkirchen
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 12/2019
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 12/2019
Ein 20 Jahre alter Mietspiegel ist mangels eines Informationsgehaltes für den Mieter zur Begründung eines Mieterhöhungsbegehrens ungeeignet. Ein auf diese Weise begründetes Mieterhöhungsverlangen ist deshalb aus formellen Gründen unwirksam.
BGH, Urt. v. 16.10.2019 - VIII ZR 340/18
Vorinstanz: LG Magdeburg - 2 S 37/18
BGB § 558, § 558a
So hatte es auch ein Vermieter in Magdeburg gemacht. Nur gibt es in Magdeburg seit Jahrzehnten keinen aktuellen Mietspiegel, weshalb der Vermieter auf den 20 Jahre alten Mietspiegel Bezug genommen hatte. Seine Zustimmungsklage wurde vom AG und LG als unzulässig abgewiesen, weil die Bezugnahme auf einen so alten Mietspiegel eine „Scheinbegründung” darstelle.
Die Begründung des Erhöhungsverlangens solle dem Mieter die Möglichkeit geben, dessen sachliche Berechtigung zu überprüfen, um überflüssige Prozesse zu vermeiden. Hierfür sei es erforderlich, dass die Begründung dem Mieter konkrete Hinweise auf die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens gibt, um während der Überlegungsfrist die Berechtigung der Mieterhöhung überprüfen und sich darüber schlüssig werden zu können, ob er dem Erhöhungsverlangen zustimmt oder nicht. Auch wenn nach st. Rspr. des BGH an das Begründungserfordernis im Hinblick auf das Grundrecht des Vermieters aus Art. 14 Abs. 1 GG keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürfen, müsse das Erhöhungsverlangen in formeller Hinsicht zumindest Angaben über diejenigen Tatsachen enthalten, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet, und zwar in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und dieses zumindest ansatzweise überprüfen zu können.
Und genau hieran fehle es, wenn der Vermieter das Erhöhungsverlangen mit Tatsachen begründet, die eine Mieterhöhung nach § 558 Abs. 1 BGB schon auf den ersten Blick nicht zu tragen vermögen, weil durch deren Mitteilung deutlich wird, dass der Vermieter von falschen Voraussetzungen ausgeht oder das Erhöhungsverlangen in wesentlichen Punkten unvollständig, unverständlich oder widersprüchlich erscheint. Eine derartige Begründung stehe einer fehlenden Begründung gleich, weil durch sie das Ziel des Begründungserfordernisses ebenso wenig erreicht werden kann wie im Falle des vollständigen Verzichtes auf eine Begründung.
Das sei bei der Bezugnahme auf einen Mietspiegel, der seit rund 20 Jahren nicht mehr aktualisiert wurde, der Fall. Das Gesetz gehe, wie sich aus § 558c Abs. 3, § 558d Abs. 2 BGB ergäbe, grundsätzlich von einem Aktualisierungserfordernis für Mietspiegel innerhalb einer Frist von zwei Jahren aus. Zwar gestatte § 558a Abs. 4 S. 2 BGB zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens grundsätzlich auch die Bezugnahme auf einen veralteten Mietspiegel, wenn bei Abgabe des Mieterhöhungsverlangens kein Mietspiegel vorhanden sei. Aus dieser Regelung folge allerdings nicht, dass das Alter des Mietspiegels bedeutungslos wäre, der Vermieter somit einen beliebig veralteten Mietspiegel zur Begründung seines Mieterhöhungsverlangens heranziehen könne, sofern nur ein neuer Mietspiegel nicht erstellt beziehungsweise eine Aktualisierung nicht vorgenommen wurde. Allein die Tatsachen, dass das Gesetz eine Höchstgrenze für das Alter eines nach § 558a Abs. 4 S. 2 BGB herangezogenen veralteten Mietspiegels nicht festlege, lasse sich nichts Gegenteiliges ableiten. Denn § 558a Abs. 4 S. 2 BGB solle sicherstellen, dass die formelle Wirksamkeit eines sachlich berechtigten Erhöhungsverlangens nicht allein von den in § 558c Abs. 3, § 558d Abs. 2 BGB genannten Fristen abhängt. Hierdurch werde aber von dem grundsätzlich bestehenden Aktualisierungserfordernis gerade nicht Abstand genommen. Für die formelle Wirksamkeit des Erhöhungsverlangens komme es deshalb auch bei einem veralteten Mietspiegel darauf an, ob diesem (noch) ein in § 558a Abs. 1 BGB vorausgesetzter Informationsgehalt zukomme. Dies sei jedenfalls bei einem zum Zeitpunkt des Erhöhungsverlangens fast 20 Jahre alten Mietspiegel nicht der Fall. Die in § 558 Abs. 2 BGB genannten Wohnwertmerkmale, nach denen sich die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete für eine Wohnung richtet, unterlägen typischerweise mit fortschreitender Zeit einem Wandel. So könnten etwa im Laufe der Zeit bestimmte Einrichtungen, die einer Wohnung besonderen Wert verleihen und deshalb Gegenstand eines Mietspiegels sind, zur Standardausstattung werden. Auch kann die Bewertung einer Wohnlage durch mit der Zeit auftretende strukturelle Veränderungen beeinflusst werden.
BGH, Urt. v. 16.10.2019 - VIII ZR 340/18
Vorinstanz: LG Magdeburg - 2 S 37/18
BGB § 558, § 558a
Das Problem
Das Mieterhöhungsverfahren im preisfreien Wohnungsbau ist zweistufig ausgestaltet. Zunächst muss der Vermieter dem Mieter ein begründetes Zustimmungsverlangen zukommen lassen. Der Gesetzgeber hat in § 558a Abs. 2 BGB dazu fünf Begründungsmittel beispielhaft vorgesehen, die der Vermieter benutzen kann. Ganz oben steht dabei die Bezugnahme auf einen Mietspiegel.So hatte es auch ein Vermieter in Magdeburg gemacht. Nur gibt es in Magdeburg seit Jahrzehnten keinen aktuellen Mietspiegel, weshalb der Vermieter auf den 20 Jahre alten Mietspiegel Bezug genommen hatte. Seine Zustimmungsklage wurde vom AG und LG als unzulässig abgewiesen, weil die Bezugnahme auf einen so alten Mietspiegel eine „Scheinbegründung” darstelle.
Die Entscheidung des Gerichts
Seine vom LG zugelassene Revision hatte keinen Erfolg. Der Senat folgt der Argumentation der Vorinstanzen. Der Mietspiegel für die Stadt Magdeburg aus dem Jahr 1998 sei zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens nicht geeignet. Das Erhöhungsverlangen genüge deshalb den formellen Anforderungen des § 558a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 S. 2 BGB nicht.Die Begründung des Erhöhungsverlangens solle dem Mieter die Möglichkeit geben, dessen sachliche Berechtigung zu überprüfen, um überflüssige Prozesse zu vermeiden. Hierfür sei es erforderlich, dass die Begründung dem Mieter konkrete Hinweise auf die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens gibt, um während der Überlegungsfrist die Berechtigung der Mieterhöhung überprüfen und sich darüber schlüssig werden zu können, ob er dem Erhöhungsverlangen zustimmt oder nicht. Auch wenn nach st. Rspr. des BGH an das Begründungserfordernis im Hinblick auf das Grundrecht des Vermieters aus Art. 14 Abs. 1 GG keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürfen, müsse das Erhöhungsverlangen in formeller Hinsicht zumindest Angaben über diejenigen Tatsachen enthalten, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet, und zwar in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und dieses zumindest ansatzweise überprüfen zu können.
Und genau hieran fehle es, wenn der Vermieter das Erhöhungsverlangen mit Tatsachen begründet, die eine Mieterhöhung nach § 558 Abs. 1 BGB schon auf den ersten Blick nicht zu tragen vermögen, weil durch deren Mitteilung deutlich wird, dass der Vermieter von falschen Voraussetzungen ausgeht oder das Erhöhungsverlangen in wesentlichen Punkten unvollständig, unverständlich oder widersprüchlich erscheint. Eine derartige Begründung stehe einer fehlenden Begründung gleich, weil durch sie das Ziel des Begründungserfordernisses ebenso wenig erreicht werden kann wie im Falle des vollständigen Verzichtes auf eine Begründung.
Das sei bei der Bezugnahme auf einen Mietspiegel, der seit rund 20 Jahren nicht mehr aktualisiert wurde, der Fall. Das Gesetz gehe, wie sich aus § 558c Abs. 3, § 558d Abs. 2 BGB ergäbe, grundsätzlich von einem Aktualisierungserfordernis für Mietspiegel innerhalb einer Frist von zwei Jahren aus. Zwar gestatte § 558a Abs. 4 S. 2 BGB zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens grundsätzlich auch die Bezugnahme auf einen veralteten Mietspiegel, wenn bei Abgabe des Mieterhöhungsverlangens kein Mietspiegel vorhanden sei. Aus dieser Regelung folge allerdings nicht, dass das Alter des Mietspiegels bedeutungslos wäre, der Vermieter somit einen beliebig veralteten Mietspiegel zur Begründung seines Mieterhöhungsverlangens heranziehen könne, sofern nur ein neuer Mietspiegel nicht erstellt beziehungsweise eine Aktualisierung nicht vorgenommen wurde. Allein die Tatsachen, dass das Gesetz eine Höchstgrenze für das Alter eines nach § 558a Abs. 4 S. 2 BGB herangezogenen veralteten Mietspiegels nicht festlege, lasse sich nichts Gegenteiliges ableiten. Denn § 558a Abs. 4 S. 2 BGB solle sicherstellen, dass die formelle Wirksamkeit eines sachlich berechtigten Erhöhungsverlangens nicht allein von den in § 558c Abs. 3, § 558d Abs. 2 BGB genannten Fristen abhängt. Hierdurch werde aber von dem grundsätzlich bestehenden Aktualisierungserfordernis gerade nicht Abstand genommen. Für die formelle Wirksamkeit des Erhöhungsverlangens komme es deshalb auch bei einem veralteten Mietspiegel darauf an, ob diesem (noch) ein in § 558a Abs. 1 BGB vorausgesetzter Informationsgehalt zukomme. Dies sei jedenfalls bei einem zum Zeitpunkt des Erhöhungsverlangens fast 20 Jahre alten Mietspiegel nicht der Fall. Die in § 558 Abs. 2 BGB genannten Wohnwertmerkmale, nach denen sich die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete für eine Wohnung richtet, unterlägen typischerweise mit fortschreitender Zeit einem Wandel. So könnten etwa im Laufe der Zeit bestimmte Einrichtungen, die einer Wohnung besonderen Wert verleihen und deshalb Gegenstand eines Mietspiegels sind, zur Standardausstattung werden. Auch kann die Bewertung einer Wohnlage durch mit der Zeit auftretende strukturelle Veränderungen beeinflusst werden.