BGH, Urt. 17.10.2018 - I ZR 136/17
Markenverletzung durch Wiederbefüllung eines Behältnisses mit Waren eines anderen Herstellers
Autor: RA Michael Alber, von BOETTICHER Rechtsanwälte, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 09/2019
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 09/2019
Grundsätzlich liegt eine Markenverletzung vor, wenn ein mit der Marke des Originalherstellers gekennzeichnetes wiederbefüllbares Behältnis mit Waren eines anderen Herstellers nachgefüllt wird und der Verkehr die Marke auf dem Behältnis als Hinweis nicht nur auf die betriebliche Herkunft des Behältnisses, sondern auch auf die betriebliche Herkunft des Inhalts versteht.Für die Frage, ob der Verkehr eine solche Verbindung im Einzelfall tatsächlich herstellt, kann maßgeblich sein, ob die Nachfüllware selbst ein für den Verkehr bei der Benutzung der Ware erkennbares Kennzeichen trägt, Verbraucher den Vorgang der Befüllung selbst vornehmen und der Verkehr es gewohnt ist, dass das Behältnis mit Ware anderer Hersteller bestückt wird. Auch die Relevanz von Marken im streitgegenständlichen Produktbereich kann sich auf die Verkehrsauffassung auswirken.
BGH, Urt. v. 17.10.2018 - I ZR 136/17 „Tork”
Vorinstanz: OLG München, Urt. v. 9.3.2017 - U 2962/16 Kart
VO (EG) Nr. 207/2009 (GMV) Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a, Abs. 3 Buchst. a, Art. 102 Abs. 1; VO (EU) Nr. 2017/1001 (UMV) Art. 9 Abs. 2 Buchst. a., Abs. 3 Buchst. a, Art. 125 Abs. 1, Art. 130 Abs. 1 und 2; MarkenG § 125b Nr. 2
Es sei auf der anderen Seite aber auch zu berücksichtigen, dass die angesprochenen Verkehrskreise bei der Benutzung von Papierhandtüchern in öffentlichen Waschräumen/Toiletten vor dem Hintergrund der bestehenden Spendervielfalt und der kostenlosen Inanspruchnahme entsprechender Produkte möglicherweise überhaupt nicht oder weniger auf Marken achteten. Sofern unter Berücksichtigung dieser Umstände das Befüllen der Papierhandtuchspendersysteme der Klägerin mit den Papierhandtuchrollen der Beklagten als rechtswidrige markenmäßige Verwendung der auf dem Papierhandtuchspendersystem abgebildeten Klagemarke zu werten sei, müsse sich die Beklagte dieses Verhalten ihrer gewerblichen Abnehmer unter dem Gesichtspunkt der Beihilfe zurechnen lassen. Aufgrund der von der Beklagten vorgenommenen Kompatibilitätsbewerbung ihrer Papierhandtuchrollen sei anzunehmen, dass die Benutzung der Papierhandtuchspendersysteme der Klägerin als Behältnis für die Papierhandtuchrollen der Beklagten dem Willen der Beklagten entspreche.
BGH, Urt. v. 17.10.2018 - I ZR 136/17 „Tork”
Vorinstanz: OLG München, Urt. v. 9.3.2017 - U 2962/16 Kart
VO (EG) Nr. 207/2009 (GMV) Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a, Abs. 3 Buchst. a, Art. 102 Abs. 1; VO (EU) Nr. 2017/1001 (UMV) Art. 9 Abs. 2 Buchst. a., Abs. 3 Buchst. a, Art. 125 Abs. 1, Art. 130 Abs. 1 und 2; MarkenG § 125b Nr. 2
Das Problem
Die Klägerin vertreibt unter der Klagemarke entsprechend gekennzeichnete Papierhandtuchspendersysteme, sowie die dazugehörigen Papierhandtuchrollen als Nachfüllware. Letztere ist nach Befüllen der klägerischen Papierhandtuchspendersysteme von Außen nicht mehr optisch wahrnehmbar. Die Beklagte vertreibt auf Großhandelsebene u.a. Papierhandtuchrollen, die als Nachfüllware für die Papierhandtuchspendersysteme der Klägerin geeignet sind und von der Beklagten auch so – „passend auch für Tork-Spender” – beworben werden. Eine eigene markenmäßige Kennzeichnung enthält die Nachfüllware der Beklagten nicht. Hiergegen richtete sich die Klägerin mit ihrem Unterlassungsbegehren. Durch das Befüllen der klägerischen Papierhandtuchspendersysteme mit den Papierhandtuchrollen der Beklagten werde die klägerische Marke „Tork” verletzt, wobei die Beklagte zumindest als mittelbare Täterin hafte. Die Klage wurde sowohl erstinstanzlich als auch in der Berufungsinstanz abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.Die Entscheidung des Gerichts
Der BGH hat das von der Revision angegriffene Urteil aufgehoben und die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das OLG München zurückverwiesen. Zu Unrecht habe dieses eine markenmäßige Benutzung durch das Befüllen der mit der Klagemarke gekennzeichneten Papierhandtuchspendersysteme mit den Papierhandtuchrollen der Beklagten mit der Begründung verneint, dass die angesprochenen Verkehrskreise – die Nutzer von Waschräumen als Endnutzer der Papierhandtücher – sich darüber im Klaren seien, dass bei einer Vielzahl von Geräten Nachfüllartikel zur Anwendung kämen, die nicht vom Hersteller des jeweiligen Geräts stammten, so dass ohne konkreten Anlass auch kein Bezug zwischen der auf dem Gerät abgebildeten Marke und den Nachfüllartikeln hergestellt werde. Das OLG München habe bei seiner diesbezüglichen Schlussfolgerung nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Papierhandtuchrollen der Beklagten nicht mit einem von der klägerischen Marke abweichenden Kennzeichen versehen seien, weshalb es zu keiner Relativierung der herkunftshinweisenden Funktion der klägerischen Marke auf den Handtuchspendern komme. Eine Befüllung der Papierhandtuchspendersysteme der Klägerin mit der Nachfüllware der Beklagten sei den angesprochenen Verkehrskreisen auch angesichts des Befüllungsvorgangs nicht bekannt, da sie an diesem regelmäßig nicht selbst beteiligt seien. Diese Gesichtspunkte müsse das OLG München im Anschluss an die Zurückverweisung der Sache bei den weiteren tatsächlichen Feststellungen zum Verkehrsverständnis hinreichend berücksichtigen.Es sei auf der anderen Seite aber auch zu berücksichtigen, dass die angesprochenen Verkehrskreise bei der Benutzung von Papierhandtüchern in öffentlichen Waschräumen/Toiletten vor dem Hintergrund der bestehenden Spendervielfalt und der kostenlosen Inanspruchnahme entsprechender Produkte möglicherweise überhaupt nicht oder weniger auf Marken achteten. Sofern unter Berücksichtigung dieser Umstände das Befüllen der Papierhandtuchspendersysteme der Klägerin mit den Papierhandtuchrollen der Beklagten als rechtswidrige markenmäßige Verwendung der auf dem Papierhandtuchspendersystem abgebildeten Klagemarke zu werten sei, müsse sich die Beklagte dieses Verhalten ihrer gewerblichen Abnehmer unter dem Gesichtspunkt der Beihilfe zurechnen lassen. Aufgrund der von der Beklagten vorgenommenen Kompatibilitätsbewerbung ihrer Papierhandtuchrollen sei anzunehmen, dass die Benutzung der Papierhandtuchspendersysteme der Klägerin als Behältnis für die Papierhandtuchrollen der Beklagten dem Willen der Beklagten entspreche.