BGH, Urt. 18.5.2022 - VIII ZR 9/22
Mietpreisbremse: Umfang der vorvertraglichen Informationsobliegenheit
Autor: Prof. Dr. Ulf P. Börstinghaus, Gelsenkirchen
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 10/2022
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 10/2022
1. Der Vermieter erfüllt die Informationsobliegenheit gem. § 556g Abs. 1a BGB, wenn er dem Mieter vor der Abgabe von dessen Vertragserklärung unaufgefordert die Auskunft erteilt, bei dem Abschluss des Mietvertrags handele es sich um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung der Wohnung.2. Der Vermieter ist nicht verpflichtet, zu diesem Zeitpunkt über Umfang und Details der Modernisierung bereits Auskunft zu erteilen.
BGB § 556g
Der Vermieter einer Wohnung in Berlin hatte in den Mietvertrag aufgenommen: „Bei dem Abschluss dieses Mietvertrages handelt es sich um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung der Mietsache“. Der Mieter hatte seine Ansprüche wegen vermeintlicher Verstöße gegen die Mietpreisbremse an ein bekanntes Legal-Tech-Unternehmen abgetreten, das die Miethöhe rügte und umfassend Auskunft über alle Tatsachen verlangte, die ggf. die Annahme eines Ausnahmetatbestands rechtfertigen würden. Nach Rechtshängigkeit der Auskunftsklage hatte der Vermieter die Auskunft erteilt, worauf das Unternehmen die Auskunftsklage einseitig für erledigt erklärt hat. Das AG hat die nunmehr auf Feststellung der Erledigung gerichtete Klage als unzulässig und das LG als unbegründet abgewiesen.
Soweit das AG ein Rechtsschutzbedürfnis für die Auskunftsklage deshalb verneint hatte, weil die begehrten Auskünfte über die Vormiete und Modernisierungen für die Berechnung der zulässigen Miete nicht relevant sei, da der Vermieter sich wegen Verstoßes gegen die Informationsobliegenheit auf keine Ausnahme berufen dürfe, hat der Senat dies anders gesehen. Der diesbezügliche Zusatz im Mietvertrag erfülle nämlich die Anforderungen des § 556g Abs. 1a BGB. Die Anforderungen an die Informationen dürften nicht überspannt werden.
Durch den Hinweis hatte der Vermieter vor Mietvertragsabschluss hinreichend Auskunft darüber erteilt, dass es sich um die erste Vermietung nach einer umfassenden Modernisierung handelte. Nach § 556g Abs. 1a S. 1 Nr. 4 BGB ist der Vermieter, soweit die Zulässigkeit der Miete auf § 556f S. 2 BGB beruht, verpflichtet, dem Mieter vor der Abgabe von dessen Vertragserklärung unaufgefordert Auskunft darüber zu erteilen, dass es sich um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung handelt. Aus den Gesetzesmaterialien zum Mietrechtsanpassungsgesetz ergibt sich, dass der Vermieter nach der Bestimmung des § 556g Abs. 1a S. 1 Nr. 4 BGB nicht gehalten ist, bereits vor Abgabe der Vertragserklärung des Mieters über Umfang und Details der Modernisierung Auskunft zu erteilen, sondern zunächst nur über das „Ob“ einer solchen umfassenden Modernisierung. Der Mieter kann mittels Auskunftsverlangens nach § 556g Abs. 3 BGB weitere Einzelheiten und Nachweise erfragen. Vor Vertragsschluss ist es ausreichend, wenn der Vermieter mitteilt, es handele sich um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung.
Außerdem hat der Senat darauf hingewiesen, dass in dem Mietvertragszusatz zugleich als Minus auch der Hinweis auf eine einfache Modernisierung gem. § 556e Abs. 2 BGB zu sehen sei, sofern sich herausstellt, dass eine umfassende Modernisierung i.S.v. § 556f S. 2 BGB nicht vorliegt. Der Hinweis umfasst auch den Fall der einfachen Modernisierung.
BGB § 556g
Das Problem
Die Regelungen zur Beschränkung der Wiedervermietungsmiete (sog. Mietpreisbremse) hatten nach allgemeiner Meinung bis 2018 ihr Ziele kaum erfüllt (BT-Drucks. 19/4762, 9). Das soll auch daran gelegen haben, dass Mieter aufgrund der vier Ausnahmetatbestände in den §§ 556e, 556f BGB oft nicht ohne weiteres hätten beurteilen können, ob die vom Vermieter verlangte Miete im Einzelfall zulässig ist. Sie hätten sich deshalb gegen die Miethöhe nicht gewehrt. Durch das Mietrechtsanpassungsgesetz v. 18.12.2018 (BGBl. I 2649; dazu Artz/Börstinghaus, NZM 2019, 12; Selk, NJW 2019, 329; Lützenkirchen, MietRB 2019, 86) wurden die Vorschriften deshalb „nachgeschärft“. Es wurden vorvertragliche Informationsobliegenheiten des Vermieters über das Vorliegen einer der vier Ausnahmetatbestände eingeführt. Wie weit diese im Einzelfall gehen, musste der BGH jetzt für eine prozessual etwas ungewöhnliche Situation entscheiden.Der Vermieter einer Wohnung in Berlin hatte in den Mietvertrag aufgenommen: „Bei dem Abschluss dieses Mietvertrages handelt es sich um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung der Mietsache“. Der Mieter hatte seine Ansprüche wegen vermeintlicher Verstöße gegen die Mietpreisbremse an ein bekanntes Legal-Tech-Unternehmen abgetreten, das die Miethöhe rügte und umfassend Auskunft über alle Tatsachen verlangte, die ggf. die Annahme eines Ausnahmetatbestands rechtfertigen würden. Nach Rechtshängigkeit der Auskunftsklage hatte der Vermieter die Auskunft erteilt, worauf das Unternehmen die Auskunftsklage einseitig für erledigt erklärt hat. Das AG hat die nunmehr auf Feststellung der Erledigung gerichtete Klage als unzulässig und das LG als unbegründet abgewiesen.
Die Entscheidung des Gerichts
Die Revision hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung. Nach Ansicht des BGH war die Auskunftsklage zulässig und begründet. Soweit die vorbefasste 67. ZK des LG Berlin die Abtretung an das Legal-Tech-Unternehmen für unwirksam erklärt hatte, hat der Senat entsprechend seiner inzwischen absolut gefestigten Rechtsprechung (BGH v. 30.3.2022 – VIII ZR 283/21, MDR 2022, 947 = MietRB 2022, 250 [Dötsch]; VIII ZR 256/21; v. 19.1.2022 – VIII ZR 124, 196/21; VIII ZR 122/21, MDR 2022, 487; VIII ZR 220/21, MDR 2022, 488; VIII ZR 123/21; v. 30.3.2022 – VIII ZR 277, 358, 121, 279, 256/21; v. 18.5.2022 – VIII ZR 382, 343, 423, 380/21, 365, 383, 381, 28/22) diese Ansicht wieder mit äußerst deutlichen Worten zurückgewiesen.Soweit das AG ein Rechtsschutzbedürfnis für die Auskunftsklage deshalb verneint hatte, weil die begehrten Auskünfte über die Vormiete und Modernisierungen für die Berechnung der zulässigen Miete nicht relevant sei, da der Vermieter sich wegen Verstoßes gegen die Informationsobliegenheit auf keine Ausnahme berufen dürfe, hat der Senat dies anders gesehen. Der diesbezügliche Zusatz im Mietvertrag erfülle nämlich die Anforderungen des § 556g Abs. 1a BGB. Die Anforderungen an die Informationen dürften nicht überspannt werden.
Durch den Hinweis hatte der Vermieter vor Mietvertragsabschluss hinreichend Auskunft darüber erteilt, dass es sich um die erste Vermietung nach einer umfassenden Modernisierung handelte. Nach § 556g Abs. 1a S. 1 Nr. 4 BGB ist der Vermieter, soweit die Zulässigkeit der Miete auf § 556f S. 2 BGB beruht, verpflichtet, dem Mieter vor der Abgabe von dessen Vertragserklärung unaufgefordert Auskunft darüber zu erteilen, dass es sich um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung handelt. Aus den Gesetzesmaterialien zum Mietrechtsanpassungsgesetz ergibt sich, dass der Vermieter nach der Bestimmung des § 556g Abs. 1a S. 1 Nr. 4 BGB nicht gehalten ist, bereits vor Abgabe der Vertragserklärung des Mieters über Umfang und Details der Modernisierung Auskunft zu erteilen, sondern zunächst nur über das „Ob“ einer solchen umfassenden Modernisierung. Der Mieter kann mittels Auskunftsverlangens nach § 556g Abs. 3 BGB weitere Einzelheiten und Nachweise erfragen. Vor Vertragsschluss ist es ausreichend, wenn der Vermieter mitteilt, es handele sich um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung.
Außerdem hat der Senat darauf hingewiesen, dass in dem Mietvertragszusatz zugleich als Minus auch der Hinweis auf eine einfache Modernisierung gem. § 556e Abs. 2 BGB zu sehen sei, sofern sich herausstellt, dass eine umfassende Modernisierung i.S.v. § 556f S. 2 BGB nicht vorliegt. Der Hinweis umfasst auch den Fall der einfachen Modernisierung.