BGH, Urt. 1.8.2023 - X ZB 9/21
Sofortige Beschwerde gegen den Beschluss über die Herausgabe von Gutachten im Besichtigungsverfahren
Autor: Dr. Benjamin Pesch, Kather Augenstein, Düsseldorf
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 09/2023
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 09/2023
Gegen eine Entscheidung über die Herausgabe eines Gutachtens, das in einem selbständigen Beweisverfahren aufgrund einer nach § 140c Abs. 3 PatG oder § 24c Abs. 3 GebrMG angeordneten Besichtigung erstellt worden ist, an den Antragsteller des Beweisverfahrens ist gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO die sofortige Beschwerde statthaft. Dies gilt nicht nur dann, wenn der Antrag auf Herausgabe abgelehnt wird, sondern auch dann, wenn das erstinstanzliche Gericht die Herausgabe anordnet, obwohl der Antragsgegner dem unter Geltendmachung von Geheimhaltungsinteressen entgegengetreten ist.Für die Entscheidung über die Herausgabe des Gutachtens ist die Frage, wie wahrscheinlich das Bestehen von Ansprüchen wegen Verletzung des Schutzrechts ist, nur dann erheblich, wenn der Antragsgegner berechtigte Geheimhaltungsinteressen dargelegt hat.
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 2; PatG § 140c Abs. 1, S. 3, Abs. 3 S. 2; GebrMG § 24 Abs. 1 S. 3, Abs. 3 S. 2
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wies das OLG München den Antrag auf Herausgabe der Gutachten als derzeit unbegründet zurück, da eine Verletzung des Gebrauchsmusters wegen eines negativen Zwischenbescheids der Löschungsabteilung des DPMA nicht hinreichend wahrscheinlich sei.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Da die sofortige Beschwerde vor dem OLG zulässig war, ist der BGH an die Zulassungsentscheidung des OLG gebunden.
Nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist die sofortige Beschwerde statthaft, wenn das Gericht ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückweist. Im Rahmen des Besichtigungsverfahrens nach § 140c Abs. 3 PatG, § 24c Abs. 3 GebrMG ist sie daher nicht nur statthaft, wenn das Gericht den Antrag auf Herausgabe des Gutachtens zurückweist, sondern auch dann, wenn der Antragsgegner Geheimhaltungsinteressen darlegt und das Gericht die Herausgabe nach einzelfallbezogener Interessenabwägung dennoch anordnet.
Das gilt umso mehr, da die Herausgabe zu einer endgültigen Preisgabe der Geheimnisse führt. Genau deshalb sieht auch § 20 Abs. 5 S. 4, 5 GeschGehG beispielsweise vor, dass eine sofortige Beschwerde statthaft ist, wenn ein Gericht einen Antrag auf Anordnung von Geheimhaltungsmaßnahmen ablehnt. § 145a Abs. 1 PatG, § 26a GebrMG schließen die entsprechende Anwendung des GeschGehG für das selbstständige Beweisverfahren nur aus, um das „Düsseldorfer Verfahren“ weiterhin zu ermöglichen. Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde war hier bereits zuvor anerkannt.
Nichts Anderes folgt daraus, dass die sofortige Beschwerde bei Entscheidungen, mit denen ein Antrag auf Geheimhaltungsanordnungen nach § 174 Abs. 3 GVG abgelehnt werden, nicht statthaft ist. Dort kann der Betroffene den Verlust seiner Geheimnisse vermeiden, indem er sie bis zur Rechtskraft der Entscheidung zurückhält und dann zwar unter Umständen zunächst unterliegt, im Rechtsmittelverfahren dann aber diesbezüglich Rechtsfehler geltend machen kann.
§ 490 Abs. 2 S. 2 ZPO schließt die sofortige Beschwerde nur für den Beschluss aus, mit dem ein selbstständiges Beweisverfahren angeordnet wird.
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das OLG hat verkannt, dass die Frage der Wahrscheinlichkeit der Verletzung nur erheblich ist, wenn der Antragsgegner berechtigte Geheimhaltungsinteressen darlegt und deshalb eine Abwägung vorzunehmen ist. Denn Maßnahmen i.S.d. § 140c Abs. 1 S. 3, Abs. 3 S. 2 PatG bzw. § 24c Abs. 1 S. 3, Abs. 3 S. 2 GebrMG sind nur anzuordnen, wenn berechtigte Geheimhaltungsinteressen geltend gemacht wurden.
Art. 7 Abs. 1 S. 5 der Durchsetzungsrichtlinie sieht zwar vor, dass Betroffene, die vor der Anordnung von Beweissicherungsmaßnahmen nicht angehört worden sind, eine Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit herbeiführen können müssen. Nach deutschem Recht stehen hierzu jedoch der Widerspruch gegen die e.V. und die Gegenvorstellung gegen Anordnung des selbstständigen Beweisverfahrens zur Verfügung.
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 2; PatG § 140c Abs. 1, S. 3, Abs. 3 S. 2; GebrMG § 24 Abs. 1 S. 3, Abs. 3 S. 2
Das Problem
Das LG München I ordnete gegen die Antragsgegnerin ein Besichtigungsverfahren nach dem „Düsseldorfer Verfahren“ (Kombination aus selbstständigem Beweisverfahren und einstweiliger Duldungsverfügung) an. Da die Kammer die Sachverständigengutachten zunächst nur an die Prozessvertreter der Antragstellerin aushändigte, beantragte diese die Herausgabe an sie. Die Kammer entsprach dem Antrag.Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wies das OLG München den Antrag auf Herausgabe der Gutachten als derzeit unbegründet zurück, da eine Verletzung des Gebrauchsmusters wegen eines negativen Zwischenbescheids der Löschungsabteilung des DPMA nicht hinreichend wahrscheinlich sei.
Die Entscheidung des Gerichts
Auf die Rechtsbeschwerde hin hebt der BGH den Beschluss des OLG Düsseldorf auf und verweist die Sache an dieses zurück.Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Da die sofortige Beschwerde vor dem OLG zulässig war, ist der BGH an die Zulassungsentscheidung des OLG gebunden.
Nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist die sofortige Beschwerde statthaft, wenn das Gericht ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückweist. Im Rahmen des Besichtigungsverfahrens nach § 140c Abs. 3 PatG, § 24c Abs. 3 GebrMG ist sie daher nicht nur statthaft, wenn das Gericht den Antrag auf Herausgabe des Gutachtens zurückweist, sondern auch dann, wenn der Antragsgegner Geheimhaltungsinteressen darlegt und das Gericht die Herausgabe nach einzelfallbezogener Interessenabwägung dennoch anordnet.
Das gilt umso mehr, da die Herausgabe zu einer endgültigen Preisgabe der Geheimnisse führt. Genau deshalb sieht auch § 20 Abs. 5 S. 4, 5 GeschGehG beispielsweise vor, dass eine sofortige Beschwerde statthaft ist, wenn ein Gericht einen Antrag auf Anordnung von Geheimhaltungsmaßnahmen ablehnt. § 145a Abs. 1 PatG, § 26a GebrMG schließen die entsprechende Anwendung des GeschGehG für das selbstständige Beweisverfahren nur aus, um das „Düsseldorfer Verfahren“ weiterhin zu ermöglichen. Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde war hier bereits zuvor anerkannt.
Nichts Anderes folgt daraus, dass die sofortige Beschwerde bei Entscheidungen, mit denen ein Antrag auf Geheimhaltungsanordnungen nach § 174 Abs. 3 GVG abgelehnt werden, nicht statthaft ist. Dort kann der Betroffene den Verlust seiner Geheimnisse vermeiden, indem er sie bis zur Rechtskraft der Entscheidung zurückhält und dann zwar unter Umständen zunächst unterliegt, im Rechtsmittelverfahren dann aber diesbezüglich Rechtsfehler geltend machen kann.
§ 490 Abs. 2 S. 2 ZPO schließt die sofortige Beschwerde nur für den Beschluss aus, mit dem ein selbstständiges Beweisverfahren angeordnet wird.
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das OLG hat verkannt, dass die Frage der Wahrscheinlichkeit der Verletzung nur erheblich ist, wenn der Antragsgegner berechtigte Geheimhaltungsinteressen darlegt und deshalb eine Abwägung vorzunehmen ist. Denn Maßnahmen i.S.d. § 140c Abs. 1 S. 3, Abs. 3 S. 2 PatG bzw. § 24c Abs. 1 S. 3, Abs. 3 S. 2 GebrMG sind nur anzuordnen, wenn berechtigte Geheimhaltungsinteressen geltend gemacht wurden.
Art. 7 Abs. 1 S. 5 der Durchsetzungsrichtlinie sieht zwar vor, dass Betroffene, die vor der Anordnung von Beweissicherungsmaßnahmen nicht angehört worden sind, eine Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit herbeiführen können müssen. Nach deutschem Recht stehen hierzu jedoch der Widerspruch gegen die e.V. und die Gegenvorstellung gegen Anordnung des selbstständigen Beweisverfahrens zur Verfügung.