BGH, Urt. 21.1.2021 - I ZR 120/19
Persönlichkeitsrechtsverletzendes „Clickbaiting“
Autor: RA, FA IT-Recht Dr. Kay Oelschlägel, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 06/2021
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 06/2021
Die Nutzung des Bildnisses einer prominenten Person im Internet als „Clickbait“ („Klickköder“) ohne redaktionellen Bezug zu dieser greift in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt ihres Rechts am eigenen Bild ein. Eine prominente Person muss nicht hinnehmen, dass ihr Bildnis von der Presse unentgeltlich zur Werbung für redaktionelle Beiträge eingesetzt wird, die sie nicht betreffen.
KUG § 22 Satz 1, § 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, § 818 Abs. 2; ZPO § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
Nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung klagte der Moderator vor dem LG Köln auf Zahlung einer angemessenen fiktiven Lizenzgebühr i.H.v. mindestens 20.000 €. Das LG Köln gab dem Klageantrag dem Grunde nach statt; das OLG Köln wies die Berufung der Programmzeitschrift zurück und verurteilte sie, 20.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Dagegen richtet sich die Revision.
Entscheidungsbefugnis bzgl. Klagebetrags: Das Berufungsgericht sei bei der Überprüfung eines erstinstanzlichen Grundurteils befugt, über den Betrag des Klageanspruchs zu entscheiden, wenn es das Grundurteil nicht beanstande und der Streit über den Betrag zur Entscheidung reif sei.
Rechtsverletzung: Dem Betroffenen stehe gegen die Programmzeitschrift ein Anspruch aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, 818 Abs. 2 BGB auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr i.H.v. 20.000 € zu. Durch die Nutzung des Bildnisses als „Clickbait“ („Klickköder“) ohne redaktionellen Bezug zu ihm greife die Programmzeitschrift in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt seines Rechts am eigenen Bild ein. Zwar liege eine redaktionelle Berichterstattung vor, welche die Programmzeitschrift mit dem Facebookpost beworben habe. Jedoch sei der Moderator von dieser redaktionellen Berichterstattung nicht betroffen gewesen, so dass sein Bild allein zum Zweck der Aufmerksamkeitswerbung benutzt worden sei.
Abwägung: Zudem sei der Eingriff gemessen an den §§ 22, 23 KUG rechtswidrig. Gemäß § 22 Satz 1 KUG dürften Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verwendet werden. Bei Fehlen dieser Einwilligung sei die Verbreitung nur zulässig, wenn das Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG (oder den anderen Ausnahmetatbeständen des Abs. 1) zuzuordnen sei und berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt würden, § 23 Abs. 2 KUG. Vorliegend habe der Abgebildete keine Einwilligung erteilt. Der Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sei auch eröffnet. Jedoch falle die gem. § 23 Abs. 2 KUG vorzunehmende Abwägung zugunsten des Betroffenen aus. Zwar handle es sich bei ihm um eine prominente Person. Das veröffentlichte Bild sei auch kein unvorteilhaftes Foto und stamme lediglich aus der beruflichen Tätigkeit und sei somit der Sozialsphäre zuzuordnen. Jedoch befinde sich der Post, bezogen auf ihn, an der Grenze zu einer bewussten Falschmeldung und somit am Rand des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Moderator selbst sei nämlich nicht Gegenstand der redaktionellen Berichterstattung gewesen und stehe auch mit der Erkrankung des anderen in keinerlei Zusammenhang.
Fiktive Lizenzgebühr: Daher müsse er nicht hinnehmen, dass sein Bildnis von der Presse unentgeltlich zur Werbung für redaktionelle Beiträge eingesetzt werde, welche ihn nicht beträfen. Auch der vom Berufungsgericht festgesetzte Wert der von der Programmzeitschrift zu zahlenden fiktiven Lizenzgebühr von 20.000 € sei nicht zu beanstanden und halte einer Revision stand.
KUG § 22 Satz 1, § 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, § 818 Abs. 2; ZPO § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
Das Problem
Eine Programmzeitschrift veröffentlichte ohne Einverständnis eines bekannten Fernsehmoderators auf ihrem Facebookprofil folgenden Text: „+++ GERADE VERMELDET +++ Einer dieser TV-Moderatoren muss sich wegen KREBSERKRANKUNG zurückziehen. Wir wünschen, dass es ihm bald wieder gut geht“. Dieser Post enthielt neben dem Foto des Betroffenen Bildnisse dreier weiterer prominenter Moderatoren. Durch Anklicken der Meldung wurden die Leser auf den Internetauftritt der Zeitschrift weitergeleitet, wo wahrheitsgemäß über die Erkrankung eines der Abgebildeten berichtet wurde. Informationen über den Betroffenen enthielt der Bericht hingegen nicht.Nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung klagte der Moderator vor dem LG Köln auf Zahlung einer angemessenen fiktiven Lizenzgebühr i.H.v. mindestens 20.000 €. Das LG Köln gab dem Klageantrag dem Grunde nach statt; das OLG Köln wies die Berufung der Programmzeitschrift zurück und verurteilte sie, 20.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Dagegen richtet sich die Revision.
Die Entscheidung des Gerichts
Die Revision wird zurückgewiesen.Entscheidungsbefugnis bzgl. Klagebetrags: Das Berufungsgericht sei bei der Überprüfung eines erstinstanzlichen Grundurteils befugt, über den Betrag des Klageanspruchs zu entscheiden, wenn es das Grundurteil nicht beanstande und der Streit über den Betrag zur Entscheidung reif sei.
Rechtsverletzung: Dem Betroffenen stehe gegen die Programmzeitschrift ein Anspruch aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, 818 Abs. 2 BGB auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr i.H.v. 20.000 € zu. Durch die Nutzung des Bildnisses als „Clickbait“ („Klickköder“) ohne redaktionellen Bezug zu ihm greife die Programmzeitschrift in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt seines Rechts am eigenen Bild ein. Zwar liege eine redaktionelle Berichterstattung vor, welche die Programmzeitschrift mit dem Facebookpost beworben habe. Jedoch sei der Moderator von dieser redaktionellen Berichterstattung nicht betroffen gewesen, so dass sein Bild allein zum Zweck der Aufmerksamkeitswerbung benutzt worden sei.
Abwägung: Zudem sei der Eingriff gemessen an den §§ 22, 23 KUG rechtswidrig. Gemäß § 22 Satz 1 KUG dürften Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verwendet werden. Bei Fehlen dieser Einwilligung sei die Verbreitung nur zulässig, wenn das Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG (oder den anderen Ausnahmetatbeständen des Abs. 1) zuzuordnen sei und berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt würden, § 23 Abs. 2 KUG. Vorliegend habe der Abgebildete keine Einwilligung erteilt. Der Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sei auch eröffnet. Jedoch falle die gem. § 23 Abs. 2 KUG vorzunehmende Abwägung zugunsten des Betroffenen aus. Zwar handle es sich bei ihm um eine prominente Person. Das veröffentlichte Bild sei auch kein unvorteilhaftes Foto und stamme lediglich aus der beruflichen Tätigkeit und sei somit der Sozialsphäre zuzuordnen. Jedoch befinde sich der Post, bezogen auf ihn, an der Grenze zu einer bewussten Falschmeldung und somit am Rand des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Moderator selbst sei nämlich nicht Gegenstand der redaktionellen Berichterstattung gewesen und stehe auch mit der Erkrankung des anderen in keinerlei Zusammenhang.
Fiktive Lizenzgebühr: Daher müsse er nicht hinnehmen, dass sein Bildnis von der Presse unentgeltlich zur Werbung für redaktionelle Beiträge eingesetzt werde, welche ihn nicht beträfen. Auch der vom Berufungsgericht festgesetzte Wert der von der Programmzeitschrift zu zahlenden fiktiven Lizenzgebühr von 20.000 € sei nicht zu beanstanden und halte einer Revision stand.