BGH, Urt. 23.10.2019 - I ZR 46/19
Missbräuchliche Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung durch Kennzeichenrechtsinhaber
Autor: RA Michael Alber, von BOETTICHER Rechtsanwälte, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 07/2020
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 07/2020
Den Grundsätzen von Treu und Glauben kann es widersprechen, wenn der Inhaber eines Kennzeichenrechts sich bei der Geltendmachung von Vertragsstrafenansprüchen auf eine nur formale Rechtsstellung beruft. Von einer missbräuchlichen Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung ist auszugehen, wenn ein Markeninhaber (1) eine Vielzahl von Marken für unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen anmeldet, (2) hinsichtlich der in Rede stehenden Marken keinen ernsthaften Benutzungswillen hat – vor allem zur Benutzung in einem eigenen Geschäftsbetrieb oder für dritte Unternehmen aufgrund eines bestehenden oder potentiellen konkreten Beratungskonzepts – und (3) die Marken im Wesentlichen zu dem Zweck gehortet werden, Dritte, die identische oder ähnliche Bezeichnungen verwenden, mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen (Fortführung von BGH, Urt. v. 23.11.2000 – I ZR 93/98, GRUR 2001, 242, 244 – Classe E).
BGB § 242, § 339 Satz 2; ZPO § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
Zu Recht habe das OLG Düsseldorf einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Vertragsstrafe mit der Begründung verneint, dass dem entsprechenden Begehren die Einrede der Bösgläubigkeit der Klägerin bei der Markenanmeldung entgegenstehe. So sei es dem Inhaber einer eingetragenen Marke gem. § 242 BGB generell versagt, sich in missbräuchlicher Weise auf seine formale Rechtsstellung zu berufen. Das sei insbesondere dann anzunehmen, wenn der Markeninhaber eine Vielzahl von Marken für unterschiedliche Waren und Dienstleistungen horte, ohne diese ernsthaft im eigenen Geschäftsbetrieb oder für dritte Unternehmen aufgrund eines konkreten Beratungskonzepts kennzeichenmäßig nutzen zu wollen, sondern um mit besagten Marken Dritte mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen.
Einen solchen Fall habe das OLG Düsseldorf nach den hier zugrunde zu legenden Tatsachen zu Recht angenommen. So sei die Klägerin Inhaberin von 12 Marken mit teils recht weitreichendem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis. Ein wie auch immer geartetes Nutzungskonzept und/oder konkrete Benutzungshandlungen habe sie zu diesen Marken aber bis zuletzt nicht vorgetragen, obwohl sie hierzu im Rahmen einer sekundären Darlegungslast verpflichtet gewesen sei. Die Würdigung durch das OLG Düsseldorf sei revisionsrechtlich auch insoweit nicht zu beanstanden, als die von der Klägerin in zweiter Instanz erstmals in das Verfahren eingeführten Lizenzverträge nicht berücksichtigt worden seien. Zu Recht habe das OLG Düsseldorf letztere als „neue Angriffsmittel“ i.S.d. § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin liege in der Vorlage der Lizenzvereinbarungen nicht lediglich eine Konkretisierung erstinstanzlichen Vorbringens.
Von einer solchen Konkretisierung könne nämlich nur dann ausgegangen werden, wenn bereits schlüssiges oder erhebliches Vorbringen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert werde. Das sei hier jedoch nicht der Fall. Die Klägerin habe in erster Instanz lediglich pauschal zu einer Nutzung der Klagemarke für 3D-Drucker und Vaporizer vorgetragen. Dieses bereits erstinstanzliche Versäumnis der Klägerin sei auch nicht durch einen Verfahrensmangel in Form einer Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht seitens des LG Düsseldorf bedingt, so dass eine Zulassung des „neuen“ Vorbringens in der Berufungsinstanz auch nicht gem. 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO geboten gewesen sei. So habe das LG Düsseldorf auf die fehlende Substantiierung des klägerischen Vortrags zu den Benutzungshandlungen hingewiesen. Ein gerichtlicher Hinweis sei zudem auch entbehrlich, wenn die darlegungspflichtige Partei – wie hier – bereits mit dem Vorbringen der Gegenpartei über einen Mangel in dem für eine Anspruchssubstantiierung erforderlichen Sachvortrag unterrichtet worden sei.
BGB § 242, § 339 Satz 2; ZPO § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
Problem
Die Klägerin ist Inhaberin von insgesamt 12 beim DPMA und dem EUIPO eingetragenen Wort- bzw. Wort-/Bildmarken, die im Wortbestandteil jeweils den Namen berühmter Künstler tragen. Hierzu gehören u.a. die Unions-Wort-/Bildmarke „DA VINCI“ sowie die gleichlautende deutsche Wortmarke, die Schutz für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 8, 9, 35, 36 und 38 bzw. 3, 25 und 27 beanspruchen. Die Beklagten sind als Händler auf der Internethandelsplattform eBay tätig. Dort haben sie u.a. eine Salzlampe unter der Bezeichnung „Davinci“ zum Kauf angeboten. Auf die Abmahnung der Klägerin hin, haben die Beklagten hinsichtlich der Nutzung des Zeichens „Davinci“ eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Zwei der betreffenden eBay-Angebote waren aber auch in der Folgezeit weiterhin abrufbar. Daraufhin hat die Klägerin die Beklagten außergerichtlich zur Zahlung einer Vertragsstrafe i.H.v. zunächst 6.900 € aufgefordert. Nachdem die Beklagten der klägerischen Forderung nicht nachgekommen sind, hat die Klägerin sie gerichtlich auf Zahlung einer Vertragsstrafe i.H.v. 5.000 € in Anspruch genommen. Die Beklagten haben das klägerische Vorbringen dabei u.a. hinsichtlich des Erfordernisses einer Substantiierung des generellen Benutzungswillens beanstandet. Das in erster Instanz mit der Entscheidung betraute LG Düsseldorf hat die Klägerin dann auch auf die fehlende Substantiierung des Vortrags zur Benutzung der Klagemarke hingewiesen und die Klage später unter Feststellung der rechtsmissbräuchlichen Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung abgewiesen. Die hiergegen von der Klägerin beim OLG Düsseldorf eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrer Revision beim BGH.Entscheidung des Gerichts
Der BGH hat die Revision der Klägerin gegen die Entscheidung des OLG Düsseldorf zurückgewiesen.Zu Recht habe das OLG Düsseldorf einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Vertragsstrafe mit der Begründung verneint, dass dem entsprechenden Begehren die Einrede der Bösgläubigkeit der Klägerin bei der Markenanmeldung entgegenstehe. So sei es dem Inhaber einer eingetragenen Marke gem. § 242 BGB generell versagt, sich in missbräuchlicher Weise auf seine formale Rechtsstellung zu berufen. Das sei insbesondere dann anzunehmen, wenn der Markeninhaber eine Vielzahl von Marken für unterschiedliche Waren und Dienstleistungen horte, ohne diese ernsthaft im eigenen Geschäftsbetrieb oder für dritte Unternehmen aufgrund eines konkreten Beratungskonzepts kennzeichenmäßig nutzen zu wollen, sondern um mit besagten Marken Dritte mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen.
Einen solchen Fall habe das OLG Düsseldorf nach den hier zugrunde zu legenden Tatsachen zu Recht angenommen. So sei die Klägerin Inhaberin von 12 Marken mit teils recht weitreichendem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis. Ein wie auch immer geartetes Nutzungskonzept und/oder konkrete Benutzungshandlungen habe sie zu diesen Marken aber bis zuletzt nicht vorgetragen, obwohl sie hierzu im Rahmen einer sekundären Darlegungslast verpflichtet gewesen sei. Die Würdigung durch das OLG Düsseldorf sei revisionsrechtlich auch insoweit nicht zu beanstanden, als die von der Klägerin in zweiter Instanz erstmals in das Verfahren eingeführten Lizenzverträge nicht berücksichtigt worden seien. Zu Recht habe das OLG Düsseldorf letztere als „neue Angriffsmittel“ i.S.d. § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin liege in der Vorlage der Lizenzvereinbarungen nicht lediglich eine Konkretisierung erstinstanzlichen Vorbringens.
Von einer solchen Konkretisierung könne nämlich nur dann ausgegangen werden, wenn bereits schlüssiges oder erhebliches Vorbringen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert werde. Das sei hier jedoch nicht der Fall. Die Klägerin habe in erster Instanz lediglich pauschal zu einer Nutzung der Klagemarke für 3D-Drucker und Vaporizer vorgetragen. Dieses bereits erstinstanzliche Versäumnis der Klägerin sei auch nicht durch einen Verfahrensmangel in Form einer Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht seitens des LG Düsseldorf bedingt, so dass eine Zulassung des „neuen“ Vorbringens in der Berufungsinstanz auch nicht gem. 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO geboten gewesen sei. So habe das LG Düsseldorf auf die fehlende Substantiierung des klägerischen Vortrags zu den Benutzungshandlungen hingewiesen. Ein gerichtlicher Hinweis sei zudem auch entbehrlich, wenn die darlegungspflichtige Partei – wie hier – bereits mit dem Vorbringen der Gegenpartei über einen Mangel in dem für eine Anspruchssubstantiierung erforderlichen Sachvortrag unterrichtet worden sei.