BGH, Urt. 23.10.2024 - VIII ZR 106/23

Kündigung: Keine Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung nach Schonfristzahlung

Autor: Prof. Dr. Ulf P. Börstinghaus, Gelsenkirchen
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 12/2024
Es entspricht weiterhin und uneingeschränkt entgegen der wiederholten abweichenden Rechtsprechung einer Kammer des LG Berlin II der Rechtsprechung des BGH, dass ein innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB erfolgter Ausgleich des Mietrückstands lediglich Folgen für die auf § 543 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 3 BGB gestützte fristlose, nicht jedoch für eine aufgrund desselben Mietrückstands hilfsweise auf § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB gestützte ordentliche Kündigung hat.

BGB § 543 Abs. 2; § 569 Abs. 3; § 573 Abs. 2

Das Problem

Es handelt sich um den Klassiker in einem Räumungsprozess. Die Mieter zahlten die Miete für die Monate Oktober 2019, Januar 2020 und Mai 2021 nicht. Nachdem die Vermieterin sie mehrmals gemahnt hatte, erklärte sie mit Schreiben vom 8.6.2021 die fristlose und hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs. Am 30.6.2021 glichen die Beklagten die Mietrückstände vollständig aus. Das AG hat der Räumungsklage aufgrund der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung stattgegeben. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat die 66. ZK des LG Berlin II das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen, da es die Wirkung der Schonfristzahlung auch auf die ordentliche Kündigung ausweitete.

Die Entscheidung des Gerichts

Die zugelassene Revision hatte – erwartungsgemäß – beim VIII. Senat Erfolg und führte zur Aufhebung der Berufungsentscheidung und Zurückverweisung an eine andere Kammer des LG Berlin II. Bei Zahlungsverzug des Mieters kann der Vermieter unter den jeweiligen Voraussetzungen der § 543 Abs. 2 Ziff. 3 BGB bzw. § 573 Abs. 2 Ziff. 1 BGB das Mietverhältnis sowohl fristlos wie auch fristgerecht kündigen. Die fristlose Kündigung wird unwirksam, wenn der Mieter den Rückstand spätestens zwei Monate nach Zustellung der Räumungsklage zahlt. Nach ständig wiederholter Ansicht der 66. ZK des LG Berlin II soll dies auch für die ordentliche Kündigung gelten, da „die besseren Gründe unverändert gegen die Ansicht des BGH sprechen.“ Soweit einzelne Entscheidungen nicht rechtskräftig geworden sind, hat der BGH alle Entscheidungen aufgehoben und zuletzt auch jeweils an eine andere Kammer verwiesen. So auch vorliegend. Der BGH ist bei seiner Auffassung geblieben (BGH v. 13.10.2021 -- VIII ZR 91/20, MietRB 2022, 77 [Schneider] = NZM 2022, 49; BGH v. 19.9.2018 –VIII ZR 231/17, MietRB 2019, 5 [Dötsch] = NZM 2018, 941; BGH v. 10.10.2012 -- VIII ZR 107/12, MietRB 2013, 1 ff. [Schmid] = NZM 2013, 20; BGH v. 16.2.2005 -- VIII ZR 6/04, MietRB 2005, 173 [Dickerbach] = NZM 2005, 334; BGH v. 11.1.2006 -- VIII ZR 364/04, MietRB 2006, 211 [Junker] = NZM 2006, 338; BGH v. 25.10.2006 -- VIII ZR 102/06, MietRB 2007, 59 [Lützenkirchen] = NZM 2007, 35; BGH v. 28.11.2007 -- VIII ZR 145/07, MietRB 2008, 100 [Lützenkirchen] = NZM 2008, 121; BGH v. 1.7.2015 -- VIII ZR 278/13, MietRB 2015, 298 [Grziwotz] = NZM 2015, 658; BGH v. 1.7.2020 - VIII ZR 323/18, MietRB 2020, 258 [Harsch] = NZM 2020, 834), wonach eine Schonfristzahlung eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzuges nicht unwirksam werden lässt. § 569 Abs. 3 Ziff. 2 BGB kann weder unmittelbar noch analog angewendet werden. Der BGH weist vertiefend noch darauf hin, dass der Gesetzgeber die Auslegung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB, wie sie der Senat seit vielen Jahren vornimmt, nicht nur hingenommen hat, sondern diverse Gesetzgebungsvorhaben eingeleitet hat, die jeweils keine Mehrheit gefunden haben. Diese Umstände sprechen im Ergebnis eindeutig dafür, dass der Gesetzgeber das aufgezeigte Normverständnis als weiterhin geltende Rechtspraxis ansieht. Der Senat weist deshalb nochmals darauf hin, dass die Rechtsprechung an diese mehrfach zum Ausdruck gebrachte gesetzgeberische Entscheidung gebunden ist.

Nach Ansicht des BGH hat das Berufungsgericht keinerlei neue Argumente vorgetragen, mit denen sich der Senat nicht bereits mehrfach und ausführlich auseinandergesetzt hatte. Deshalb hat der Senat zur Begründung schlicht und einfach auf seine der Kammer bekannten bisherigen Urteile verwiesen. Darüber hinausgehende neue Gesichtspunkte, die den Senat zu einer Änderung seiner bisherigen Auffassung veranlassen könnten, konnte der Senat der Berufungsentscheidung nicht entnehmen. Soweit das Berufungsgericht nach wie vor der Auffassung ist, der Senat habe bei seinen Ausführungen zur historischen Auslegung zu Unrecht auf ein bloßes Nichthandeln beziehungsweise ein bloßes „Verhalten des Gesetzgebers“ abgestellt, treffe dies nicht zu. Daher ginge auch der Einwand des Berufungsgerichts fehl, der methodische Ansatz des Senats habe „äußerst bedenkliche Konsequenzen für die Rechtsklarheit“ und könne zu „untragbaren Verwerfungen in der parlamentarischen Arbeit“ führen. Denn mit der vom Senat vorgenommenen Beurteilung wird weder jeder parlamentarischen Äußerung ohne weiteres für die historische Auslegung einer Norm eine Relevanz beigemessen noch davon ausgegangen, dass der Ablehnung oder Nichtverfolgung von Gesetzgebungsvorhaben generell Bedeutung im Rahmen der Gesetzesauslegung zukäme.


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