BGH, Urt. 23.2.2022 - VIII ZR 305/20
Mietervorkaufsrecht: Unwirksamkeit einer differenzierten Preisabrede
Autor: RA Dr. Rainer Burbulla, Langguth & Burbulla Rechtsanwälte PartG mbB Düsseldorf
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 05/2022
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 05/2022
Die in einem Kaufvertrag über eine mit einem Vorkaufsrecht des Mieters belastete Eigentumswohnung zwischen dem Vorkaufsverpflichteten (Verkäufer) und dem Dritten (Erstkäufer) getroffene Abrede, wonach der Vorkaufsberechtigte (Mieter) einen höheren Preis zu bezahlen hat als der Erstkäufer, stellt eine in Bezug auf den höheren Preis unzulässige und deshalb insoweit unwirksame Vereinbarung zulasten Dritter dar. Das gilt auch dann, wenn der Erstkäufer – wie in der hier zu beurteilenden Preisabrede vorgesehen – den höheren Kaufpreis nur ausnahmsweise (unter bestimmten engen Voraussetzungen) zu entrichten hat, während der Vorkaufsberechtigte diesen bei Ausübung des Vorkaufsrechts stets schuldet.
BGB §§ 577, 463 f.
Nach § 577 Abs. 1 S. 3 BGB finden auf das dem Mieter unter den Voraussetzungen des § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB zustehende Vorkaufsrecht grundsätzlich die Vorschriften über den Vorkauf (§§ 463 ff. BGB) Anwendung. Die Abrede, wonach unter bestimmten Bedingungen ein höherer Kaufpreis zu bezahlen sei, sei teilweise unwirksam, da es sich bei dieser Teilabrede um eine unzulässige Vereinbarung zu Lasten Dritter handelt (§ 577 Abs. 1 S. 3, § 464 Abs. 2 BGB i.V.m. dem Verbot, einen Vertrag zu Lasten Dritter zu schließen). Ein unzulässiger und deshalb unwirksamer Vertrag zu Lasten Dritter liegt vor, wenn durch ihn unmittelbar eine Rechtspflicht eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten – ohne seine Autorisierung – entstehen soll (Hinweis auf BGH v. 12.2.2019 – VI ZR 141/18, MDR 2019, 480). Durch die gesetzliche Regelung in § 464 Abs. 2 BGB soll gewährleistet werden, dass den Vorkaufsberechtigten nach dem Inhalt seines Kaufvertrages keine anderen, insbesondere keine ungünstigeren Bedingungen treffen als diejenigen, die für den Erstkäufer aufgrund seines Kaufvertrages mit dem Verkäufer gelten (Hinweis auf BGH v. 14.7.1995 – V ZR 31/94, MDR 1995, 1209). Ungünstigere Bedingungen – und damit eine Verkürzung der dem Vorkaufsberechtigten gesetzlich eingeräumten Rechtsposition – liegen auch dann vor, wenn dem Erstkäufer unter bestimmten Voraussetzungen die Bezahlung eines niedrigeren Kaufpreises gewährt wird, während der Vorkaufsberechtigte stets – insbesondere auch dann, wenn die den Erstkäufer privilegierenden Voraussetzungen objektiv vorliegen – den höheren Kaufpreis zu bezahlen hätte.
Die Besonderheiten des Mietervorkaufsrechts rechtfertigen keine andere Beurteilung. Insbesondere ist eine differenzierte Entgeltabrede, die unterschiedliche Preisbedingungen für den Erstkäufer einerseits und den Vorkaufsberechtigten andererseits vorsieht, nicht etwa deshalb als wirksam anzusehen, weil sich die verkaufte Wohnung bei fortbestehendem Mietverhältnis aus der Sicht des Erwerbers – anders als aus der Sicht des vorkaufsberechtigten Mieters – als an einen Dritten vermietetet darstellt und sich dieser Gesichtspunkt maßgeblich auf die Höhe des zu erzielenden Kaufpreises auswirken kann (Hinweis u.a. auf Burbulla/Schneider, ZfIR 2021, 30 f.). Schon der Ausgangspunkt, dass vermietete Wohnungen stets nur mit einem Preisabschlag verkauft werden können, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Es könne insoweit auch nicht auf einen unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten anzustellenden Vergleich der Position des Erstkäufers mit derjenigen des vorkaufsberechtigten Mieters abgestellt werden (Hinweis u.a. auf Burbulla/Schneider, ZfIR 2021, 31).
BGB §§ 577, 463 f.
Das Problem
Die Verkäuferin verkaufte eine in Berlin gelegene Eigentumswohnung an einen Dritten („Erstkäufer“). An der Wohnung besteht das gesetzliche Vorkaufsrecht der Mieterin (§ 577 BGB). Der mit dem Erstkäufer vereinbarte Kaufpreis sollte höher ausfallen, wenn die Wohnung „ohne Mietverhältnis mit einem Dritten“ an den Erstkäufer überlassen wird. Die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Mieterin wurde in dem Kaufvertrag mit einer „Überlassung (der Wohnung) ohne Mietverhältnis“ gleichgesetzt. Die Mieterin übte ihr Vorkaufsrecht aus und erwarb die Wohnung zu dem höheren Kaufpreis für eine „unvermietete“ Wohnung. Den Kaufpreis zahlte die Mieterin unter Vorbehalt. Sie verlangt die Rückzahlung der Differenz zwischen dem von ihr für die „unvermietete“ Wohnung gezahlten (höheren) Kaufpreis mit dem für eine vermietete Wohnung im Kaufvertrag vorgesehenen (geringeren) Kaufpreis.Die Entscheidung des Gerichts
Der Senat bejaht einen Anspruch auf Rückzahlung des Differenzbetrages aus § 812 Satz Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB.Nach § 577 Abs. 1 S. 3 BGB finden auf das dem Mieter unter den Voraussetzungen des § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB zustehende Vorkaufsrecht grundsätzlich die Vorschriften über den Vorkauf (§§ 463 ff. BGB) Anwendung. Die Abrede, wonach unter bestimmten Bedingungen ein höherer Kaufpreis zu bezahlen sei, sei teilweise unwirksam, da es sich bei dieser Teilabrede um eine unzulässige Vereinbarung zu Lasten Dritter handelt (§ 577 Abs. 1 S. 3, § 464 Abs. 2 BGB i.V.m. dem Verbot, einen Vertrag zu Lasten Dritter zu schließen). Ein unzulässiger und deshalb unwirksamer Vertrag zu Lasten Dritter liegt vor, wenn durch ihn unmittelbar eine Rechtspflicht eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten – ohne seine Autorisierung – entstehen soll (Hinweis auf BGH v. 12.2.2019 – VI ZR 141/18, MDR 2019, 480). Durch die gesetzliche Regelung in § 464 Abs. 2 BGB soll gewährleistet werden, dass den Vorkaufsberechtigten nach dem Inhalt seines Kaufvertrages keine anderen, insbesondere keine ungünstigeren Bedingungen treffen als diejenigen, die für den Erstkäufer aufgrund seines Kaufvertrages mit dem Verkäufer gelten (Hinweis auf BGH v. 14.7.1995 – V ZR 31/94, MDR 1995, 1209). Ungünstigere Bedingungen – und damit eine Verkürzung der dem Vorkaufsberechtigten gesetzlich eingeräumten Rechtsposition – liegen auch dann vor, wenn dem Erstkäufer unter bestimmten Voraussetzungen die Bezahlung eines niedrigeren Kaufpreises gewährt wird, während der Vorkaufsberechtigte stets – insbesondere auch dann, wenn die den Erstkäufer privilegierenden Voraussetzungen objektiv vorliegen – den höheren Kaufpreis zu bezahlen hätte.
Die Besonderheiten des Mietervorkaufsrechts rechtfertigen keine andere Beurteilung. Insbesondere ist eine differenzierte Entgeltabrede, die unterschiedliche Preisbedingungen für den Erstkäufer einerseits und den Vorkaufsberechtigten andererseits vorsieht, nicht etwa deshalb als wirksam anzusehen, weil sich die verkaufte Wohnung bei fortbestehendem Mietverhältnis aus der Sicht des Erwerbers – anders als aus der Sicht des vorkaufsberechtigten Mieters – als an einen Dritten vermietetet darstellt und sich dieser Gesichtspunkt maßgeblich auf die Höhe des zu erzielenden Kaufpreises auswirken kann (Hinweis u.a. auf Burbulla/Schneider, ZfIR 2021, 30 f.). Schon der Ausgangspunkt, dass vermietete Wohnungen stets nur mit einem Preisabschlag verkauft werden können, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Es könne insoweit auch nicht auf einen unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten anzustellenden Vergleich der Position des Erstkäufers mit derjenigen des vorkaufsberechtigten Mieters abgestellt werden (Hinweis u.a. auf Burbulla/Schneider, ZfIR 2021, 31).