BGH, Urt. 24.1.2023 - X ZR 123/20
Erschöpfung bei covenant not to sue und covenant to be sued last
Autor: Dr. Benjamin Pesch, Kather Augenstein, Düsseldorf
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 04/2023
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 04/2023
Die Frage, ob und inwieweit Rechte aus einem Patent durch das Inverkehrbringen von Erzeugnissen erschöpft sind, ist nach dem Recht des Schutzlands zu beurteilen. Ein covenant not to sue führt in der Regel zur Erschöpfung der Rechte im Hinblick auf Erzeugnisse, die auf dieser Grundlage in Verkehr gebracht werden.Für die Frage, ob ein covenant to be sued last zur Erschöpfung führt, ist insbesondere von Bedeutung, ob der Vertragspartner bei dem üblicherweise zu erwartenden Verlauf befürchten muss, von der Patentinhaberin wegen Verletzung des Patents in Anspruch genommen zu werden. Die Zustimmung zum Inverkehrbringen eines Erzeugnisses kann als Zustimmung zum Inverkehrbringen einer damit ausgestatteten größeren Vorrichtung zu werten sein, wenn dies die wirtschaftlich allein sinnvolle Verwendung darstellt. Die Zustimmung zum Inverkehrbringen eines Erzeugnisses kann zur Erschöpfung der Rechte bezüglich einer damit ausgestatteten größeren Vorrichtung führen, wenn alle im Patent definierten Eigenschaften und Funktionen durch das von der Zustimmung gedeckte Erzeugnis verwirklicht werden und den übrigen Bestandteilen der größeren Vorrichtung insoweit keine Bedeutung zukommt.
PatG § 14
Das LG Mannheim gab der Klage teilweise statt.
In der Berufung machte die Vertriebsgesellschaft erstmalig Erschöpfung geltend. Die Patentinhaberin habe mit Chipherstellern Verträge über das Klagepatent geschlossen, die einen covenant to be sued last vorsähen. Nach dem maßgeblichen US-Recht sei dieser wie ein covenant not to sue und damit als negative Lizenz zu behandeln, die zur Erschöpfung führe, auch mit Blick auf die Mobiltelefone der Vertriebsgesellschaft.
Das OLG Karlsruhe verneinte eine Erschöpfung und gab der Klage vollumfänglich statt. Ein covenant not to sue sei lediglich ein (prozessuales) Stillhalteabkommen zugunsten des Vertragspartners. Ein covenant to be sued last führe daher „erst recht“ nicht zu einer Erschöpfung.
Nach dem maßgeblichen deutschen Recht führe ein covenant not to sue i.d.R. zur Erschöpfung. Entscheidend sei, ob der Patentinhaber hinreichend deutlich zu erkennen gebe, dass er gegenüber seinem Vertragspartner keine Rechte aus dem Patent geltend machen werde. Dies sei bei einem covenant not to sue i.d.R. der Fall. Ein Vorbehalt, Abnehmer des Vertragspartners wegen Verletzung des Patents in Anspruch zu nehmen, sei dann unbeachtlich.
Da ein covenant not to sue entgegen der Ansicht des OLG Karlsruhe i.d.R. zur Erschöpfung führe, greife dessen Erst-Recht-Schluss bzgl. des covenant to be sued last nicht durch.
Was den Umfang der Erschöpfung anbelangt, so sei dieser grundsätzlich auf das Erzeugnis beschränkt, das mit Zustimmung der Patentinhaberin in Verkehr gelangt sei.
Die Zustimmung der Patentinhaberin zum Vertrieb der Chipsätze könne jedoch als Zustimmung zum Vertrieb der Mobiltelefone auszulegen sein, wenn der Einbau der Chipsätze in diese die wirtschaftlich allein sinnvolle Verwendung sei.
Unabhängig davon komme Erschöpfung in Betracht, wenn die Chipsätze im Wesentlichen die technischen Wirkungen des Klagepatents herbeiführten und den übrigen Bestandteilen der Mobiltelefone keine ausschlaggebende Bedeutung beikomme.
PatG § 14
Das Problem
Mit ihrer Klage verfolgt die Patentinhaberin die Durchsetzung eines Standard-Essentiellen-Patents, das ein Verfahren zum Empfangen eines Steuerkanalsignals von einer Basisstation sowie ein mobiles Endgerät zur Durchführung dieses Verfahrens betrifft. Die Beklagte ist eine Vertriebsgesellschaft, die Mobiltelefone in Deutschland vertreibt und diese als LTE-kompatibel bewirbt.Das LG Mannheim gab der Klage teilweise statt.
In der Berufung machte die Vertriebsgesellschaft erstmalig Erschöpfung geltend. Die Patentinhaberin habe mit Chipherstellern Verträge über das Klagepatent geschlossen, die einen covenant to be sued last vorsähen. Nach dem maßgeblichen US-Recht sei dieser wie ein covenant not to sue und damit als negative Lizenz zu behandeln, die zur Erschöpfung führe, auch mit Blick auf die Mobiltelefone der Vertriebsgesellschaft.
Das OLG Karlsruhe verneinte eine Erschöpfung und gab der Klage vollumfänglich statt. Ein covenant not to sue sei lediglich ein (prozessuales) Stillhalteabkommen zugunsten des Vertragspartners. Ein covenant to be sued last führe daher „erst recht“ nicht zu einer Erschöpfung.
Die Entscheidung des Gerichts
Der BGH hebt das Urteil des OLG Karlsruhe auf und verweist die Sache an dieses zurück.Nach dem maßgeblichen deutschen Recht führe ein covenant not to sue i.d.R. zur Erschöpfung. Entscheidend sei, ob der Patentinhaber hinreichend deutlich zu erkennen gebe, dass er gegenüber seinem Vertragspartner keine Rechte aus dem Patent geltend machen werde. Dies sei bei einem covenant not to sue i.d.R. der Fall. Ein Vorbehalt, Abnehmer des Vertragspartners wegen Verletzung des Patents in Anspruch zu nehmen, sei dann unbeachtlich.
Da ein covenant not to sue entgegen der Ansicht des OLG Karlsruhe i.d.R. zur Erschöpfung führe, greife dessen Erst-Recht-Schluss bzgl. des covenant to be sued last nicht durch.
Was den Umfang der Erschöpfung anbelangt, so sei dieser grundsätzlich auf das Erzeugnis beschränkt, das mit Zustimmung der Patentinhaberin in Verkehr gelangt sei.
Die Zustimmung der Patentinhaberin zum Vertrieb der Chipsätze könne jedoch als Zustimmung zum Vertrieb der Mobiltelefone auszulegen sein, wenn der Einbau der Chipsätze in diese die wirtschaftlich allein sinnvolle Verwendung sei.
Unabhängig davon komme Erschöpfung in Betracht, wenn die Chipsätze im Wesentlichen die technischen Wirkungen des Klagepatents herbeiführten und den übrigen Bestandteilen der Mobiltelefone keine ausschlaggebende Bedeutung beikomme.