BGH, Urt. 24.3.2022 - I ZR 16/21

Zum Schutz eines aus mehreren Gegenständen bestehenden Designs

Autor: RA Adrian Zarm, LL.M., Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, CMS Hasche Sigle, Köln
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 06/2022
1. Die Auslegung eines Designs kann zu dem Ergebnis führen, dass Abweichungen der Wiedergaben bei der Bestimmung des Schutzgegenstands außer Betracht bleiben müssen und der Schutzgegenstand gleichsam aus der Schnittmenge der allen Darstellungen gemeinsamen Merkmale besteht (Bestätigung von BGH, Urt. v. 8.3.2012 – I ZR 124/10, GRUR 2012, 1139 [juris Rz. 31] = WRP 2012, 1540 – Weinkaraffe; Beschl. v. 20.12.2018 – I ZB 25/18, BGHZ 220, 344 [juris Rz. 17] – Sporthelm; Beschl. v. 20.12.2018 – I ZB 26/18, GRUR 2019, 835 [juris Rz. 31] = WRP 2019, 1032 – Sportbrille). Das gilt auch dann, wenn eine Darstellung Elemente enthält, die auf den anderen Darstellungen nicht zu sehen sind, so dass das in den anderen Darstellungen zu sehende Erzeugnis vollständig in der einen Darstellung enthalten ist.2. Die Auslegung eines Designs kann ergeben, dass sich der Schutzgegenstand aus mehreren Gegenständen zusammensetzt, die nach der Verkehrsauffassung ein einheitliches Erzeugnis – ein sog. Kombinationserzeugnis – bilden. Dies liegt insbesondere dann nahe, wenn die abgebildeten Einzelgegenstände ästhetisch aufeinander abgestimmt sind und miteinander in einem funktionalen Zusammenhang stehen (Bestätigung von BGH, GRUR 2012, 1139 [juris Rz. 32] – Weinkaraffe). Die Auslegung kann auch lediglich aufgrund einer dieser Eigenschaften – gegebenenfalls unter Einbeziehung weiterer Umstände – zur Annahme eines Kombinationserzeugnisses führen. Maßgeblich ist, welchen Schutzgegenstand die Fachkreise des betreffenden Sektors aus den Darstellungen und den weiteren aus dem Register ersichtlichen Informationen entnehmen.3. Im Fall eines Kombinationserzeugnisses ist ein isolierter Schutz für die Komponenten des Kombinationserzeugnisses – ohne eine gesonderte Anmeldung – ausgeschlossen, weil das Designrecht keinen Schutz für Teile oder Elemente eines eingetragenen Designs kennt (Bestätigung von BGH, GRUR 2012, 1139 [juris Rz. 28 und 35 bis 40] – Weinkaraffe).4. Führt die Auslegung nicht zu einem hinreichend klaren Ergebnis und bleibt offen, ob Schutz für einen Einzelgegenstand oder ein Kombinationserzeugnis beansprucht wird, geht die Unklarheit zu Lasten des Anmelders und ist das Design nichtig.

DesignG §§ 1 Nr. 1, 33 Abs. 1 Nr. 1, 37 Abs. 1

Das Problem

Der Kläger ist der Inhaber eines eingetragenen Designs. Im Register sind zur Wiedergabe des als „Schneidebretter“ eingetragenen Erzeugnisses drei Darstellungen hinterlegt. Die erste Darstellung zeigt ein Schneidebrett mit Auffangschale. Die Darstellungen zwei und drei zeigen ein Schneidebrett ohne Auffangschale. Eine Beschreibung zur Erläuterung der Wiedergabe oder ein Warenklassenverzeichnis hat der Kläger nicht zum Register eingereicht. Die Beklagte ist eine Online-Händlerin, die ein Schneidebrett mit Auffangschale vertreibt. Nach einer erfolglosen Abmahnung verlangte der Kläger u.a. Schadensersatz sowie Zahlung seiner Abmahnkosten. Die Online-Händlerin erhob Widerklage und forderte das Design für nichtig zu erklären. Kern des Falles war die Frage der Auslegung des Schutzgegenstandes. In Betracht kamen im Wesentlichen drei Möglichkeiten: (1.) Geschützt ist die Schnittmenge der drei Darstellungen, also nur das Schneidebrett ohne Auffangschale, (2.) Schneidebrett und Auffangschale ergeben zusammen ein geschütztes Kombinationserzeugnis oder (3.) die Darstellungen zeigen zwei Erzeugnisse, so dass mangels Darstellung „eines Erzeugnisses“ i.S.d. § 1 Nr. 1 DesignG das Design für nichtig zu erklären ist. Das LG München gab der Klage statt. Das Berufungsgericht ist der letztgenannten Auslegungsvariante gefolgt und hat auf die Widerklage das Design für nichtig erklärt.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH hob das Urteil bezüglich der Nichtigerklärung des Designs auf. Das Berufungsgericht habe verkannt, dass die Darstellungen nicht unterschiedliche Merkmale, sondern nur verschiedene (Teil-)Elemente eines Erzeugnisses zeigen. Zudem hätte das Vorliegen eines Kombinationserzeugnisses nicht allein aufgrund des Fehlens einer ästhetischen Abstimmung zwischen dem Schneidebrett und der Auffangschale verneint werden dürfen.

Liegen verschiedene Darstellungen eines Erzeugnisses vor, kann durch die Feststellung von Übereinstimmungen gemeinsamer Merkmale eine Schnittmenge gebildet werden. Eine solche Möglichkeit besteht nicht, wenn die verschiedenen Darstellungen unterschiedliche Ausführungsformen mit unterschiedlichen Merkmalen zeigen, so dass sich die Einheitlichkeit nicht aus dem Register, sondern aus der Vorstellungskraft der Betrachter ergebe. Vorliegend enthält die erste Darstellung ein Element (die Auffangschale), das in den Darstellungen zwei und drei nicht zu sehen ist. Hingegen ist das Schneidebrett in sämtlichen der drei Darstellungen enthalten. Nach Ansicht des BGH hätte folglich eine Auslegung erfolgen müssen, bei der aus Sicht des entsprechenden Fachkreises zu ermitteln ist, ob für das Schneidebrett ohne Auffangschale oder für ein aus Schneidebrett und Auffangschale zusammengesetztes Kombinationserzeugnis Designschutz beansprucht wird. Ein Kombinationserzeugnis liegt nach der Auffassung des BGH insbesondere dann Nahe, wenn mehrere Gegenstände ästhetisch aufeinander abgestimmt sind und zusammen in einem funktionalen Zusammenhang bestehen. Zwar habe das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei anhand der im Register eingereichten Darstellungen eine ästhetische Abstimmung von Schneidebrett und Auffangschale verneint. Dies allein genügt jedoch nicht zur Ablehnung der Annahme eines Kombinationserzeugnisses, so der BGH. Maßgeblich sei vielmehr, welchen Schutzgegenstand die Fachkreise des betreffenden Sektors aus den Darstellungen und den weiteren aus dem Register ersichtlichen Informationen entnehmen. Zudem könne zwischen Gegenstände mit und ohne Gebrauchsfunktion differenziert werden. Bei einem Gegenstand mit Gebrauchsfunktion, wie dem Schneidebrett, nimmt die ästhetische Abstimmung gegenüber dem funktionalen Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle ein. Bezüglich des funktionalen Zusammenhangs betont der BGH, dass sich dieser nicht allein aus einer konstruktiven Verbindung ergeben müsse, sondern auch anderweitig aus den Darstellungen erschlossen werden kann. Es sei daher nicht relevant, ob die Einfräsungen im Schneidebrett als Schiene für die Auffangschale dienen oder ob die Auffangschale ohne direkte Verbindung unter das Brett geschoben werden kann. Ergebe die Auslegung, dass ein geschütztes Kombinationserzeugnis vorliegt, sei ein zusätzlicher, isolierter (Teil-)Schutz nur eines Teils des Kombinationserzeugnisses ausgeschlossen. Unklarheiten bei der Auslegung gingen zu Lasten des Anmelders. Der BGH hat die Sache zurück an das Berufungsgericht verwiesen, das nun den Inhalt der Designanmeldung unter Berücksichtigung der Vorgaben des BGH neu prüfen muss.


Wussten Sie schon?

Werden Sie jetzt Teilnehmer beim Anwalt-Suchservice und Sie greifen jederzeit online auf die Zeitschrift „IP-Rechtsberater“ des renommierten juristischen Fachverlags Dr. Otto Schmidt, Köln, zu.

Die Zeitschrift ist speziell auf Praktiker zugeschnitten. Sie lesen aktuelle Urteilsbesprechungen inklusive speziellem Beraterhinweis sowie Fachaufsätze und Kurzbeiträge zum Thema Urheber- / Medienrecht und zwar 24/7, also wo und wann immer Sie wollen.

Infos zur Teilnahme