BGH, Urt. 24.4.2019 - VIII ZR 62/18
Mieterhöhungsverlangen: Einwendungen des Mieters
Autor: RA VorsRiLG a.D. Klaus Schach, Berlin
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 07/2019
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 07/2019
Nach Zustimmung zur Erhöhung der Miete kann der Mieter nicht den Widerruf der Zustimmung im Hinblick auf ein Fernabsatzgeschäft erklären. Ferner kann sich der Mieter nicht darauf berufen, dass der Sachverständige grundsätzlich die genaue Lage der Vergleichswohnungen nennen muss. Der Mieter kann sich allerdings darauf berufen, dass bei der Ermittlung der Spanne der ortsüblichen Vergleichsmiete ein angemessenes Verhältnis von Neuvermietungen und Bestandsmietenänderungen zugrunde zu legen sind.
BGH, Urt. v. 24.4.2019 - VIII ZR 62/18
Vorinstanz: LG Görlitz - 2 S 64/17
BGB § 312 Abs. 4 S. 1, § 312c, § 558 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1
Zwar stehe dem Verbraucher auch bei im Fernabsatz geschlossenen Verträgen über die Vermietung von Wohnraum (§ 312 Abs. 4 S. 1) gem. § 312 Abs. 3 Nr. 1, 7 BGB grundsätzlich ein Widerrufsrecht zu. Insoweit sei jedoch bei Vereinbarungen der Mietvertragsparteien über die Erhöhung der Wohnraummiete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete eine Einschränkung geboten (BGH v. 17.10.2018 – VIII ZR 94/17, MDR 2019, 22 = MietRB 2019, 4). Obwohl der Wortsinn des § 312 Abs. 4 S. 1 BGB auch solche Vereinbarungen erfasst, sei der Anwendungsbereich der § 312 Abs. 4 S. 1, § 312c BGB mit Rücksicht auf den Regelungszweck der Bestimmungen über die Miet-erhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete und der Vorschriften über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen im Wege der teleologischen Reduktion einzuschränken. Nach dieser Maßgabe sei ein Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen im Hinblick auf eine Zustimmung zu einer vom Vermieter verlangten Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete nicht gegeben.
Das Mieterhöhungsverlangen des Vermieters sei nicht in formeller Hinsicht unwirksam. Der Kläger habe sich zur Begründung der beabsichtigten Mieterhöhung auf die Benennung von drei Vergleichswohnungen gestützt (§ 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB). Die an die „Vergleichbarkeit” der zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens genannten Wohnungen zu stellenden Anforderungen seien durch die Rechtsprechung dahin geklärt, dass ein großzügiger Maßstab anzulegen und eine Übereinstimmung oder gar „Identität” in allen wesentlichen Wohnwertmerkmalen nicht zu fordern sei. Der Mieter solle (lediglich) in die Lage versetzt werden, der Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens nachzugehen und die begehrte Mieterhöhung zumindest ansatzweise nachzuvollziehen. Diesen Anforderungen werde das hiesige Verlangen gerecht.
Ermittle der Tatrichter die ortsübliche Vergleichsmiete unter Heranziehung eines Sachverständigen, sei eine in jeder Hinsicht vollständige Mitteilung der Anschriften der Vergleichswohnungen im Gutachten nur dann geboten, wenn diese Angaben für eine Überprüfung des Gutachtens praktisch unentbehrlich wären (BVerfG v. 11.10.1994 – 1 BvR 1398/93, BVerfGE 91, 176, 184; v. 7.10.2000 – 1 BvR 2646/95, juris Rz. 3).
Allerdings habe der Sachverständige nach den Feststellungen des Berufungsgerichts geänderte Bestandsmieten i.S.v. § 558 Abs. 2 S. 1 BGB nicht berücksichtigt, sondern nur Neuvermietungen. Die Vorschrift sehe vor, dass bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete Neuvermietungen und Bestandsmietenänderungen zu berücksichtigen seien. Im welchen Verhältnis die gebotene Gewichtung vorzunehmen sei, sei nicht ausdrücklich geregelt. Es obliege deshalb dem Tatrichter, auf ein angemessenes Verhältnis von Neuvermietungen und Bestandsmietenänderungen zu achten. Ein angemessenes Verhältnis liege jedoch jedenfalls dann nicht mehr vor, wenn der Tatrichter Bestandsmietenänderungen nicht oder nur in einem vernachlässigbar geringen Umfang in die Bewertung einbeziehe.
BGH, Urt. v. 24.4.2019 - VIII ZR 62/18
Vorinstanz: LG Görlitz - 2 S 64/17
BGB § 312 Abs. 4 S. 1, § 312c, § 558 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1
Das Problem
Der Vermieter begehrte vom Mieter unter Benennung von drei Vergleichswohnungen eine Erhöhung der monatlichen Nettomiete für die 73 m² große Wohnung von 380,33€ auf 456,25 € (6,25 m²). Der Mieter stimmte einer Mieterhöhung auf 400,77 m²(5,49€/m²) zu. Später erklärte er den Widerruf der Zustimmung. Ferner hatte der Mieter gerügt: Das Mieterhöhungsverlangen sei formell unwirksam, weil eines der benannten drei Anwesen – anders als dasjenige, in dem die von dem Beklagten gemietete Wohnung belegen sei – mit einem Fahrstuhl ausgestattet sei. Der Befund des Sachverständigen sei bereits deshalb nicht tragfähig, weil er zwar die Straßennamen der von ihm ausgewählten Vergleichswohnungen mitgeteilt habe, nicht aber die betreffenden Hausnummern und auch Angaben zur Lage der jeweiligen Wohnung in den Geschossen unterblieben seien. Der Sachverständige habe es außerdem unterlassen, bei der Ermittlung der Spanne der ortsüblichen Vergleichsmiete ein angemessenes Verhältnis von Neuvermietungen und Bestandsmietenänderungen zugrunde zu legen.Die Entscheidung des Gerichts
Der Widerruf der Teilzustimmung des Beklagten zu der Mieterhöhung sei nicht wirksam. In dem Mieterhöhungsverlangen habe zugleich ein Angebot zum Abschluss einer Mieterhöhungsvereinbarung über eine neue Miete gelegen. Dieses Angebot habe der Beklagte teilweise angenommen, nämlich durch Zustimmung nach § 558b Abs. 1 BGB.Zwar stehe dem Verbraucher auch bei im Fernabsatz geschlossenen Verträgen über die Vermietung von Wohnraum (§ 312 Abs. 4 S. 1) gem. § 312 Abs. 3 Nr. 1, 7 BGB grundsätzlich ein Widerrufsrecht zu. Insoweit sei jedoch bei Vereinbarungen der Mietvertragsparteien über die Erhöhung der Wohnraummiete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete eine Einschränkung geboten (BGH v. 17.10.2018 – VIII ZR 94/17, MDR 2019, 22 = MietRB 2019, 4). Obwohl der Wortsinn des § 312 Abs. 4 S. 1 BGB auch solche Vereinbarungen erfasst, sei der Anwendungsbereich der § 312 Abs. 4 S. 1, § 312c BGB mit Rücksicht auf den Regelungszweck der Bestimmungen über die Miet-erhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete und der Vorschriften über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen im Wege der teleologischen Reduktion einzuschränken. Nach dieser Maßgabe sei ein Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen im Hinblick auf eine Zustimmung zu einer vom Vermieter verlangten Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete nicht gegeben.
Das Mieterhöhungsverlangen des Vermieters sei nicht in formeller Hinsicht unwirksam. Der Kläger habe sich zur Begründung der beabsichtigten Mieterhöhung auf die Benennung von drei Vergleichswohnungen gestützt (§ 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB). Die an die „Vergleichbarkeit” der zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens genannten Wohnungen zu stellenden Anforderungen seien durch die Rechtsprechung dahin geklärt, dass ein großzügiger Maßstab anzulegen und eine Übereinstimmung oder gar „Identität” in allen wesentlichen Wohnwertmerkmalen nicht zu fordern sei. Der Mieter solle (lediglich) in die Lage versetzt werden, der Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens nachzugehen und die begehrte Mieterhöhung zumindest ansatzweise nachzuvollziehen. Diesen Anforderungen werde das hiesige Verlangen gerecht.
Ermittle der Tatrichter die ortsübliche Vergleichsmiete unter Heranziehung eines Sachverständigen, sei eine in jeder Hinsicht vollständige Mitteilung der Anschriften der Vergleichswohnungen im Gutachten nur dann geboten, wenn diese Angaben für eine Überprüfung des Gutachtens praktisch unentbehrlich wären (BVerfG v. 11.10.1994 – 1 BvR 1398/93, BVerfGE 91, 176, 184; v. 7.10.2000 – 1 BvR 2646/95, juris Rz. 3).
Allerdings habe der Sachverständige nach den Feststellungen des Berufungsgerichts geänderte Bestandsmieten i.S.v. § 558 Abs. 2 S. 1 BGB nicht berücksichtigt, sondern nur Neuvermietungen. Die Vorschrift sehe vor, dass bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete Neuvermietungen und Bestandsmietenänderungen zu berücksichtigen seien. Im welchen Verhältnis die gebotene Gewichtung vorzunehmen sei, sei nicht ausdrücklich geregelt. Es obliege deshalb dem Tatrichter, auf ein angemessenes Verhältnis von Neuvermietungen und Bestandsmietenänderungen zu achten. Ein angemessenes Verhältnis liege jedoch jedenfalls dann nicht mehr vor, wenn der Tatrichter Bestandsmietenänderungen nicht oder nur in einem vernachlässigbar geringen Umfang in die Bewertung einbeziehe.